Das Medikament Sabizabulin soll das Sterberisiko von Menschen mit schweren Corona-Verläufen um 55 Prozent reduzieren, so die Studie.

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Nie zuvor funktionierte Forschung so schnell wie seit Beginn der Pandemie. Von der ersten Sequenzierung des Coronavirus bis zur Zulassung des ersten Impfstoffs dauerte es genau 326 Tage. Bei der Behandlung von Infizierten und den dafür verfügbaren Medikamenten gebe es aber laut Expertinnen und Experten noch Luft nach oben (DER STANDARD berichtete).

Eine klinische Phase-III-Studie des Mittels Sabizabulin des amerikanischen Pharmaunternehmens Veru macht nun Hoffnung. Nach eigenen Angaben hat das Unternehmen die Studie mit Personen, die von akutem Lungenversagen bedroht sind, wegen hoher Wirksamkeit vorzeitig gestoppt. Das kann dann passieren, wenn ein Medikament in klinischen Tests so gute Ergebnisse zeigt, dass es unethisch sein könnte, es Patientinnen und Patienten weiter vorzuenthalten.

Detaillierte Daten fehlen

Die Daten der Studie deuten auf einen solchen Fall hin: Das Mittel Sabizabulin reduzierte laut Angaben des Herstellers das Sterberisiko um 55 Prozent. Das zeigte sich bei der Auswertung der Daten von 150 Patientinnen und Patienten, die täglich für bis zu 21 Tage neun Milligramm des Wirkstoffs erhielten. 52 Erkrankte wurden wie üblich behandelt und erhielten ein Placebo, 45 Prozent von ihnen verstarben. Die andere Gruppe wurde ebenso regulär behandelt und bekam zusätzlich das Mittel Sabizabulin, bei ihnen lag die Todesquote im Vergleich bei 20 Prozent.

Die Ergebnisse seien ob der kleinen Testgruppe allerdings noch mit Unsicherheiten behaftet. Studienleiter Michael Gordon vom HonorHealth Research and Innovation Institute in Arizona zeigt sich über die "dramatische Verbesserung der 60-Tage-Sterblichkeit" gegenüber der "New York Times" zwar erfreut, mahnte aber gleichzeitlich zur Zurückhaltung. Detaillierte Daten müssten erst ausgewertet werden.

Vorsichtiger Optimismus

Auch der Leiter der Universitätsklinik für Klinische Pharmakologie der Med-Uni/AKH Wien, Markus Zeitlinger, interpretiert die Ergebnisse vorerst lieber "vorsichtig optimistisch". Zu dem untersuchten Medikament Sabizabulin wisse man bisher kaum etwas, die wenigen Informationen stammen zudem aus der Pressemitteilung des Herstellers selbst. Eine von unabhängigen Fachleuten geprüfte Veröffentlichung zur Studie gibt es noch nicht. "Bevor man nicht mehr zur Qualität dieser Studie weiß, sollte man Abstand von Euphoriemeldungen nehmen", sagt der klinische Pharmakologe.

Besonders auffällig sei für ihn die Sterblichkeitsrate bei den beiden untersuchten Gruppen: "In der Placebo-Gruppe sterben 45 Prozent. Das ist so enorm viel, wie ich das noch nie beobachtet habe", sagt Zeitlinger. Und selbst in jener Gruppe, die das Medikament verabreicht bekam, sterben mehr Menschen, als er das in dieser Population erwarten würde. Die Daten würden ihn jedenfalls hellhörig machen: "Je mehr in der Placebo-Gruppe versterben, desto leichter tut man sich, einen Benefit des Medikaments zu zeigen", sagt Zeitlinger.

Wirkung bei Omikron und Delta

Nichtsdestoweniger seien die Daten zu Sabizabulin spannend. Bisher wurde das Arzneimittel hauptsächlich in der Onkologie eingesetzt, etwa bei Brust- oder Prostatakrebs: "Es wirkt in diesem Zusammenhang vermutlich entzündungshemmend und soll eine überschießende Immunreaktion bremsen", erklärt Zeitlinger.

Diese Wirksamkeit zeigt sich laut der Phase-III-Studie sowohl bei Omikron als auch bei Delta gleichermaßen. Ob Sabizabulin auch bei milderen Krankheitsverläufen einen Effekt hat, ist unklar. Verabreicht wird das Arzneimittel in einer Kapsel über den Mund. Es kann für Patientinnen und Patienten auf der Intensivstation auch über künstliche Ernährung zugefügt werden.

Der Hersteller Veru hat die Studien gestoppt und will nun bei der amerikanischen Zulassungsbehörde FDA eine Notfallzulassung beantragen. Ob es auch auf europäischer Ebene bereits Verhandlungen mit der Arzneimittel-Agentur EMA gibt und wann Sabizabulin in Europa zur Verfügung stehen könnte, ist nicht bekannt. (Magdalena Pötsch, 14.4.2022)