Noch kommt Gas wie bestellt aus Russland. Weil sich das aber jederzeit ändern kann, soll nun für den kommenden Winter rechtzeitig vorgesorgt werden – unter anderem durch rasche Befüllung der Gasspeicher.

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Gas aus Sibirien strömt trotz des russischen Angriffskriegs in der Ukraine mit unverändertem Druck durch Pipelines unter anderem bis vor die Tore Wiens. Von dort wird es weiterverteilt an Haushalte, Gewerbe und Industrie, ein Teil geht nach Deutschland und Italien. Die vergangenen Monate waren eine Zitterpartie, weil man nicht wusste, ob Russland trotz Sanktionen zu seinen Lieferverpflichtungen stehen würde. Das war bisher der Fall, kann sich aber jederzeit ändern. Deshalb soll nun vorgesorgt werden, auf dass Herd und Wohnung im Herbst nicht kalt bleiben.

Frage: Wie sieht die Vorsorge aus?

Antwort: Das Naheliegendste ist das Auffüllen der Gasspeicher. Das sind ausgeförderte Lagerstätten in Niederösterreich, Oberösterreich und Salzburg, die von der EVN-Tochter RAG und der OMV betrieben werden. Vollgefüllt käme man damit theoretisch ein ganzes Jahr lang aus. Weil im vorigen Sommer die Gaspreise im Gegensatz zu anderen Jahren nicht gefallen sind, hatten Händler wenig Motivation, Gas einzuspeichern. Damit sich das heuer nicht wiederholt, will die Regierung für Herbst Mindestfüllstände vorschreiben.

Frage: Was genau ist geplant?

Antwort: An Details wird im Klimaschutzministerium noch gefeilt, die Gesetzesvorlage soll im Mai kommen, wird versichert. Noch ist unklar, wer in die Pflicht genommen wird: Speicherbetreiber, Großhändler, beide? Die EU sieht jedenfalls Beihilfenmöglichkeiten vor, um einen Anreiz zum Einspeichern zu bieten, und empfiehlt Speicherstände um die 80 Prozent bis Anfang Oktober.

Frage: Wo stehen die Füllstände derzeit?

Antwort: Momentan sind Österreichs Speicher im Schnitt zu 16,4 Prozent gefüllt, etwas weniger als vor einem Jahr. Seit einer Woche werde wieder mehr Gas gespeichert als entnommen, hat Carola Milligramm von der Regulierungsbehörde E-Control festgestellt. Dies trifft auf Speicher in ganz Europa zu, die derzeit im Schnitt zu gut 29 Prozent gefüllt sind.

Frage: Wie sieht es mit der strategischen Gasreserve aus?

Antwort: Die ist seit Anfang April zumindest gesetzlich in trockenen Tüchern. Ähnlich wie bei Erdöl, wo in riesigen Tanks unter anderem in Lannach bei Graz Vorräte für 90 Tage gelagert werden, soll ab Herbst erstmals auch bei Gas eine strategische Reserve für den Ernstfall zur Verfügung stehen. Konkret geht es um 12,6 Terawattstunden (TWh) Gas, was dem Verbrauch im diesjährigen Jänner entspricht. Bisher hat man in Österreich auf eine Gasreserve verzichtet, weil diese sehr teuer sei.

Das meiste Gas kommt über langfristige Lieferverträge aus Russlands nach Österreich. Bis Herbst soll zusätzlich eine strategische Reserve im Umfang eines verbrauchsstarken Wintermonats angelegt werden – für den Ernstfall.

Frage: Wer ist mit der Beschaffung beauftragt, und wo wird das "Reservegas" gespeichert?

Antwort: Das Erdgas für die Gasreserve wird über die Austrian Gas Grid Management AG (AGGM) beschafft, das hat die Regierung vor wenigen Wochen bestimmt. Die im Eigentum der Landesnetzbetreiber stehende Gesellschaft, die für das Funktionieren des Gasmarktes im gesamten Bundesgebiet zuständig ist, will die strategische Reserve über eine öffentliche Ausschreibung beschaffen. Das Gas soll gleichmäßig auf alle Speicher im Land verteilt werden, auch auf Haidach im Bundesland Salzburg. Der dortige Speicher wird zwar von der RAG Austria AG und damit von einem heimischen Unternehmen betrieben, wurde aber bisher zur Gänze von einem Gazprom-Satelliten in Deutschland vermarktet. In Deutschland deshalb, weil kein Anschluss an das österreichische Gasnetz besteht. Von Haidach aus könnten im Ernstfall Tirol und Vorarlberg versorgt werden, die wegen fehlender Leitungsverbindungen nach Ostösterreich ohnedies über Deutschland versorgt werden.

Frage: Wann geht es los mit der Ausschreibung für die strategische Gasreserve?

Antwort: In den kommenden Tagen werden nach Angaben von Michael Woltran, Chef der AGGM, die Details der Ausschreibung veröffentlicht. Zieldatum für den Beginn der Einspeicherung ist der kommende 1. Juni.

Frage: Wie viel wird das kosten?

Antwort: Im Budget sind 1,6 Milliarden Euro dafür vorgesehen. Derzeit ist Gas mit 96 bis 100 Euro je Megawattstunde (MWh) verhältnismäßig günstig. Zu Beginn des Kriegs in der Ukraine ist der Gaspreis im Großhandel auf 180 Euro/MWh gesprungen. Sollten die Preise, wie nach der Zahlungsaufforderung in Rubel geschehen, auf 160 Euro/MWh klettern, würden die Kosten für die 12,6 TWh Gas auf rund 2,0 Milliarden Euro klettern; sollten sie auf 80 Euro sinken, wäre es nur noch eine Milliarde Euro. Hinzu kommen noch Kosten für das Einspeichern und den Transport.

Frage: Was ist mit Energiesparen?

Antwort: Während es in Deutschland vom Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) abwärts eine Vielzahl an Politikern gibt, die zum Energiesparen aufgerufen haben, hat man in Österreich dazu bisher nichts gehört. Tigas, der Gasversorger in Tirol, wirbt noch immer für den Einbau von Gasheizungen. (Günther Strobl, 20.4.2022)