Die Alte Musik präsentiert der an der Juillard School ausgebildete Pianist solide.

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Wien – Seine schwarzen Jeans sind noch enger als die von Teodor Currentzis früher (Currentzis trägt mittlerweile auch normale Anzüge), seine Locken sind wie von Modigliani modelliert und seine Augen so groß wie die von Captain Future. Ist 40 das neue 20? Schaut so aus. In Japan gibt’s bei den Konzerten von Francesco Tristano wahrscheinlich Kreischalarm.

Ist der schlanke Schlaks mal für Dior gelaufen, zur Zeit von Hedi Slimane? Im unterkühlten Berio-Saal des Konzerthauses ist sein Look fast eine Verschwendung. Aber bei Francesco Tristano geht es ja auch mehr um Töne. Die Töne kommen aus dem Klavier, und auf diesem spielt der Luxemburger mit italienischen Wurzeln Werke aus der Renaissance und der Barockzeit sowie Eigenes. Und so geht es attacca von Frescobaldi zu Bach zu Sweelinck zu Orlando Gibbons, und davor und dazwischen und danach gibt es die neuesten Tristanos – zum Teil sogar als Weltpremieren, wie der Pianist am Donnerstagabend vor der Zugabe verrät. Die Stücke kann man übrigens auf seiner neuen CD On Early Music nachhören.

Wie Rädchen

Tristanos Kreationen sind nicht gerade überkomplex, gern zart-meditativ-tröstend (Aria for RS) oder von einem prägnanten Rhythmus dynamisiert (Hello). Es ist Einaudi/ Tiersen/Glass für leicht gehobene Ansprüche. Die Alte Musik präsentiert der an der Juillard School ausgebildete Pianist solide: In den flinken fugenartigen Sätzen (Prélude von Bachs Englischer Suite Nr. 2 in a-Moll) greifen die Stimmen ineinander wie die Rädchen in einem Uhrwerk. Schlicht und versonnen, limitiert exaltiert die Toccaten von Frescobaldi.

Weil Tristano kein Klangfarbenkünstler ist und der Bösendorfer mit seinem homogenisierten Allerweltsound solche Künste auch nur begrenzt zuließe, wird der Abend im Verlauf seiner 90 Minuten dann doch etwas lang. Egal: begeisterter Applaus samt demütigem Dank des Lockenkopfs im Untergrund des Konzerthauses. (Stefan Ender, 23.4.2022)