Im Gastblog beschreibt die Juristin Andreea Muresan ein schwieriges Kontaktverhältnis zwischen Kind und Elternteil.

In jenen Situationen, in denen die Eltern eines Kindes getrennt leben und sich das Kind hauptsächlich bei einem – dem betreuenden – Elternteil aufhält, hat der andere Elternteil ein Recht auf persönlichen Kontakt zum Kind. Zweck dieses Kontaktrechts ist die Anbahnung eines persönlichen Naheverhältnisses zwischen Eltern und Kindern, die Aufrechterhaltung einer bestehenden Bindung sowie die Verhinderung einer Entfremdung.

Damit diese Zwecke auch tatsächlich erreicht werden können, hat sich der betreuende Elternteil um die Durchführung der Kontakte zum anderen Elternteil zu bemühen. Der betreuende Elternteil ist daher verpflichtet, das Kind unter Vermeidung jeder negativen Beeinflussung positiv und bestmöglich auf die Kontakte mit dem getrenntlebenden Elternteil vorzubereiten, diese mit ihm unter Bedachtnahme auf das Kindeswohl zu verarbeiten und einer unberechtigten Ablehnung der persönlichen Kontakte zum anderen Elternteil durch das Kind entgegenzuwirken. Allerdings darf der Kontakt dann unterbleiben, wenn mit der Ausübung des Besuchsrechtes Irritationen des Kindes verbunden sind, die das Kindeswohl gefährden könnten.

Lehnt es der betreuende Elternteil unzulässigerweise ab, sicherzustellen, dass die vereinbarten Kontakte zwischen dem Kind und dem anderen Elternteil stattfinden, kann das Gericht Beugemittel verhängen – in der Regel handelt es sich hierbei um Geldstrafen, wobei eine solche auch ohne vorherige Androhung angeordnet werden kann.

Psychische Belastung des Kindes durch Besuche

Ein solcher Fall musste vor kurzem auch der Oberste Gerichtshof (OGH) entscheiden, und zwar ausgehend von folgenden Tatsachen: Der 11-jährige Sohn lebte bei der allein obsorgeberechtigten Kindesmutter. Der Kindesvater hatte – aufgrund eines gerichtlichen Vergleichs sowie einer späteren gerichtlichen Vereinbarung mit der Kindesmutter – das Recht zu einem Kontakt mit dem gemeinsamen Sohn an jedem Mittwoch von 14 bis 18 Uhr und alle 14 Tage von Samstag, neun Uhr, bis Sonntag, 18 Uhr. Seit Ende September 2020 fanden keine Kontakte zwischen Vater und Sohn mehr statt.

Im Oktober 2020 wurde für einen Zeitraum von fünf Monaten die Familiengerichtshilfe als Besuchsmittlerin eingeschaltet, damit diese die Durchführung der Besuche zwischen Vater und Kind sicherstellt. Im Rahmen dieser Tätigkeit sprach der Sohn über den Vater ausschließlich negativ. Es beschrieb diesen als "bösesten Menschen der Welt" und erzählte auch davon, dass er früher vom Vater geschlagen worden sei – allerdings konnte nur festgestellt werden, dass es im März 2019 zu einer Ohrfeige durch den Kindesvater kam. Das Kind wurde in diesem Zeitraum mehrmals von Psychologen begutachtet und es wurde festgestellt, dass es psychisch massiv belastet sei und Selbstmordgedanken geäußert hat. Die Familiengerichtshilfe kam daher zum Schluss, dass die Besuche erst dann wieder aufgenommen werden sollten, wenn es dem Kind gesundheitlich besser gehe. Die Kindesmutter hatte – laut dem Erstgericht – die Besuche zum Kindesvater stets befürwortet und gefördert.

Schwierige Kontaktsituationen können sich extrem negativ auf das Kindeswohl auswirken.
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Der Kindesvater beantragte den Ausspruch einer Geldstrafe über die Kindesmutter, weil diese die Besuche zwischen ihm und dem Kind zu unterbinden versuche. Der Sohn sei höchstens bis zur Haustüre gekommen, habe ihn nicht angeschaut und auch nicht die Hand gegeben. Regelmäßig habe der gemeinsame Sohn zu schreien begonnen, dass er ihn nicht sehen wolle, er ihm nie verzeihen könne, er verschwinden solle. Die Kindesmutter erwiderte hingegen, dass sie sich stets darum bemühte, dass der gemeinsame Sohn die Kontakte zum Kindesvater aufrechterhält. Die Nachricht künftiger Treffen mit dem Kindesvater habe das Kind allerdings sehr aufgewühlt. Es sei plötzlich gestresst gewesen und habe unter unkontrollierten Verkrampfungen der Gesichtsmuskulatur gelitten. Das Kind habe auch mehrmals mit Suizid gedroht, sollte er zu einem Besuch des Kindesvaters gezwungen werden. Eine Kinder- und Jugendpsychiaterin habe festgestellt, dass der Minderjährige enorm belastet sei und sich Anzeichen von Autismus beziehungsweise dem Asperger-Syndrom manifestieren würden. Die behandelnden Ärzte hätten dringend empfohlen, von weiteren Kontakten mit dem Vater Abstand zu nehmen.

Entscheidung des Rekursgerichts vom OGH aufgehoben

Das Erstgericht erachtete den Antrag des Kindesvaters auf Verhängung einer Geldstrafe für unberechtigt, weil eine solche dem Kindeswohl zuwiderlaufen würde.

Diese Entscheidung wurde allerdings vom Rekursgericht abgeändert und dieses verhängte eine Beugestrafe gegen die Kindesmutter in der Höhe von 500 Euro. Die Argumentation lautete dahingehend, dass beim gemeinsamen Sohn Anzeichen einer "psychischen Kindesmisshandlung" durch die Mutter vorliegen würden. Der Sohn würde spüren, dass die Kindesmutter sich nicht wünscht, dass das Kind zum Kindesvater Kontakt hat. Er würde seine innere Verbundenheit mit dem Kindesvater nicht ausdrücken wollen, weil er wisse, dass dies von der Kindesmutter nicht mitgetragen und akzeptiert werde. Diese würde keine aktiven Schritte setzen, um den Kontakt zwischen Kind und Kindesvater umzusetzen. Das Rekursgericht erachtete die von der Kindesmutter vorgebrachten Argumente als "Hilferuf" des Kindes, aus dem – durch die Kindesmutter verursachten – "Konflikt befreit zu werden". Deswegen sei auch die Verhängung der Geldstrafe angemessen gewesen.

Der OGH hob die Entscheidung des Rekursgerichts auf (OGH 7 Ob 195/21h vom 12.1.2022). Rechtlich führte er aus, dass das Außerstreitgesetz tatsächlich rechtliche Instrumente zur zwangsweisen Durchsetzung einer Regelung des Rechts auf persönliche Kontakte vorsehe – die Geldstrafe gehöre dazu. Die Unterbindung der persönlichen Kontakte trotz eines rechtskräftigen Titels sei nur in Ausnahmefällen und nur aus besonders schwerwiegenden Gründen zulässig, etwa wenn die Ausübung des Rechts das Wohl des Kindes gefährdet.

Positive Kontakte

Im konkreten Fall erachtete der OGH die vom Erstgericht getroffenen Feststellungen als nicht ausreichend, denn man könne nicht abschließend beurteilen, ob die Kindesmutter tatsächlich ein Verhalten gesetzt habe, welches den schlechten psychischen Gesundheitszustand beim Kind hervorrief. Vielmehr führte der OGH aus, dass das Rekursgericht unrichtigerweise die Gefährdung des Kindeswohls auf ein Verhalten der Kindesmutter zurückführt, wonach diese die Kontaktanbahnung nicht aktiv und ausreichend fördere. Allerdings betonte der OGH, dass das Rekursgericht in seiner Argumentation außer Acht ließ, dass das Kind selbst massiv belastet war und Selbstmordgedanken äußerte und ein äußerst negativ besetztes Bild vom Vater hatte. Im Übrigen war auch die Familiengerichtshilfe der Ansicht, dass die Besuche auszusetzen sind, bis sich der gesundheitliche Zustand des Kindes verbessert. Vor diesem Hintergrund trug der OGH dem Erstgericht die Ergänzung des Verfahrens auf.

Grundsätzlich hat daher der betreuende Elternteil darauf zu achten, dass die Kontakte zum anderen Elternteil aktiv gefördert werden. Eine "neutrale" Positionierung des betreuenden Elternteils, wonach die Entscheidung über die Durchführung der Kontakte dem Kind überlassen wird, ist in diesem Zusammenhang nicht ausreichend. Eine Unterbindung der elterlichen Kontakte ist nur dann zulässig, wenn diese das Kindeswohl gefährden würden – was für jede einzelne Situation extra zu prüfen ist. (Andreea Muresan, 29.4.2022)