Mai 1923, Deutschland: Ein Kilogramm Brot kostet 474 Mark. Ende Oktober 1923: Ein Kilogramm Brot kostet 5,6 Milliarden Mark. Ein Fahrschein für die Straßenbahn 15 Milliarden. Es ist die Zeit, in der Geld stündlich weniger wert wird.

Die Menschen erhalten ihren Lohn täglich in der Früh, um damit das Notwendigste kaufen zu können – am Abend wäre das Geld nur noch einen Bettel wert. Deutschland steckt nicht allein in der Inflationskrise. Auch in Polen explodiert die Inflation.

Zeitungsverkäuferinnen in Deutschland 1923: Das Wechselgeld halten sie in Körben bereit. Geld gibt es ohne Ende, aber es ist fast nichts wert.
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In Österreich ist der Höhepunkt ein Jahr davor erreicht, als Preise binnen zwölf Monaten um 2877 Prozent steigen. Um eine Hungersnot zu verhindern, stützt der Staat die Preise für Lebensmittel – und lässt sich das einiges kosten. "Für das Jahr 1922 beträgt die Höhe der Lebenmittelpreisstützungen 250 Billionen Kronen, während die Gesamtsumme der staatlichen Einnahmen 208 Billionen veranschlagt", schreibt der Wiener Ökonom und Wirtschaftshistoriker Hans Kernbauer in einer Arbeit über die Währungspolitik der Zwischenkriegszeit.

Eine Hyperinflation, die sich ins Gedächtnis der Menschen und Entscheidungsträger einbrennt und insofern bis heute Folgen zeitigt. Dabei ist die Episode so schnell vorbei, wie sie gekommen ist. In Österreich ist die Megainflation schon 1923 zu Ende, in Deutschland ein Jahr später. Bis zur Weltwirtschaftskrise Ende der 1920er-Jahre folgt eine stabile Phase, mit moderaten Preissteigerungen, ausgeglichenen Budgets, stabilem Wachstum.

Aber wie kommt das, wie haben Staaten Perioden mit hohen Preissteigerungen überstanden? Wie haben Regierungen und Machthaber Preise unter Kontrolle gebracht – egal ob in der Zwischenkriegszeit oder unter dem römischen Kaiser Diokletian oder in den 1970er-Jahren nach dem Ölpreisschock? Und bieten diese Erfahrungen Lehren für heute?

1. Harter Sparkurs

Schon die Jahre vor der Hyperinflation bei den Kriegsverlierern Deutschland und Österreich sind von der Teuerung geprägt. Die Finanzierung des Ersten Weltkriegs bis 1918 erfolgt in beiden Ländern zu einem Gutteil über die Notenpresse. Die Geldmenge steigt stetig an. Zugleich kämpft die an Rüstungsaufträge gewöhnte Industrie mit der Umstellung auf die neue Zeit, die angebotenen Güter sind knapp.

Um soziale Konflikte zwischen Arbeit und Kapital zu verhindern, drucken die Notenbanken weiter Geld, der Staat zahlt üppige Sozialleistungen, während er kaum Steuern einhebt. Die Löhne in der Industrie werden laufend an die Teuerung angepasst. Eine Folge von diesem Mix: "Eine konjunkturelle Scheinblüte", wie der österreichische Historiker Dieter Stiefel über diese Zeit schreibt.

Ein Beleg dafür: Es herrscht praktisch Vollbeschäftigung in Österreich. Für Industriearbeiter ist es eine gute Zeit, ebenso für Industriebarone, die über Werke verfügen und deren Schulden sich verflüchtigen durch die Geldentwertung. Zu den Verlierern zählen alle mit Sparguthaben, mit nicht indexierten Löhnen: Anwälte, Ärzte, Beamte, schreibt der Ökonom Liaquat Ahamed in seinem Buch Lords of Finance.

Der Preisanstieg beschleunigt sich in dieser Konstellation. Die Gründe sind mannigfaltig: Die Entwertung von Deutscher Mark und österreichischer Krone führt zu Währungsspekulationen, dazu kommen politische Unruhen. Als Frankreich das deutsche Ruhrgebiet 1923 besetzt, verliert Deutschland das Herzstück seiner Industrie und gibt dort hunderte Millionen für passiven Widerstand aus. Es folgt die erwähnte Hyperinflation.

Wie wird die gestoppt? Deutschland wie Österreich schwenken auf Sparkurs: Das Budget wird ausgeglichen, Sozialausgaben werden gestrichen. Österreichs Kanzler Ignaz Seipel lässt 80.000 Staatsbedienstete rauswerfen, in Deutschland verliert ein Viertel aller Beamten die Jobs. Deutschland stoppt den Widerstand im Ruhrgebiet. Dazu kommt eine Währungsreform, die Geldmenge im Umlauf wird begrenzt. Die Notenbanken beenden das Gelddrucken. Steuern steigen und werden eingetrieben. Das Ende der Inflation hat einen Preis: nachhaltig hohe Arbeitslosigkeit, die zu einer Schwächung der Gewerkschaften führt.

Und: Das Hyperinflationstrauma führt dazu, dass künftig versucht wird, Inflation gar nicht mehr zuzulassen. Als der Börsencrash 1929 in die Weltwirtschaftskrise mündet, schreiten Regierungen und Notenbanken kaum ein, Ausgaben werden nicht erhöht, die Geldpolitik nicht gelockert. Es folgen: Deflation, Massenarbeitslosigkeit, die große Depression. Der ideale Nährboden für radikale Bewegungen wie die NSDAP in Deutschland.

2. Drehen an der Zinsschraube

Eine andere Methode, Geld aus dem Markt zu nehmen, wählen die Notenbanker in den 1970er-Jahren. Wieder dürfte ein Mix an Ursachen in die Inflationsmisere geführt haben: Hauptauslöser ist der erste Ölpreisschock im Oktober 1973, bewirkt durch das Erdölembargo des Opec-Ölkartells.

Dazu kommen Missernten und steigende Lebensmittelpreise sowie eine fallende Produktivität der Industrie. In der industrialisierten Welt steigen die Preise. 1974 erreicht die Inflation in den USA zwölf, in Österreich 9,5 Prozent. Die Notenbank in den USA unternimmt mit dem Plan, die Arbeitslosigkeit nicht weiter steigen zu lassen, nichts. Die Arbeitslosigkeit beginnt dennoch zu steigen.

Der Kurswechsel kommt erst 1979, als Paul Volcker Chef der US-Notenbank Fed wird. Während in der Zwischenkriegszeit die Politik die Speerspitze im Kampf gegen die Teuerung ist, sind es nun die Zentralbanken. Die Fed beginnt ihre Zinsen radikal anzuheben auf fast 20 Prozent Anfang der 1980er-Jahre. Das löst zwar eine schwere Wirtschaftskrise in den USA aus, aber "dann war die Inflation gebrochen", sagt der Wirtschaftshistoriker Clemens Jobst von der Uni Wien.

Auch in Europa sind nun die Notenbanken am Zug, die immer stärker auf ihre Unabhängigkeit von der Politik pochen. In Österreich, wie in den meisten übrigen Industrieländern, steuert der Staat in den 1970er-Jahren zunächst mit Mehrausgaben gegen die Krise, was die Preise tendenziell weiter treibt.

Mehrere Faktoren sorgen in der Kreisky-Zeit aber dafür, dass die Teuerung nie zweistellig wird: Da ist einmal die Lohnzurückhaltung der Gewerkschaften. Dazu kommt die Hartwährungspolitik der Notenbank. Ab 1976 ist der Schilling an die D-Mark gebunden, das führt dazu, dass der Schilling in der Folge immer stärker wird. Das macht Importe wie Öl billiger, für Exporteure wird das Leben aber schwieriger.

Eine Lehre aus der Krise ist, dass Notenbanken immer stärker darauf setzen, Erwartungen zu managen: Wenn Unternehmen mit stark steigenden Preisen rechnen, sind sie geneigt, diese zu erhöhen, und Haushalte sind geneigt, diese auch zu zahlen. In der Folge beginnen Industrieländer damit, sich konkrete Inflationsziele zu setzen, Neuseeland startet damit als erster Staat 1990. Die Europäische Zentralbank peilt heute eine Teuerung von zwei Prozent an.

3. Der Staat setzt die Preise fest

Für viele Ökonominnen und Ökonomen ist es ein Tabuthema: Preiskontrollen und staatlich festgelegte Höchstpreise, die verhindern sollen, dass eine Inflationskrise entsteht. In der Geschichte gibt es dafür einige Beispiele. Eine Methode, mit der man auch versucht hat, die mutmaßlich erste dokumentierte Hyperinflation zu bekämpfen: Im Römischen Reich wurde im dritten Jahrhundert nach Christus der Silbergehalt von Münzen immer mehr reduziert, weil die Kaiser mehr Geld gebraucht haben.

Diokletian machte das insofern transparent, als er gleich Kupfermünzen im Zuge einer Währungsreform in Umlauf brauchte. Zugleich ließ er aber Preise festsetzen, und zwar für 1400 Produkte und Dienstleistungen. "Wer dagegen verstieß, hatte mit der Todesstrafe zu rechnen", erklärt der deutsche Ökonom und Uniprofessor Gerhard Illing.

Im 20. Jahrhundert spielen staatliche Preisbindungen im und nach dem Zweiten Weltkrieg eine wesentliche Rolle. In NS-Deutschland lässt Adolf Hitler Preise und Löhne fixieren, auf Schwarzhandel setzt es drakonische Strafen. Zu kaufen gibt es bald ohnehin wenig, eine Folge des Krieges. Erst nach 1945 wird die verdeckte Inflation offenbar.

Auch die USA praktizieren im Krieg Preiskontrollen, ein Office of Price Administration mit 160.000 Angestellten überwacht die Preise, Ähnliches geschieht nach Beginn des Koreakrieges 1950. Das US-Modell gilt als Erfolg: Ein Anstieg der Preise wie nach dem Ersten Weltkrieg wird verhindert.

Befürworter von Preiskontrollen argumentieren heute, dass sie einfache und rasche Abhilfe schaffen. Gegner, dass damit die Ursache der Inflation nicht beseitigt wird – pure Symptombekämpfung, die sich rächen kann, denn Preisobergrenzen können dazu führen, dass in der Folge weniger produziert wird.

Ob sich aus der Vergangenheit etwas lernen lässt? Sowohl in der Geld- als auch in der Wirtschaftspolitik gibt es ein erprobtes Instrumentarium von Strategien, um Inflation einzubremsen. Aber alle davon haben ihren Preis: Auch die Nebenwirkungen der Inflationsbekämpfung können verheerend sein. Das hat die Geschichte bewiesen. (Renate Graber, András Szigetvari, 30.4.2022)