Karin Wiesinger ist Präsidentin des Public-Relations-Verbands Austria und Partnerin bei der Kommunikationsgesellschaft Skills.

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Wien – "Kante zeigen und Brücken bauen" will der Public-Relations-Verband Austria (PRVA) mit seinem Kommunikationstag am Donnerstag. Dieses Motto beziehe sich darauf, dass "Unternehmenssprecher und Kommunikatoren klare Positionen von Organisationen vertreten müssen", sagt PRVA-Präsidentin Karin Wiesinger im Gespräch mit dem STANDARD. Da es fast bei jedem Thema vielfältige Sichtweisen gebe und öffentliche Debatten immer emotionaler geführt würden, brauche es eine Stärkung der Dialogkultur. "Ohne ein Verständnis für die Gegenseite kann es zu keinem Konsens kommen. Professionelle Kommunikation spielt hier eine große Rolle, vor allem auch bei der Vermittlung komplexer Inhalte und Zusammenhänge", so Wiesinger.

Beim Kommunikationstag diskutieren etwa der Social-Media-Experte und Bestsellerautor Hasnain Kazim, der Kabarettist Florian Scheuba und der Ex-Politiker Matthias Strolz über den Umgang mit polarisierenden Meinungen, PR-Instrumenten wie Message-Control und die Frage, wie mit Kommunikation der Zusammenhalt in der Gesellschaft gefördert werden kann.

Wiesinger vermisst bei vielen öffentlichen Debatten den ehrlichen Versuch, auch die Argumente der Gegenseite zu verstehen. Aktuelle Beispiele dafür seien die Wissenschaftskommunikation und die Impfthematik. Die nächste große kommunikative Herausforderung wird laut Wiesinger die Klimaschutzdiskussion sein. "Wie kann man sicherstellen, dass alle Argumente und Stimmen gehört werden und nicht nur die lautesten?" Es wäre auch Aufgabe der Politik, einerseits selbst Vorbild zu sein und anderseits neue Diskussionsformate dafür zu schaffen. Bei der Impfthematik sei es der Regierung in der Kommunikation bisher nicht gelungen, Brücken zu den Impfgegnern zu bauen.

Gecko-Kommission "ohne dialogorientierten Zugang"

Wiesinger: "Wir fragen uns als PRVA-Verband, warum etwa kein Kommunikationswissenschafter in die Gecko-Kommission geholt wurde. Anstatt den Fokus auf Anzeigen und halblustige Werbebotschaften zu legen, könnten mit einer strategisch aufgesetzten Dialogkampagne die Bürgerinnen und Bürger direkt angesprochen und in moderierten Gesprächen Fakten vermittelt werden." Genau hier liege die Stärke von Public Relations als Beziehungsmanagement: nämlich die Menschen dort inhaltlich abzuholen, wo sie gerade stehen. "Herr und Frau Österreicher lassen sich mit Werbebotschaften nicht von ihrer Meinung abbringen."

An die Mitglieder der Gecko-Kommission richtet die PRVA-Präsidentin den Appell für einen ganzheitlichen Zugang bei der Impfkommunikation. Eine derartige integrierte Dialogkampagne ließe sich über den Sommer hinweg gut aufsetzen, um rechtzeitig vor einer nächsten Infektionswelle im Herbst für eine Sensibilisierung zu sorgen.

"Bevor man über die Impfpflicht laut nachdenkt, sie in den Raum stellt und dann doch nicht durchsetzt, hätte man eine Beratungspflicht erwägen können", so Wiesinger. "Es wäre legitim gewesen, jede Bürgerin und jeden Bürger etwa via Direct Mailing zu einem verpflichtenden Beratungsgespräch einzuladen. Flächendeckend aufgezogen, hätte man mehr Leute persönlich erreicht und sie in Gesprächen aus ihren oft toxischen Online-Meinungsblasen rausholen können."

"Welt ist nicht schwarz-weiß"

Auch von Medien wünscht sich Wiesinger mehr Zwischentöne: "Komplexe Dinge so zu vermitteln, dass sie verstanden werden, ist bei vielen brennenden Themen die große Herausforderung. Die Welt ist nicht schwarz-weiß, und Wissenschaft lebt von Veränderung, die es zu erklären gilt."

Wiesinger: "Projektgegner melden sich oft sehr lautstark zu Wort, werden auch oft lautstark gecovert. Und die Befürworter, die de facto in der Überzahl sind, werden dadurch immer leiser und leiser. Dieses Phänomen kennen wir aus der Kommunikationswissenschaft als Schweigespirale. Politiker stellen sich dann ungern gegen diese scheinbare Mehrheit und scheuen sich, öffentlich für etwas einzutreten." In Wien etwa hätte man der Bevölkerung die Vorteile relevanter Infrastrukturprojekte wie der Stadtstraße besser erklären müssen, so Wiesinger.

Digitale Kommunikation und der Bereich der Internen PR seien momentan die wichtigsten Themen für die PR-Branche, ergab eine Umfrage, die der PR-Verband unter seinen Mitgliedern durchführte. Auch bei der Nachhaltigkeit und im Bereich Innovationsmanagement würden Kommunikationskompetenzen an Bedeutung gewinnen und die Aus- und Weiterbildung gefördert werden.

Der PRVA bietet ab Herbst neue Workshops für Ethik- und Qualitätsthemen in der PR an, hier brauche es regelmäßige Bewusstseinsbildung, sagt Wiesinger: "Vermittelt werden unter anderem die Richtlinien etwa des PR-Ethikrats, der beispielsweise mit Leitfäden für Digitalkommunikation oder Influencer-Marketing wertvolle Tipps für den Berufsalltag zur Verfügung stellt." (ae, 4.5.2022)