Gut – dass das Hollandfahrrad nicht jeder reparieren will, ist verständlich. Zwei Jahrzehnte hat es wohl auf dem Buckel. Es ächzt und knarrt ein bisschen. Wer bei diesem Drahtesel nicht empfiehlt, ihn dem Altmetall zuzuführen und sogar ein vernünftiges Serviceangebot macht, hat sich als Werkstatt qualifiziert. Wer sein Fahrrad nach der Winterpause auf Vordermann bringen lassen will, hat es bei den knapp 200 Fahrradwerkstätten in Wien nicht leicht, die Spreu vom Weizen zu trennen.

Die einen verlegen sich eher auf den Verkauf und sehen die Werkstatt als Anhängsel, andere spezialisieren sich auf Services wie Radverleih und haben sich mit der Schrauberei ein weiteres Standbein zugelegt. Wieder andere reparieren und restaurieren mit viel Hingabe. Manche haben damit begonnen, schon lange bevor Radfahren hip geworden ist. Zuletzt ist die Zahl der Werkstätten deutlich gestiegen. Dabei seien "gute Mechaniker schwer zu finden", sagt Hans-Jürgen Schoder, Sprecher der Arge Fahrrad. Doch wie erkennt man, ob das Fahrrad in kundige Hände kommt? Der Konsument sei ziemlich alleingelassen, wenn es herauszufinden gelte, wie man nun eine gute Werkstatt von einer schlechten unterscheidet, räumt Schoder ein.

Die Zahl der Werkstätten ist zuletzt deutlich gestiegen.
Foto: Regine Hendrich

Thomas Gerhardt schraubt und ölt im 2rad-shop seit frühen Kindheitstagen an Drahteseln herum. 1973 hat sein Vater das Geschäft für Autozubehör in der Langobardenstraße im 22. Wiener Gemeindebezirk eröffnet, rasch waren auch Räder dabei. Wichtig sei, schon beim Abliefern einen Preis zu erfragen, rät der Fachmann, der seine Branche auch in der WKO vertritt. Ein einfacher Service – Reifen, Bremse, Schaltung sowie Lichtanlage kontrollieren, Züge schmieren und Schrauben nachziehen – koste bei ihm rund 50 Euro und sei in ein bis zwei Tagen erledigt.

Es spielte eine Rolle für den Feminismus, war wesentlich für die Arbeiterinnen- und Arbeiterbewegung und hat die Mobilität revolutioniert: das Fahrrad.
DER STANDARD

Regelmäßig warten

Dass sich eine Wartung vor der ersten Tour nach der Winterpause empfiehlt, sagen alle Fachleute. Die Preisgestaltung ist nicht immer nachvollziehbar, hat ein Test der Arbeiterkammer vor einigen Jahren gezeigt. Manche Geschäfte verrechneten Pauschalpreise für bestimmte Leistungen, andere je nach Arbeitsaufwand, auch der Preis pro Arbeitsstunde schwankte einigermaßen stark.

Noch ist aber der Andrang bei den Werkstätten ohnehin überschaubar. Sobald es wieder über 20 Grad hat, werden sich vor dem Geschäft Schlangen bilden, davon geht Jakob Fried fix aus. Gemeinsam mit seinem Partner Samuel Kermann hat er kurz vor dem ersten Lockdown das Veloversum im sechsten Wiener Gemeindebezirk eröffnet.

Alte Rennräder

Wer zu Fried vordringen will, geht durch einen schmalen Gang – vorbei an rund 40 Rennrädern aus den 1980er-Jahren. Auch von der Decke baumeln die Drahtesel, darunter die eine oder andere heißbegehrte Rarität. Alte Rennräder aus den 1980er-Jahren und ein bisschen jünger hält Fried für vernünftige Stadträder: "Alles, was älter ist, ist Liebhaberei." Manche drehen gleich wieder um, wenn sie die Preise hören, sagt Fried. Räder für 200 bis 300 Euro werden hier nicht angeboten. Das würden sie schon im Einkauf kosten. Ab 600 Euro sind die guten Stücke dann hergerichtet für die Kunden zu haben.

Jakob Fried verlegte sich auf alte Rennräder.
Foto: Julia Beirer

Günstiger gibt es neben neuen Fahrrädern – von gemütlich über praktisch bis schnittig – gebrauchte gleich neben dem grünen Prater bei Sator Bike in der Böcklinstraße im zweiten Bezirk. Karl Schmiedel spürt wie Fried alte Räder auf Willhaben auf und restauriert sie. In der geräumigen Werkstatt hinter dem schlauchförmigen Kellerlokal wird emsig demontiert, gereinigt, gefettet, zusammengebaut und justiert. Die Leute würden oft vergessen, dass nicht nur Autos regelmäßiger Services bedürfen, sagt man hier. An Patienten mangelt es trotzdem nicht. "Schiach, aber gut", das seien die Gebrauchtmodelle, die in Wien angesichts der emsigen Langfinger besonders gefragt seien, sagt Schmiedel. Darauf ist er eingestellt.

Regelmäßig servicieren

Wie weiß ich als Konsument, ob sich die Reparatur überhaupt auszahlt? Immerhin hat so mancher durchaus auch unerfreuliche Erfahrungen gemacht. Mit Drahteseln, die nach der teuren Reparatur erst recht klemperten, mit Dienstleistungen, die ungefragt erbracht werden, um dann eine fette Summe auf der Rechnung auszumachen. Arge-Fahrrad-Sprecher Schoder verweist darauf, dass sich regelmäßiger Service auszahlt. Teure Überraschungen würden dann in der Regel ausbleiben. Bewertungen im Internet zu konsultieren oder auf Mundpropaganda zu hören empfiehlt Karl Schmiedel zwischen all seinen neuen und alten Rädern in seinem Kellerlokal. Die häufigsten Probleme, die er hier zu verarzten hat, sind ganz klassische Patschen oder auch eingedrückte Speichen.

Lieferengpässe

Was neue Fahrräder betrifft: Extrawürste werden derzeit kaum gebraten, das gilt für praktisch alle Fachgeschäfte. Zu haben ist, was in den Läden steht – wegen der Lieferschwierigkeiten. Zwischen acht und neun Monate Lieferverzögerungen sind keine Seltenheit – sie machen sich mancherorts auch bei Ersatzteilen bemerkbar. Mehrere Wochen, teilweise auch Monate hat Thomas Gerhardt in seiner Werkstatt im 22. Bezirk auf Ketten, Reifen oder Zahnkränze gewartet. Die Geschäfte laufen dennoch. Corona hat es bestimmt beflügelt, ist Veloversum-Chef Fried überzeugt. Zum Geldausgeben sind während der Lockdowns mangels Alternativen viele zu ihm ins Geschäft gekommen.

Demontiert, gereinigt, gefettet und zusammengebaut wird auch beim Wiener Prater.
Foto: Regina Bruckner

Seit der Pandemie würden die Menschen tendenziell öfter 100 Euro in Ausbesserungsarbeiten als 600 Euro in ein neues Rad investieren, sagt Thomas Gerhardt. Das Geschäft geht auch ihm nicht aus: 20 unterschiedliche Räder kranken an 20 unterschiedlichen Stellen. Wie gut die Räder in Schuss sind, kommt nach seiner Einschätzung vor allem auf die Nutzung an. Wer sein Fahrrad an der U-Bahn-Station stehen lässt, wird es optisch absichtlich eher weniger pflegen als das Sportgerät für die Sonntagsfahrt. Eines sei aber schon deutlich ersichtlich: Grundsätzlich legen die Menschen seit geraumer Zeit mehr Wert auf ihre Fahrräder und deren Reparatur. (Julia Beirer, Regina Bruckner, 4.5.2022)