Will Einsicht in Daten über ihn: Christian Pilnacek, suspendierter Sektionschef

Foto: APA/Fohringer

Das Ibiza-Video hat nicht nur die österreichische Politik durcheinandergewirbelt, sondern zumindest indirekt auch den Justizbetrieb. Seit der Veröffentlichung der Finca-Aufnahmen hat sich einiges verändert, nicht zuletzt gibt es eine grüne Justizministerin und heftigen Streit zwischen der Korruptionsstaatsanwaltschaft und ihren ehemaligen Vorgesetzten. Die sind heute im ÖVP-Korruptionsausschuss geladen.

Erste Auskunftsperson: Johann Fuchs

250.000 Verfahren liegen in der Zuständigkeit der Oberstaatsanwaltschaft (OStA) Wien: Ihr Sprengel besteht aus Wien, Niederösterreich, dem Burgenland und der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA).

  • Johann Fuchs wurde 2018 Leiter der OStA Wien; zuvor war er Staatsanwalt in Wien, Wiener Neustadt und Eisenstadt, deren Staatsanwaltschaft er vor 2018 geleitet hat.
  • Gegen Fuchs wurde im März ein Strafantrag eingebracht. Ihm wird vorgeworfen, das Amtsgeheimnis verletzt und vor dem Ibiza-U-Ausschuss falsch ausgesagt zu haben
  • .Justizministerin Alma Zadić (Grüne) hatte Fuchs daraufhin vorläufig suspendiert, der zuständige Oberste Gerichtshof (OGH) das jedoch wieder aufgehoben.Nach heftigen Konflikten ist Fuchs nicht mehr dafür zuständig, Verfahren der WKStA zu betreuen.
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Thema Strafantrag

Die Nachricht sorgte im U-Ausschuss vor einem Monat für Aufsehen: Gegen Fuchs war ein Strafantrag der StA Innsbruck eingebracht worden, Zadić hatte ihn daraufhin suspendiert. Mittlerweile ist diese Suspendierung wieder aufgehoben worden, und auch an der Substanz des Strafantrags gibt es Kritik. So soll der Weisungsrat, der Empfehlungen an die Ministerin abgibt, zuerst vertiefende Ermittlungen vor einer Anklage gegen Fuchs gefordert haben, später aber nicht mehr um seine Meinung gefragt worden sein.

Vorgeworfen wird Fuchs, geschützte Informationen an den damaligen Leiter der Sektion für Legistik, Christian Pilnacek, weitergeleitet zu haben. Die beiden sind seit Jahrzehnten miteinander befreundet, sie gelten als enge Verbündete. Fuchs soll Pilnacek Bescheid gegeben haben, dass die WKStA und einige ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Anzeige gegen eine Journalistin der "Presse" eingebracht hatten. Anlass war ein kritischer Artikel, in dem die Staatsanwälte das Delikt der üblen Nachrede erkannt haben wollten. Fuchs sagte dazu, er sei "kein Teil eines Netzwerks". Er gehöre keiner Partei an und agiere nicht parteiisch.

Die StA Innsbruck wirft Fuchs außerdem vor, im Ibiza-U-Ausschuss falsch ausgesagt zu haben. Dabei geht es um die Frage, ob er Akten an Pilnacek weitergeleitet hat. Daran wollte er sich nicht erinnern können. Die StA Innsbruck hält das für wenig glaubwürdig, weil er oftmals und kurz zuvor Aktenteile an Pilnacek übermittelt hatte. Wegen der Weitergabe von Informationen aus Akten selbst wird nicht ermittelt.

Zweite Auskunftsperson: Christian Pilnacek

Pilnacek war über ein Jahrzehnt lang der wohl wichtigste Beamte im Justizressort – manche attestierten ihm sogar mehr Einfluss als der jeweiligen Ministerin oder dem jeweiligen Minister.

  • Pilnacek war ab den frühen 2000er-Jahren stellvertretender Sektionschef für Strafvollzug, dann ab 2010 Leiter der Strafrechtssektion und somit für die Kontrolle der Staatsanwaltschaften zuständig. 2018 wurde er auch Generalsekretär im Ministerium
  • Justizministerin Zadić "entmachtete" Pilnacek, indem sie seine Sektion aufteilte. Die Kontrolle der Staatsanwaltschaften lag ab 2020 bei Barbara Göth-Flemmich.
  • Gegen Pilnacek laufen eine Reihe von Ermittlungsverfahren. Er soll das Amtsgeheimnis gebrochen haben und etwa eine Hausdurchsuchung bei dem Unternehmer Michael Tojner verraten haben. Ein erster Prozess rund um die Weitergabe von Informationen an eine "Kurier"-Journalistin endete nicht rechtskräftig mit einem Freispruch.

Thema Eurofighter-Besprechung

"Daschlogts es": Zwei Worte mit gewaltigen Konsequenzen. Als der damalige Strafrechts-Sektionschef Pilnacek sie im April 2019 in einer Dienstbesprechung zum Eurofighter-Verfahren in Richtung WKStA richtete, vermutete diese eine Anstiftung zum Amtsmissbrauch. Die Besprechung wurde heimlich von einem Oberstaatsanwalt der WKStA aufgenommen, das Protokoll gelangte nach außen. Es folgten gegenseitige Anzeigen, die strafrechtlich ohne Folgen blieben. Aber die Stimmung in der Justiz, die zuvor schon wegen den BVT-Ermittlungen der WKStA aufgeheizt war, war von da an katastrophal: Pilnacek und Fuchs vertrauten der WKStA nicht mehr – und umgekehrt.

Thema Observation

Es folgten jahrelange Grabenkämpfe. Wie Chats zwischen Pilnacek und Fuchs zeigen, überlegte der damalige Sektionschef sogar, wegen angeblicher Aktenleaks eine Observation von WKStA-Staatsanwälten anzufordern. Fuchs sagte dazu, das sei "Reden wie im Wirtshaus" gewesen. Die Observation sei "eine Lösung, die nicht machbar wäre", gewesen und nie umgesetzt worden. Die Chats zeigten, so Fuchs, die Verzweiflung von Pilnacek und Fuchs darüber, dass immer wieder Interna aus der Justiz nach außen gedrungen seien – die beiden vermuteten die WKStA dahinter.

Informiert wurde Fuchs aus der WKStA von der Staatsanwältin Linda Poppenwimmer. In hunderten Whatsapp-Nachrichten berichtete sie über Interna aus der WKStA. In ihrer Befragung vor dem U-Ausschuss gab Poppenwimmer an, sie habe Merkwürdigkeiten an Vorgesetzte melden wollen – und WKStA-Leiterin Ilse-Maria Vrabl-Sanda habe sich sinngemäß nicht für Poppenwimmers Anmerkungen interessiert. Fuchs betonte, weder mit Poppenwimmers Versetzung in die WKStA noch mit deren Karenzierung zu tun gehabt zu haben – mittlerweile arbeitet die Staatsanwältin ja bei der Kanzlei Ainedter & Ainedter.

Für Pilnacek zeigten Poppenwimmers Aussagen, dass er "auf einer Abschussliste" der WKStA gestanden habe. Diese wolle eine "unkontrollierbare und unkritisierbare Insel" werden.

Entschlagungen und Menschenrechte

Während Fuchs recht ausführlich zu den Chats Stellung genommen hatte, verweigerte Pilnacek das. Er habe keine Einsicht in seine von der Staatsanwaltschaft ausgewerteten und an den U-Ausschuss übermittelten Nachrichten gehabt, beklagte Pilnacek. Das verstoße gegen die Menschenrechtskonvention. Wollten die Abgeordneten ihn dazu befragen, müssten sie ihm die Chats vorab überlassen, meinte der suspendierte Sektionschef. Das führte zu Geschäftsordnungsdebatten und sogenannten Stehungen. Bei den Abgeordneten kam das nicht besonders gut an: FP-Fraktionsführer Christian Hafenecker meinte, wenn man "das durchgehen lasse", bekommen man bald "von niemandem mehr Antworten"; sein SPÖ-Pendant Jan Krainer merkte an, man brauche zur Beantwortung der Fragen keinen Zugang zu seinem Handy, sondern einen zu seinem Hirn.

Weitere Ladungslisten

Publik wurde auch das Ladungsverlangen der Opposition für die nächsten Wochen:

  • Am 24. Mai soll Ausschussvorsitzender Sobotka wieder einmal Platz tauschen und zur Auskunftsperson werden. Nach ihm folgen Beamte des Innenministeriums, am nächsten Tag zwei Führungspersonen im Bundesamt für Korruptionsbekämpfung.
  • Die erste Juni-Woche wird eine Vorarlberg-Woche: Am 1. Juni will der U-Ausschuss Landeshauptmann Markus Wallner und den früheren Wirtschaftsbund-Direktor Jürgen Kessler sehen, tags darauf Finanzminister Magnus Brunner und Wirtschaftsbund-Funktionär Jürgen Rauch. Außerdem sind Prüfer der Großbetriebsprüfung geladen.
  • Dann pausiert der U-Ausschuss drei Wochen, bevor er sich dem Wirtschaftsministerium widmet: Ministerin Margarete Schramböck (ÖVP), ihr Generalsekretär Roland Esterl sowie der stellvertretende Kabinettschef Paul Rockenbauer sollen kommen, außerdem Abteilungsleiter und der frühere ÖVP-Obmann Michael Spindelegger.
  • Am 29. und 30. Juni geht es dann vor allem um das Landwirtschaftsministerin, geladen sind auch Elisabeth Köstinger und ihr früherer Sprecher Daniel Kosak, jetzt Vizekabinettschef im Bundeskanzleramt.
  • Vor der Sommerpause versuchen die Abgeordneten dann abermals, dem früheren Öbag-Chef Thomas Schmid habhaft zu werden. Außerdem sind (ehemalige) Beamte des Finanzministeriums, WKStA-Oberstaatsanwalt Mathias Purkart und der frühere Kurz-Berater Gerald Fleischmann geladen. (Fabian Schmid, Renate Graber, 3.5.2022)