Hilaire war bis vor kurzem noch künstlerischer Direktor des Stanislawski-Balletts in Moskau. Drei Tage nach der Invasion Russlands in die Ukraine kündigte er jedoch.

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Es ist eine schicksalhafte Personalie: Laurent Hilaire wird neuer Direktor des Bayerischen Staatsballetts. Bis vor kurzem war der Franzose noch in Moskau künstlerischer Direktor des Stanislawski-Balletts, kündigte aber kurz nach Beginn des russischen Überfalls auf die Ukraine. Als er Russland verließ, ahnte er nicht, dass in München bald ein Posten für ihn frei werden würde, den wiederum noch bis Anfang April der Russe Igor Zelensky innehatte.

Folgen eines Krieges, der auch in der neuen Spielzeit der Bayerischen Staatsoper Spuren hinterlässt, die Intendant Serge Dorny unter das Motto "Gesänge von Krieg und Liebe" stellt. Über den Abschied Zelenskys wurde viel gemutmaßt. Anders als der Münchner Generalmusikdirektor Vladimir Jurowski, ebenfalls Russe, hatte sich Zelensky nicht öffentlich vom russischen Präsidenten Wladimir Putin und dem Krieg in der Ukraine distanziert. Nach Angaben des Staatsballetts hatte er sich nur intern gegen Krieg generell ausgesprochen.

24 Stunden nach der Invasion

Anders Hilaire, der seit 2017 in Moskau war. Nach Kriegsbeginn sei es ihm unmöglich gewesen, weiter in Russland zu bleiben, sagte der 59-Jährige der Deutschen Presse-Agentur. Die politische Situation hätte sich nicht mit seinen Werten und seinem Konzept von Demokratie und Freiheit vertragen. "24 Stunden nach dem Start der Invasion habe ich entschieden, zu gehen."

Moskaus Verlust ist Münchens Gewinn. Hilaire stehe für klassisches, traditionelles Ballett ebenso wie für Zeitgenössisches, sagte Kunstminister Markus Blume (CSU) am Donnerstag. Nach der Ausbildung an der Pariser Oper, wo er später Ballettmeister wurde, tanzte Hilaire Hauptrollen etwa in "Schwanensee" oder "Dornröschen". Als Solist gastierte er unter anderem in Mailand, London oder Berlin. Einer seiner Förderer war der berühmte russische Tänzer Rudolf Nurejew.

Tolstoi kommt 2023 auf die Bühne

Auf das Programm der Spielzeit 2022/23 hatte der 59-Jährige noch keinen Einfluss. Das Staatsballett ist unter anderem mit der Uraufführung "Tschaikowski-Ouvertüren" am Start. Das Staatsorchester feiert sein 500-jähriges Bestehen. Und die Oper zeigt zehn Neuinszenierungen, etwa von "Così fan Tutte" oder "Lohengrin".

Am 5. März 2023 kommt Sergej Prokofjews Vertonung von Lew N. Tolstois Roman "Krieg und Frieden" auf die Bühne. Bei der Planung habe man nicht gewusst, wie aktuell dies sein würde, sagte Generalmusikdirektor Jurowski. "In Russland hätten wir es wohl umbenennen müssen in "Spezialoperation und Frieden"."

Der Dirigent trat dafür ein, russische Künstlerinnen und Künstler weiter auftreten zu lassen, solange sie das russische Regime nicht offen unterstützten. Auch russische Werke gehörten ins Repertoire wie Alexander Puschkin oder Pjotr Iljitsch Tschaikowsky. "Sie wären heute auch ins Gefängnis oder ins Exil gegangen", ist sich Jurowski sicher. (APA, 5.5.2022)