Im Gastblog betrachtet der Geologe Thomas Hofmann den Beginn wissenschaftlicher Laufbahnen exzellenter Wissenschafter.

Die Definition junger, erfolgreicher Forscherinnen und Forscher, der Early Career Scientists (ECS), ist vielfältig. Die in den Geowissenschaften führende EGU (European Geosciences Union) mit rund 18.000 Mitgliedern, die auch 19 Open-Access-Zeitschriften herausgibt, hat eine breite Palette von Ehrungen, darunter den Outstanding Early Career Scientist Award. Die Zielgruppe der Early Career Scientists ist breit definiert. Sie reicht von Studierenden bis zu Personen, deren höchster Abschluss (Bachelor, Master, Doktorat) nicht älter als sieben Jahre ist. Damit ist klar: Es geht nicht a priori um akademische Titel, sondern um Spitzenleistung. Ähnlich ist es auch bei der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW), Grundlage für die Mitgliedschaft bei der Jungen Akademie ist die "Zuerkennung wichtiger Forschungsförderpreise oder Stipendien". Auch im 19. Jahrhundert standen Taten und Leistungen an erster Stelle. Viele Karrieren starteten früh, manche Wissenschafterinnen und Wissenschafter waren in ihren 20ern. Vielfach waren und sind frühe Spitzenleistungen prägend für die weitere Karriere.

Darwin, Hochstetter, Grunert: "Maritime" Karrieren junger Shootingstars

Den 22. Geburtstag feierte Charles Robert Darwin (1809–1882) im Atlantik. Er war am 27. Dezember 1831 mit der HMS Beagle von Plymouth, im Südwesten Englands, in See gestochen. Zweck der Mission waren Vermessungsarbeiten an den Küsten Südamerikas, dafür waren zwei Jahre anberaumt. Doch es sollte anders kommen, denn auch noch seinen 27. Geburtstag feierte er fern der Heimat. "Am 2. October (1836) erreichten wir die Küste von England, und in Falmouth verließ ich die 'Beagle', nachdem ich beinahe fünf Jahre an Bord des guten kleinen Schiffes gelebt hatte." Seine Eindrücke, Beobachtungen und peniblen Beschreibungen hielt er in "The Voyage of the Beagle" fest, das 1875 in deutscher Übersetzung ("Reise eines Naturforschers um die Welt") erschien. Darwin hatte nicht nur Neuland auf der Südhalbkugel der Erde betreten, er hatte auch alle menschlichen Höhen und Tiefen, Seekrankheit inklusive – "Ich spreche aus Erfahrung: es ist kein leicht zu behandelndes, in einer Woche beseitigtes Uebel" –, erlebt. Sein Resümee war positiv: "Zum Schluss scheint mir es, als wenn nichts einen jungen Naturforscher mehr fördern könne als eine Reise in ferne Länder."

Aus Darwins Feder: klassische Darstellung der Entstehung von Atollen.
Foto: GBA

Wird heute Darwin vor allem als Pionier der Evolutionsforschung gefeiert, füllten auf der Beagle vor allem geologische Einträge seine Tagebücher. Ganz unter dem Einfluss von Charles Lyell (1897–1875), Großmeister der englischen Geologie, der in den Jahren 1830 bis 1833 sein dreibändiges Opus "Principles of Geology" veröffentlicht hatte, das heute noch als Meilenstein gilt, studierte er die Formen der unbelebten Natur. Freilich betätigte er sich auf der Reise auch als zoologischer Sammler und brachte eine reiche Ausbeute, Fossilien inklusive, nach Hause.

Legendär sind seine Beobachtungen über die Schildkröten und Vögel der Galapogosinseln, weniger bekannt seine Theorien über die Entstehung von Atollen und Riffen ("The Structure and Distribution of Coral Reefs"), 1876 in deutscher Übersetzung. Die entsprechenden Skizzen hielten sich in mehr als 100 Jahre in den Schulbüchern. Doch Darwin ging nicht als Geologe, sondern – dank seiner Werke "Über die Entstehung der Arten" (1859) und "Die Abstammung des Menschen" (1871) – als Naturforscher, der das damals verbreitete Weltbild revolutionierte, in die Geschichtsbücher ein.

Drei Mann auf hoher See: Charles Darwin, Ferdinand v. Hochstetter und Patrick Grunert.
Foto: Gemeinfrei / GBA

Kaum älter war Ferdinand v. Hochstetter (1829–1884), seines Zeichens Geologe mit deutschen Wurzeln, der in Wien Karriere machen sollte. Sprungbrett war die Weltumsegelung der Fregatte Novara, die er an seinem 28. Geburtstag in Triest betrat. Am 22. Dezember 1858 ging er in Neuseeland von Bord, um im Laufe des nächsten Jahres zusammen mit Julius v. Haast die Geologie der Insel gründlich zu erforschen. Am 2. Oktober 1859 trat er seinen Heimweg an. Während seiner Reise betätigte er sich als Chronist. Er schickte von allen Häfen Briefe nach Wien. Bis diese in der "Wiener Zeitung" veröffentlicht wurden, vergingen oft mehrere Monate, von Nachrichten in Echtzeit keine Spur, vielmehr snail mail (dt. Schneckenpost).

Nach seiner Rückkehr wurde er in Wien zum Professor für Geologie und Mineralogie an das k. k. polytechnische Institut, die heutige TU Wien, berufen, wo er von 1874 bis 1875 Rektor war, ehe er ein Jahr später zum Intendanten des damals in Bau befindlichen Naturhistorischen Museums ernannt wurde.

Auch das 21. Jahrhundert kennt wissenschaftliche Karrieren, die auf hoher See begannen. Am 16. November 2011 ging Patrick Grunert (damals Uni Graz), er war eben erst mit seiner Dissertation fertig geworden, an Bord der JOIDES Resolution, eines wissenschaftlichen Bohrschiffs. Der 28-jährige Grunert gehörte zu den jüngsten Wissenschaftern auf dem Schiff, das im Rahmen des Internationalen Ozeanbohrprogramms (IODP) ausfuhr. Bis 16. Jänner war er bei der Expedition 339, Mediterranean Outflow, zwischen Azoren und Portugal im Atlantik unterwegs, um fossile Foraminiferen (= Einzeller) zu untersuchen. 2015 bekam er den Outstanding Young Scientist Award der EGU. Zwei Jahre später erhielt er eine Professur für Mikropaläontologie und Paläoökologie an der Universität Köln.

Wer meint, große Seereisen wären nur etwas für Young Scientists, wird durch Georg Frauenfeld (1807–1873) eines Besseren belehrt. Der Wiener Zoologe ging als 50-jähriger Senior Scientist, um in der heutigen Diktion zu bleiben, an Bord der Novara.

Der Alpenverein, ein erfolgreiches Start-up dreier Visionäre

Am 3. Juli 1862 war im "Amtlichen Teil" der "Wiener Zeitung" zu lesen, dass das Staatsministerium im Einvernehmen mit dem Polizeiministerium die "angesuchte Bewilligung zur Gründung des Alpenvereins ertheilt" hat. Unter den Männern, die angesucht hatten, befand sich der damals 23-jährige Edmund v. Mojsisovics (1839–1907), ein studierter Jurist, der in Tirol seine Liebe zu den Bergen entdeckt hatte. Damit war der zweite Bildungsweg von Mojsisovics vorgegeben: Er entschied sich, bei Eduard Suess an der Uni Wien Geologie zu studieren. Letzterer erinnert sich an das Wintersemester 1861/62: "Nun wollten zwei junge Freunde […] mit ihm selbst einen Verein gründen." Die zwei waren der 24-jährige bergerfahrene Paul Grohmann (1838–1908) und der 20-jährige Jurist Guido v. Sommaruga (1842–1895). Die konstituierende Sitzung des Alpenvereins fand am 19. November 1862 im Grünen Saal der Akademie der Wissenschaften statt. Mit dabei waren auch "mehrere Damen"; zum damaligen Zeitpunkt zählte man 630 Mitglieder, heute vereint der Österreichische Alpenverein (ÖAV) über 600.000 Mitglieder, davon sind 45 Prozent Frauen.

Die drei jungen Alpenvereinsgründer: Edmund v. Mojsisovics, Paul Grohmann und Guido v. Sommaruga.
Foto: GBA / ÖAV-Archiv
Einladungsschreiben für Carl Sonklar von Mojsisovics zum Alpenvereinstreffen am 31. März 1862 im Matschakerhof (Wien, Spiegelgasse 5, Seilergasse 6).
Foto: ÖAV-Archiv

Suess agierte zusammen mit dem Botaniker Eduard Fenzl, dem Geografen Friedrich Simony und Anton v. Ruthner (Bergsteiger und Alpinschriftsteller) im Hintergrund als Mentor. Suess dürfte das Start-up gerne unterstützt haben, wollte er doch selber eine "alpine geologische Gesellschaft" gründen. Sein Konzept hatte er im September 1856 bei der 32. Versammlung Deutscher Naturforscher und Ärzte in Wien präsentiert. Freilich war die Veranstaltung zu groß, und der Gedanke einer internationalen Vereinigung schien damals suspekt, somit wurde aus der Idee des damals 25-jährigen Suess nichts. Die spätere Beschränkung auf die österreichischen Alpen und der breite Ansatz des Vereinszwecks von 1862, "die Kenntnis von den Alpen zu verbreiten, die Liebe zu ihnen fördern und ihre Bereisung zu erleichtern", überzeugten schließlich. Mojsisovics schuf später als Alpengeologe wichtige Grundlagen, die heute noch Gültigkeit haben, und war Vizedirektor (1892–1900) der k. k. geologischen Reichsanstalt.

Der junge Geologe Eduard Suess als Begründer der Stadtgeologie.
Foto: GBA

Die Geologie von Wien als Karriere Kick off von Suess

"Am 18. März (1863) lud mich der Bürgermeister Zelinka ein, an den Sitzungen der städtischen Wasserversorgungskommission teilzunehmen", blickt Eduard Suess in seinen "Erinnerungen" zurück. Ein Jahr zuvor war sein "kleines Buch" über die Geologie von Wien erschienen. Der Titel im vollem Wortlaut des damals 31-jährigen Autors ist sperrig: "Der Boden der Stadt Wien nach seiner Bildungsweise, Beschaffenheit und seinen Beziehungen zum bürgerlichen Leben: Eine geologische Studie", doch er zeigt unmissverständlich die Abhängigkeit der Bewohner vom Untergrund. Folgender Satz bringt es auf den Punkt: "Es war die Dränage der Leichenhöfe, die nach einem kurzen Laufe der Bevölkerung dieser Stadtteile [Margareten] als Trinkwasser geboten wurde." Bekannt ist sein erfolgreicher Einsatz für den Bau der Hochquellenwasserleitung, die im Oktober 1873 eröffnet worden war. Der junge Suess war, ehe er im Herbst 1862 seine Stelle als Professor für Geologie an der Uni Wien antrat, mit diesem Buch zum Begründer der Stadtgeologie, Urban Geology in der internationalen Diktion, geworden. Das Buch war auch Türöffner seiner politischen Karriere, die 1863 im Wiener Gemeinderat begann und ihn dann in den Reichsrat führte.

Die geologische Karte von Wien von Eduard Suess aus dem Jahr 1862 war über Generationen unübertroffen.
Foto: GBA

Es sollte mehr als 100 Jahre dauern, ehe Heinrich Küpper 1968 erneut eine Geologie von Wien vorlegte. Die geologische Karte des Stadtzentrums von Suess nannte Küpper "bis heute unübertroffenen". Mehr als 50 Jahre später wäre indes doch einiges hinzuzufügen. Der Bau der Wiener U-Bahn brachte viele neue Erkenntnissen, dazu kommen mehr als 55.000 Bohrungen des Baugrundkatasters der MA 29. (Thomas Hofmann, 6.5.2022)