Vermag Klarheit und Intensität zu versöhnen: Herbert Blomstedt.

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Das Ende dieses Werkes von John Cage wird keiner von uns erleben. Dank der Übertragung im und rund um den Musikverein war man am Samstag immerhin aber Zeuge der seit Jahren laufenden Anfangssequenz von Organ²/aslsp. Das Orgelstück des US-Komponisten läuft seit 2001 in der Sankt-Burchardi-Kirche in Halberstadt und darf erst nach 639 Jahren enden. Cage (1912–1992) wollte mit dieser unbescheidenen Ausdehnung des flächig anmutenden Stücks seiner Hoffnung Ausdruck verleihen, dass die Welt doch noch eine Weile existieren könnte.

Die aus der Sankt-Burchardi-Kirche übertragenen langen Töne (per Video sah man auch das fürs Stück gebaute Instrument) fand zu Beginn des Festivals A statt: Der minimalistische Titel bezieht sich auf eine zum Musikverein gehörende Sammlung von Stimmgabeln, die auf den Stimmton A verweisen. Der Buchstabe konnte angesichts des Eröffnungsprogramms im Goldenen Saal allerdings auch für "Amen" stehen.

In der Hand des Geistlichen

Strawinskys Psalmen-Symphonie für Chor und Orchester endet schließlich nicht nur wie ein Wiegenlied für den Herrn. Das Stück, welches von den Philharmonikern sich fortwälzende Klangmassen ebenso fordert wie intime, an Holzbläser delegierte Fugenpassagen, ist insgesamt in der Hand geistlicher Texte.

Und auch Mendelssohn-Bartholdys Lobgesang-Symphonie organisierte Herbert Blomstedt, 94-jähriger Nestor unter den großen Dirigenten, als strahlende Würdigung des – nach christlicher Auffassung – Allmächtigen. In der instrumentalen Sinfonia des Stücks erstrahlt das Hoffnungslicht in Form eines charaktervollen Orchesterklangs. Selbiger hatte alles, um das Leichte der Linien wie auch das Schwärmerische und Drängende prunkvoll erscheinen zu lassen. da war diese besonderer Hitze im Ausdruck.

Klar, dass in jenen Momenten, als der formidable Singverein mit dem Orchester zur jubelnden Masse verschmolz, ein gar dröhnender Effekt nicht zu vermeiden war. Wo möglich, wurde das Zarte und Festliche jedoch kultiviert erweckt – auch von den profunden Sopranen (Jeanine de Bique, Simona Šaturová) und dem edlen Tenor (Tilman Lichdi).

Wer noch Kapazitäten hatte, erfreute sich beim Rausgehen an der Musikkapelle Zellerndorf. Sie sorgte vor dem Musikverein für jenen Nachklang, der das Cage-Stück abgelöst hatte.

(Ljubiša Tošic, 9.5.2022)