Orientiert sich auch beim Abgang noch am längst abgetretenen Kanzler Kurz: Ex-Landwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger.

Foto: Christian Fischer

Was von Elisabeth Köstinger im Gedächtnis vieler Politkonsumenten bleiben wird, stammt von einem Mann. "Elli, es ist vorbei", klärte Ex-Neos-Chef Matthias Strolz die nach Sebastian Kurz' Rücktritt als Kanzler von Abschiedsschmerz geplagte Ministerin vor laufenden ORF-Kameras auf. So treffend die Analyse ausfiel, so boshaft klang der Tonfall. Ob bewusst oder unbewusst: Strolz transportierte das Bild der naiven Gefolgsfrau, die ihrem Helden bis hin zur Realitätsverweigerung nachheult.

Die Episode erzählt viel über die Karriere der am Montag zurückgetretenen ÖVP-Politikerin. Auf der einen Seite sah sich Köstinger allein dafür, wie sie aussah und sprach, in den sozialen Medien Untergriffen und Beleidigungen ausgesetzt, wie sie männliche Kollegen in diesem Ausmaß wohl kaum ertragen müssen. In einem ihrer stärkeren Momente hat sie öffentlich thematisiert, welchen Hass ihre Gewichtszunahme in der Schwangerschaft ausgelöst hat.

Auf der anderen Seite tat die nunmehr 43-Jährige aber viel dafür, um einschlägige Vorurteile zu nähren. Wer den Herren an der Spitze noch als Ministerin in Postings überhöht ("Danke, Sebastian Kurz, was du für unser Land und die Menschen in dieser schwierigen Zeit leistest"), braucht sich über das Image der Befehlsempfängerin nicht wundern.

Ein befremdliches Bild

Bis zuletzt war ihr das befremdliche Bild, das sie abgab, offenbar nicht bewusst. Selbst beim Abschied erzählte Köstinger unumwunden: Sobald Kurz gehen musste, wollte auch sie weg. Sollte eine Ministerin nicht, wie es im Gelöbnis heißt, dem Volk dienen? Dieser Anspruch spielte maximal für den Zeitpunkt, nicht aber für die Entscheidung an sich eine Rolle.

Dabei geht es keinesfalls um eine nebensächliche Stilfrage. Politikerinnen und Politiker verändern die Gesellschaft nicht nur, indem sie Gesetze und Verordnungen beschließen. Viel bewegen können auch die Signale, die Regierungsmitglieder mit ihrem Auftreten aussenden. Für ein modernes Frauenbild, gerade in konservativen Wählerschichten, ist es ein unschätzbarer Dienst, wenn sich Ministerinnen als selbstbewusste, eigenständige Persönlichkeiten präsentieren – und nicht bloß als Aufputz männlicher Anführer. Diese Chance hat Köstinger vertan.

Pannen, aber wenig Profil

Damit steht sie nicht allein da. Von Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck, die Köstinger in einer Kettenreaktion folgte, über Ex-Arbeitsministerin Christine Aschbacher bis zu Frauen- und Integrationsministerin Susanne Raab: Keine dieser Kurz-Rekrutierungen fiel – von manch peinlicher Panne abgesehen – durch rasend viel Profil auf.

Damit kein Missverständnis aufkommt: Um ein reines Frauenphänomen handelt es sich mitnichten. Auch Außenminister Alexander Schallenberg gebärdete sich in seiner Zeit als Kurzzeitkanzler ausgiebig als Marionettenpolitiker.

Viel über die Loyalitäten im türkisen Lager sagt auch das Timing aus: Offenbar kam Köstingers Rücktritt für die ÖVP überraschend, denn sonst stünde bereits eine Nachfolgerin parat. So knapp vor dem Parteitag am Samstag sind diese Turbulenzen für Parteichef Karl Nehammer unangenehm, langfristig könnte er aber profitieren. Der Kanzler hat Gelegenheit, das Vermächtnis der Kurz'schen Personalpolitik loszuwerden. Zu bewahren gilt es dieses nicht. Nehammer braucht starke Persönlichkeiten an seiner Seite. Denn für eine One-Man-Show ist seine eigene Marke zu schwach. (Gerald John, 9.5.2022)