Die Aktion der vier Youtuber führte zu einer Durchsuchung eines großen Callcenters. Drei weitere stellten ihren Betrieb vorübergehend ein.

Foto: Youtube/Mark Rober

Wer unerwartet einen Anruf vom "Microsoft-Support" bekommt, in dem er vor einer Vireninfektion seines Computers gewarnt wird, sollte besser auflegen. Gleiches gilt, wenn man so über angebliche Amazon-Bestellungen informiert wird, die man nicht bezahlt hat. Am anderen Ende der Leitung sitzen Scammer, die versuchen, ihre Opfer zum Überweisen von Geld zu bewegen oder Zugriff auf ihren PC zu erhalten, um ihn zu sperren und sich die Freigabe bezahlen zu lassen.

Diese und ähnliche Betrugsmaschen halten sich schon lange, und insbesondere in den USA werden sie in hoher Frequenz betrieben. Dahinter stecken große Callcenter, die sich häufig in Indien befinden. Sie haben teilweise über tausend Mitarbeiter und spezialisieren sich mittlerweile darauf, ältere Menschen in westlichen Ländern um ihr Erspartes zu bringen. Vier Youtuber haben nun gezeigt, dass man diese Situation nicht nur stillschweigend hinnehmen muss. In einer eineinhalb Jahre lang vorbereiteten Aktion hat das amerikanisch-britische Team gleich vier dieser Callcenter infiltriert, mit Streichen heimgesucht und zumindest temporär lahmgelegt.

Das Video von Mark Rober.
Mark Rober

Bekanntes Quartett

Der prominenteste Vertreter des Quartetts ist wohl Mark Rober. Der Youtuber ist bekannt für seine spektakulären Bastelprojekte – insbesondere seine regelmäßige Rache an Paketdieben mit hochgerüsteten "Glitzerbomben". Mit im Team sind auch Ashton Bingham und Art Kulik, die als "Art & Ashton" den Channel Trilogy Media betreiben und sich der Bekämpfung von Scammern verschrieben haben. Der Brite Jim Browning komplettiert die Truppe, er beschäftigt sich damit, den Spieß umzudrehen und sich Zugriff auf die Computersysteme der Callcenter zu verschaffen.

Man identifizierte vier Callcenter, drei davon in der Metropole Kolkata gelegen. Oftmals verfügen die Betreiberfirmen über Webseiten inklusive Auflistung des Führungspersonals. Denn ein kleiner Teil ihrer Belegschaft leistet legale Callcenter-Arbeit. Diese Teams werden auch präsentiert, falls Behördenvertreter vorstellig werden. Die Betrugsanrufe finden hinter verschlossenen Türen statt.

Die Operateure rekrutierten zehn private Ermittler, die sich von den Callcentern anstellen ließen, um eine Übersicht über die Lage zu bekommen, Beweise zu sammeln und bei der Unterwanderung zu helfen. So erfuhr man etwa, welche Sicherheitsmaßnahmen vor Ort gelten, oder auch, welche Gegenstände Mitarbeiter ins Büro mitnehmen dürfen. So eine Einschleusung ist für die Beteiligten durchaus riskant, da ihnen bei einer Enttarnung körperliche Angriffe drohen.

Jim Brownings Dokumentation der Operation.
Jim Browning

Farbseife, Gestank und Kakerlaken

Schließlich reisten auch die Youtuber selbst nach Indien, um das "Finale" ihrer Operation vor Ort zu koordinieren. Allerdings waren "Art & Ashton" bei einem Ausflug in Kolkata erkannt worden, was zu erhöhter Vorsicht unter den Callcenter-Betreibern führte, die sich gegenseitig warnten. Dennoch gelang es, in einem der Betriebe eine Reihe von Streichen durchzuführen.

So wurde eine mit penetranter Farbe versetzte Seife und eine Fake-Viagra-Packung mit dem Namen des Firmenchefs auf den Toiletten deponiert. Über eine präparierte Wasserflasche setzte man beißenden Gestank frei. Und ein kleiner Zerstäuber in einem Motorradhelm sorgte für Rauchschwaden. Zudem setzte man zahlreiche Kakerlaken und Ratten im Office frei. Die Glitzerbombe wurde als Paket zugestellt, von den alarmierten Angestellten allerdings außerhalb der Büroräume geöffnet.

Der Bericht von "Art & Ashton".
Trilogy Media

Kolkatas Polizei bleibt untätig

Die Aktion rief Panik unter den Betreibern hervor, die aus Sicherheitsgründen ihren Betrieb für mehrere Tage unterbrachen, wobei ihnen Einnahmen in Millionenhöhe entgangen sein dürften. Eines der Callcenter wurde mittlerweile von der Polizei durchsucht und stillgelegt. In den USA sind die Behörden zudem auf Basis der von den Youtubern gesammelten Beweise gegen die lokalen Hintermänner hinter den Scams vorgegangen.

Drei der Callcenter, jene in Kolkata, sind aber wieder in Betrieb. Zurückzuführen ist das auf mangelnden Kooperationswillen der Polizei. Mark Rober geht davon aus, dass Teile der Führungsriege der Sicherheitsbehörde am Callcenter-Betrug mitverdienen und die Betreiber daher decken. Die Aktivisten bieten interessierten Ermittlern nun ein "Beweispaket" an und rufen dazu auf, öffentlich Druck auszuüben, um Licht auf den Telefonbetrug und die vermutete Korruption in den Sicherheitsbehörden zu werfen. (gpi, 10.5.2022)