Frisch angelobt: Florian Tursky (links), Susanne Kraus-Winkler und Martin Kocher.

Foto: APA / ROLAND SCHLAGER

Der angelobte Arbeits- und Wirtschaftsminister Martin Kocher (ÖVP) mit Bundespräsident Alexander Van der Bellen.

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Bundespräsident Alexander Van der Bellen ist im Angeloben mittlerweile äußerst geübt. Diesmal wich die Zeremonie in der Hofburg aber notgedrungen vom vorbereiteten Protokoll ab. Der designierte Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig konnte noch nicht angelobt werden, weil er laut Präsidentschaftskanzlei einen positiven Corona-Test abgegeben hat. Der einzige neue Minister war beim Zeremoniell also nicht dabei. Damit bleibt Elisabeth Köstinger nach ihrem Rücktritt formell noch einige wenige Tage Landwirtschaftsministerin.

Der positive Corona-Test Totschnigs sorgte auch dafür, dass sich die geplante Angelobung Mittwochvormittag leicht verzögerte. Van der Bellen widmete sich in seinen einleitenden Worten zunächst dem Ukraine-Krieg und den Auswirkungen. "Die Zeiten sind unruhig, um es milde auszudrücken." Der Ukraine-Krieg habe die dunkelsten Zeiten zurück nach Europa gebracht. Die sozialen Herausforderungen würden wachsen, es gebe komplexe Zusammenhänge in unserer Welt. Durch Inflation oder Teuerung seien wir gemeinsam vom Krieg betroffen. Es gelte, die liberale Demokratie hochzuhalten und diese gemeinsam zu verteidigen – in gesellschaftlicher, aber auch in wirtschaftlicher Hinsicht.

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Dann folgte die eigentliche Angelobung, bei der sich Van der Bellen zunächst an Arbeitsminister Kocher wandte, dem nun auch die Wirtschaftsagenden anvertraut werden. "Ursprünglich waren es zwei, jetzt kann ich mich nur an Sie wenden, Herr Kocher", verwies der Präsident auch auf den designierten Landwirtschaftsminister Totschnig.

Es gelte, die Projekte, die die jeweiligen Vorgänger vorangetrieben haben, nahtlos weiterzuführen. "Die Bevölkerung erwartet sich, dass Sie große Herausforderungen lösen."

Weil Totschnig bei der Angelobung ausfiel, bleibe "vorerst alles beim Alten", sagte Van der Bellen. Köstinger bleibe vorerst noch im Amt und werde noch nicht enthoben. Köstinger und der ebenfalls zurückgetretenen Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck sprach das Staatsoberhaupt "Dank und Anerkennung" aus.

Danach wurden Kocher sowie die neue Tourismus-Staatssekretärin Susanne Kraus-Winkler und Florian Tursky, neuer Staatssekretär für Digitalisierung und Breitband, angelobt. Sie besiegelten diese mit der einfach gesprochenen Formel "Ich gelobe" und der Unterschrift.

Reguläre Arbeitsperiode fünf Jahre

Eigentlich sollte eine Regierungsangelobung ja für fünf Jahre reichen. Erst dann wäre – im Normalfall – die reguläre Arbeitsperiode absolviert, es würde neu gewählt, und die Mitglieder des nächsten Kabinetts müssten in den rot tapezierten Prunkräumen der Hofburg vor dem berühmten Bild, das Maria Theresia darstellt, ihre Gelöbnisformel vor dem Bundespräsidenten sprechen und den ganzen Formalakt mit ihrer Unterschrift besiegeln.

Das amtierende Staatsoberhaupt Alexander Van der Bellen hätte heute schon Wechsel Nummer 13 und 14 des ursprünglich aus 17 Personen bestehenden türkis-grünen Regierungsteams verfassungsjuristisch korrekt administrieren und orchestrieren sollen. Es galt, Elisabeth Köstinger und Margarete Schramböck nachzubesetzen und die Nachfolgenden formell anzugeloben. Weil der designierte Landwirtschaftsminister Totschnig wegen seines positiven Corona-Tests nun doch noch nicht angelobt werden konnte, bleibt es vorerst bei 13 Wechseln.

Im Angeloben hat Van der Bellen mittlerweile viel Übung, das könnte er sicher auch im Halbschlaf: Seit seinem Amtsantritt im Jänner 2017 hatte er allein bis zur großen Rochade am 6. Dezember 2021 insgesamt 58-mal den Amtseid abgenommen – wenngleich da nicht nur Bundesregierungen in der Hofburg aufmarschierten, sondern auch Landeshauptleute, die ebenfalls zum Gelöbnis in die Präsidentschaftskanzlei kommen müssen.

An besagtem Dezembertermin mit den Angelobungen Nummer 59 bis 64 galt es, Karl Nehammer vom Innenminister zum neuen Bundeskanzler und Magnus Brunner vom Staatssekretär zum Finanzminister upzugraden, Gerald Karner wurde Innenminister, Martin Polaschek Bildungsminister und Claudia Plakolm Jugendstaatssekretärin. Formal ein Downgrading war damals die Rückkehr von Alexander Schallenberg aus dem Kanzleramt, wo er kurz der Nachfolger von Sebastian Kurz war, ins Außenamt.

Die bislang letzte Angelobung war erst vor neun Wochen

Die bislang letzte Personalrochade, die Van der Bellen vorgelegt wurde, fand erst vor neun Wochen statt. Johannes Rauch (Grüne) wurde am 8. März zum neuen Gesundheits- und Sozialminister angelobt. Die Grünen wurden bis jetzt wegen zweier Abgänge aus dem Regierungsteam bei ihrem Ex-Parteichef, der nun Bundespräsident ist, vorstellig: Kulturstaatssekretärin Ulrike Lunacek und Gesundheitsminister Rudi Anschober waren jeweils zurückgetreten.

Insgesamt sind nur noch sieben ursprüngliche Regierungsmitglieder der Koalition von ÖVP und Grünen in Amt und Würden. Mit dem Abgang von Landwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger und Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck am Montag waren nun aus dem ÖVP-Team zwei weitere Mitglieder nachzubesetzen. Es sollten aber – plangemäß und vor dem positiven Covid-Test des künftigen Landwirtschaftsministers – vier Personen zur Angelobung kommen: Denn Bundeskanzler und ÖVP-Chef Karl Nehammer nützt die Rücktritte der beiden Kurz-Vertrauten für einen größeren Umbau in der Regierung. Dazu werden die Agenden neu gemischt und verteilt – die Grünen sagen Ja dazu und stimmen beim notwendigen neuen Bundesministeriengesetz zu.

Hat Kanzler Nehammer seine Position gestärkt und hält diese Regierung bis zum Ende der Legislaturperiode durch? Es antwortet Politikberater Thomas Hofer.
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Mehr Arbeit für den Arbeitsminister

Arbeitsminister Martin Kocher überträgt Nehammer jetzt auch die Wirtschaft – und er holt sich drei Neue ins Team: Bauernbunddirektor Norbert Totschnig, ein Tiroler, wird Landwirtschaftsminister – aufgrund seines Corona-Tests nun um ein paar Tage verspätet.

Das Wirtschaftsressort wird eingespart, dafür gibt es zwei neue Staatssekretäre: Die bisher von Schramböck wahrgenommenen Digitalisierungskompetenzen sowie die Telekommunikationsagenden von Köstinger wandern ins Finanzministerium. Dort bekommt Minister Brunner dafür einen Staatssekretär für Breitbandausbau und Digitalisierung – Florian Tursky, bisher Büroleiter des Tiroler Landeshauptmanns Günther Platter.

Die Tourismusagenden werden vom Landwirtschafts- in das neue große Arbeits- und Wirtschaftsministerium übertragen. Dort wird dafür als neue Staatssekretärin Susanne Kraus-Winkler, bisher Obfrau des Fachverbands Hotellerie, zuständig sein. Mehr Arbeit bekommt Staatssekretärin Plakolm: Sie wird sich künftig auch um die Zivildienstagenden kümmern.

Im Ö1-"Morgenjournal" sagte Nehammer, dass er seit einiger Zeit gewusst habe, dass Köstinger und Schramböck mit dem Gedanken gespielt hätten, zurückzutreten. Daher habe er sich auf einen größeren Umbau der Regierung vorbereiten können. Kritik daran, dass bei der Nachbesetzung die Bünde der ÖVP und die Bundesländer bedient werden mussten, wies Nehammer erneut zurück. Die ÖVP sei vielfältig: "Ich verweigere mich Schubladendenken." Er verwies auf "Superminister Kocher", der keinen Bünden angehöre.

"Mit den besten Gefühlen" ins Ministeramt

Ihre Vor-Antrittsbesuche beim Bundespräsidenten haben die Neuen im türkisen Regierungsteam bereits am Dienstag absolviert. Der Landwirtschaftsminister in spe, Norbert Totschnig, ließ wissen, dass er "mit den besten Gefühlen" in die neue Aufgabe gehe. Die künftige Staatssekretärin und der künftige Staatssekretär wollten ihre neue Rolle noch nicht kommentieren.

In der Präsidentschaftskanzlei war am Dienstag auch Vizekanzler Werner Kogler zu Besuch. Nach seinem Termin bei Bundespräsident Van der Bellen meinte der Grünen-Chef zur Personalentscheidung seines Gegenübers in der Regierung: Martin Kocher sei ein Experte und ein herausragender Ökonom, mit dem die Zusammenarbeit bis jetzt gut funktioniert habe.

Bei der Ressortzusammenlegung von Wirtschaft und Arbeit geht Kogler davon aus, dass Kocher "sein neues Ressort gewissenhaft und mit der nötigen Sensibilität" führen werde. "Als Grüne werden wir ganz genau darauf achten, dass gerade auch die Interessen der arbeitenden Menschen berücksichtigt werden." (Lisa Nimmervoll, David Krutzler, 11.5.2022)