Das 2011 gegründete Dialogzentrum KAICIID zieht nach Lissabon um.

Foto: APA/HERBERT NEUBAUER

Bislang war das Zentrum im Palais Sturany am Wiener Schottenring untergebracht.

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Zeit, Adieu zu sagen: Das im Volksmund "Abdullah-Zentrum" genannte "King Abdullah bin Abdulaziz International Center for Interreligious and Intercultural Dialogue" (KAICIID) beendet Ende kommender Woche seine Arbeit im Palais Sturany am Wiener Schottenring. Dann kommen die Kisten- und Möbelpacker, und am 1. Juli wird das von Saudi-Arabien finanzierte Dialogzentrum nach seiner unglücklichen Geschichte in Österreich seinen neuen Sitz in Lissabon öffnen.

Die Abwanderung des 2011 gegründeten und 2012 in Wien eröffneten Zentrums ist die Folge eines Beschlusses des österreichischen Nationalrats von 2019, in dem das österreichische Außenministerium aufgefordert wurde, das KAICIID zu schließen: das heißt, das Amtssitzabkommen mit dem Zentrum, das die rechtliche Form einer Internationalen Organisation hat, zu kündigen. Das ist jedoch nicht geschehen. Der Beschluss, dass das KAICIID Österreich verlässt, erfolgte 2021 im Konsens der Mitgliedsstaaten Saudi-Arabien, Österreich und Spanien. Der Vatikan ist Beobachterstaat.

In den Statuten steht, dass mit dem Wegziehen der Organisation das Amtssitzabkommen automatisch erlischt. Österreich bleibt aber KAICIID-Mitgliedsstaat. Neu in der Runde ist das neue Amtssitzland Portugal. Es ist aber offenbar nicht gelungen, den Kreis der Mitgliedsstaaten signifikant zu erweitern. Das war unter anderem eine der Forderungen Österreichs an das Zentrum gewesen, als sich die Beziehungen eintrübten.

Das Palais Sturany

Das Palais Sturany ist in saudischem Besitz. Was damit geschieht, ist noch unbekannt. Es gibt Spekulationen, dass die Botschaft des Königreichs Saudi-Arabien vom 19. Bezirk dort hinziehen könnte. Das Gebäude am Wiener Schottenring war ein beliebter Ort für Demonstrationen meist aus grünem Umfeld, die die Freilassung des saudischen Bloggers und Demokratie-Aktivisten Raif Badawi forderten. Das KAICIID erklärte sich für politisch unzuständig. Badawi wurde nach Verbüßen seiner Haftstrafe im März 2022 entlassen, für ihn gilt jedoch weiterhin ein Ausreiseverbot.

Hatte sich die österreichische Bundesregierung unter Werner Faymann (SPÖ) und Vizekanzler Michael Spindelegger (ÖVP) noch sehr bemüht, das Zentrum nach Wien zu bekommen und Ex-Ministerin Claudia Bandion-Ortner (ÖVP) im Job der KAICIID-Vizegeneralsekretärin untergebracht, so erfolgte bald darauf die Kindesweglegung. Der Sturm gegen das Zentrum brach so richtig im Herbst 2014 los, als Bandion-Ortner in einem völlig unbedarften "Profil"-Interview zugunsten Saudi-Arabiens anführte, dass ja "nicht jeden Freitag geköpft" werde.

Verdächtigungen

Als der Stiftungsgeber, König Abdullah bin Abdulaziz Al Saud, im Jänner 2015 im Sterben lag, war auch schon die politische Stimmung gekippt: Populär war das Zentrum nie gewesen. Es wurde stets verdächtigt, im besseren Fall eine PR-Aktion zur Reinwaschung des saudischen Images zu sein, oder – im schlechteren Fall – verdeckt wahhabitische Propaganda zu betreiben. Als Wahhabismus wird der strenge lokale Salafismus Saudi-Arabiens bezeichnet, das Wort ist vom Namen des salafistischen Ideologen Mohammed Ibn Abdel Wahhab (1703-1792) abgeleitet, mit dem sich die Familie Saud 1740 zusammentat, um ihr Reich aufzubauen.

Im Gegensatz zur Vox Populi waren jedoch etliche Experten und Expertinnen der Ansicht, König Abdullah habe das KAICIID gegründet, um nach innen, also nach Saudi-Arabien, die Botschaft zu senden, dass das Zusammenleben der unterschiedlichen Religionen und Kulturen und damit eine religiöse Öffnung Saudi-Arabiens nötig sei. Ein historisches Treffen mit dem katholischen Papst Benedikt XVI. (Joseph Ratzinger) im Jahr 2007 soll ihn zu dieser Einsicht gebracht haben. Im Zentrum waren nicht nur die sogenannten Buchreligionen (Judentum, Christentum, Islam) vertreten, sondern auch etwa Hinduismus und Buddhismus. Allerdings wurde im Namen des KAICIID Rechnung getragen, dass der Islam sie nicht als Religionen anerkennt, deshalb heißt es nicht nur "interreligiöses", sondern auch "interkulturelles" Zentrum.

Islam in den Hintergrund gedrängt

Die österreichische Politik hat sich um eine Auseinandersetzung mit dieser Thematik nie geschert. Mit dem KAICIID konnte man sich nicht beliebt machen, das reichte. Interessant war, dass sich die unter Bundeskanzler Sebastian Kurz gegründete "Dokumentationsstelle Politischer Islam" ganz auf die Muslimbruderschaft – die man als ideologischen Konkurrenten zum Salafismus bezeichnen kann – konzentriert hat.

Ironisch ist auch, dass der strenge salafistische Islam mittlerweile in Saudi-Arabien ganz offiziell in den Hintergrund gedrängt wird. Was das System aber nicht demokratischer macht: Denn neben den politisch liberalen gilt es jetzt auch noch die zu konservativen islamischen Stimmen zum Schweigen zu bringen. Die mittlerweile zurückgetretene Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck (ÖVP) überraschte Mitte März mit ihren fast enthusiastischen Meldungen zu einer Reise mit einer großen Wirtschaftsdelegation nach Saudi-Arabien.

Die versuchte "Privatisierung" des Islam in Saudi-Arabien ist das Werk von Mohammed bin Salman (MbS), der unter seinem Vater König Salman (seit Ende Jänner 2015 im Amt) im Juni 2017 zum Kronprinzen aufstieg. Der Familienzweig von König Abdullah, dem Namensgeber des KAICIID, ist inzwischen marginalisiert: Um seine Macht abzusichern, hat ja MbS die Nachkommen anderer Könige aus ihren Ämtern verdrängt und teilweise sogar interniert. Die Mittel der Abdullah-Stiftung sind jedoch unangetastet, die Finanzierung des KAICIID dürfte einstweilen gesichert sein. Portugal ist erfreut, es aufzunehmen. (Gudrun Harrer, 14.5.2022)