In Wien wären 22 Fiakerbetriebe mit 280 Pferden vom Verbot betroffen.

Foto: Elmar Gubisch

Dass es im traditionsreichen Fiakergewerbe Reformen braucht, darüber sind sich Bund und Stadt Wien einig. Dann hört es sich mit dem Konsens aber bereits auf. Während der zuständige Minister Johannes Rauch (Grüne) ein generelles Verbot der Pferdekutschenfahrten in Wien und anderen Städten anregt, möchte der verantwortliche Stadtrat Jürgen Czernohorszky (SPÖ) lediglich die Grenze für Pferdehitzeferien von 35 auf 30 Grad senken. Und: Man schiebt sich die Zuständigkeit gegenseitig zu.

Frage: Wie kam es zu der Pattstellung zwischen Bund und Stadt?

Antwort: Wurzel der Differenzen ist ein Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs aus dem Jahr 2017. Darin heißt es, dass Angelegenheiten der Personenbeförderung mit Fahrzeugen, die von Tieren bewegt werden, "in Gesetzgebung und Vollziehung den Ländern zukommen". Für das Ministerium ist die Sache damit klar: Sowohl für ein generelles Verbot als auch die Herabsetzung der Hitzegrenze sei die Stadt zuständig. Im Rathaus kann man einem Kutschenverbot nichts abgewinnen und äußert sich dementsprechend auch nicht dazu, wie dieses geregelt werden könnte. Am Dienstag rückte sogar Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) zur Verteidigung der Fiaker aus. "Ich persönlich würde es sehr bedauern, wenn es keine Fiaker mehr in Wien gibt, die gehören zum Stadtbild", sagte er am Rande einer Pressekonferenz. Sie seien nicht nur für Touristen, sondern auch für viele Wienerinnen und Wiener ein Symbol der Stadt.

In puncto Hitzegrenze konzentriert man sich in Wien lieber auf einen anderen Aspekt des VfGH-Erkenntnisses als der Bund: Demnach ist zwar die 35-Grad-Grenze, die im Wiener Fiakergesetz festgeschrieben ist, ein verhältnismäßiger und zulässiger Eingriff in die Erwerbsfreiheit. Hitzeferien ab 30 Grad würden diese Verhältnismäßigkeit aber sprengen, sagt eine Stadtratssprecherin. Der VfGH würde eine derartige Vorschrift in einem Landesgesetz aufheben. Deshalb brauche es eine Regelung im Bundestierschutzgesetz, folgert die Sprecherin.

Frage: Haben andere österreichische Städte die Hitzegrenze nicht schon auf weniger als 35 Grad herabgesetzt?

Antwort: In Innsbruck fand man im Jahr 2019 die Möglichkeit, den Pferden bereits ab 32 Grad hitzefrei zu geben: Die Stadt erteilte den Fiakern kurzerhand in ihren Genehmigungsbescheiden eine entsprechende Auflage.

In der Stadt Salzburg gab es auf Antrag der Bürgerliste 2020 ähnliche Bestrebungen: Der Gemeinderat beschloss, mit den Fiakerunternehmern über eine 30-Grad-Grenze zu verhandeln. Die Gespräche scheiterten aber am Widerstand der Kutscher, somit blieb die 35-Grad-Regelung. Nun versucht die Bürgerliste erneut, diese zu senken – im Büro von Bürgermeister Harald Preuner (ÖVP) sieht man aber "keine Möglichkeit, die Grenze als Stadt im Alleingang zu kippen".

Frage: Gibt es internationale Beispiele für Fiakerverbote?

Antwort: In Barcelona wurden Pferdekutschenfahrten bereits 2017 aus der Stadt verbannt. In Rom dürfen die Kutschen seit 2020 nur noch in Parks unterwegs sein.

Frage: Wäre eine Beschränkung auf Parks auch ein Kompromiss für Wien?

Antwort: Aus Sicht von Minister Rauch nicht. Wenn überhaupt, komme nur der Prater infrage, die anderen Parks seien zu klein, heißt es aus seinem Büro. Das hätte dann allerdings zur Folge, dass sich die Kutscher mit ihren Pferden dort drängen würden – und das wolle man auch nicht. Eine Alternative gibt es für den Minister aber schon: E-Fiaker, also mit Elektromotoren betriebene Kutschen. Derartige Gefährte hat etwa die Wien-Energie im Jahr 2019 in Betrieb genommen.

Frage: Wie viele Fiakerbetriebe wären von einem Verbot betroffen?

Antwort: Laut der Magistratsabteilung 65 (Rechtliche Verkehrsangelegenheiten) sind derzeit 22 Fiakerunternehmen mit 280 Pferden in Wien aktiv. Im ersten Bezirk müssen die Kutscher beim Magistrat Platzkarten für einen der sechs Stände lösen, an denen sie auf Kunden warten dürfen. Die Stände befinden sich in der Jungferngasse, am Stephansplatz, bei der Albertina, beim Burgtor, am Michaelerplatz und beim Burgtheater.

Frage: Wie reagieren Tierschützer auf Rauchs Vorstoß?

Antwort: Naturgemäß freudig. "Eine gesellschaftliche Debatte über die Zeitmäßigkeit der Fiaker ist wichtig", betonte am Dienstag etwa die Präsidentin von Tierschutz Austria, Madeleine Petrovic, in einer Aussendung. Sie plädierte außerdem für strengere Kontrollen des Fahrverbots an heißen Tagen und überhaupt die generelle Verlegung der Fiakerstrecken fern der Innenstadt.

Frage: Wie geht es jetzt weiter?

Antwort: Im Juni sind Gespräche zwischen Beamten aus Bund und Stadt angesetzt. Dabei sollen die juristischen Auffassungsunterschiede geklärt werden. Die über Rauch verärgerte Sprecherin der Wiener Fiaker, Ursula Chytracek, fordert darüber hinaus einen runden Tisch mit allen Beteiligten. "Jeden Sommer wird auf uns hingepeckt. Und jeden Winter drucken sie uns auf die Postkarten", sagt sie. Chytracek kann weder einem Verbot noch Hitzeferien ab 30 Grad etwas abgewinnen. Bereits Letzteres käme einem Berufsverbot gleich. Die Wiener Wirtschaftskammer will nun selbst aktiv werden: "Wir wollen einen runden Tisch mit den politischen Vertretern und Experten organisieren", kündigte Spartenobmann Davor Sertic an. (Stefanie Rachbauer, 17.5.2022)