Laut Gallup-Untersuchung haben mittlerweile mehr als zwei Drittel der Beschäftigten Symptome eines Burnouts.

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Durch die globale Pandemie hat bei vielen Unternehmen ein Umdenken zur Bedeutung des Wohlbefindens am Arbeitsplatz und der Stärkung der Arbeitnehmerresilienz stattgefunden. Dies ist ein Schritt zugunsten gesunder Änderungen, denn Forschungen haben ergeben, dass im vergangenen Jahrzehnt besorgniserregende Trends negativer Emotionen bei Angestellten aufgetreten sind. Gemäß der Gallup-Studie "State of the Global Workplace: 2021 Report" erreichten 2020 täglicher Stress, Sorgen, Ärger und Traurigkeit unter Angestellten Höchststände. So lagen die Stresswerte bei 43 Prozent im Gegensatz zu den 38 Prozent im Jahr 2019.

Dieser Aufwärtstrend kann auf unterschiedliche Faktoren zurückgeführt werden, und einige davon wurden mit dem Aufkommen von Covid-19 zutage gebracht. Die Schließung von Geschäftsstellen, toxische Verhaltensweisen am Arbeitsplatz und eine generelle Verringerung des Einkommens sind nur einige Beispiele dafür. Wenn wir die Bindung der Angestellten untersuchen, wird das Bild noch ernüchternder. Gallup hat festgestellt, dass sich nur 30 Prozent der Angestellten mit ihren Jobs verbunden fühlen — die übrigen 70 Prozent sind entweder unmotiviert oder aktiv abgelöst von ihrem Unternehmen.

Handeln, nicht warten

Wenn Unternehmen die talentiertesten und am besten ausgebildeten Arbeitskräfte gewinnen und auch halten möchten, müssen sie sich Gedanken um die Auswirkungen dessen auf die Unternehmenskultur machen. Haben sie ein Umfeld geschaffen, in dem sich ihre Angestellten gefördert und geschätzt fühlen? Werden psychische Gesundheit und Wohlbefinden wirklich ernst genommen?

Psychische Gesundheit mag wie ein Modewort klingen, ist aber der Schlüssel zur Bildung eines nachhaltigen Unternehmens. Experten gehen davon aus, dass im Jahr 2030 die Gen Z und Millennials knapp 75 Prozent der globalen Arbeitskräfte ausmachen werden. Für diese jüngere Generation sind Daten zum Wohlbefinden wichtige Aspekte, nach denen sie bei Arbeitgebern suchen, gerade weil viele von ihnen in der Schule und auf der Universität aktiv mit diesem Konzept in Berührung kommen.

Es hängt an Menschen

Die besten Führungskräfte wissen, dass der Unternehmenserfolg von den dort arbeitenden Menschen abhängt und sich das Angestelltenwohlbefinden positiv auf ihre Bilanz auswirken kann. Forschungen belegen, dass zufriedene Arbeitnehmer produktiver und effizienter sind und sich eher mit ihren Jobs identifizieren. Ein gesundes Wohlbefinden wird einen Dominoeffekt in Unternehmen auslösen, weil Mitarbeitende positivere Emotionen und Verbindungen aufbauen und die Arbeitskultur lebendiger, inklusiver und angenehmer wird.

Ein Großteil des Wohlbefindens hängt von der Verarbeitung schwieriger Emotionen ab. Dies ist gerade in unserer schnelllebigen, unter hohem Druck stehenden Geschäftswelt eine besondere Herausforderung. Gemäß dem Gallup-Bericht geben 74 Prozent der Angestellten an, unter Symptomen eines Burnouts zu leiden. Sie bringen weiterhin die Zeit, aber nicht die Energie und Leidenschaft auf, um qualitative Ergebnisse zu erzielen. Arbeitnehmer ohne Burnout-Symptome dagegen fühlen sich sehr wohl und engagieren sich aktiv in ihrer Arbeit. Noch wichtiger ist vielleicht, dass sie in Unternehmen arbeiten, die auf eine auf Stärken basierende Kultur setzen.

Proaktiv handeln

Inwiefern können also Unternehmen ihre Angestellten unterstützen, damit sie sich eingebunden fühlen und ihre psychische Gesundheit und ihr Wohlbefinden verbessern? Die gute Nachricht ist, dass Arbeitnehmern und Vorgesetzten zahlreiche proaktive Ansätze zur Verfügung stehen. Zur Schaffung eines Umfelds, in dem psychologische Sicherheit, Anpassbarkeit und Lernfähigkeit priorisiert werden, müssen Änderungen von oben vorgenommen werden. Angestellte, die größeres Vertrauen in ihre Arbeitgeber haben, sind eher gewillt, ihre Bedenken vorzutragen und bessere Arbeitsmethoden vorzuschlagen, ohne ihre Jobs oder beruflichen Beziehungen gefährdet zu sehen.

Je adaptiver ein Unternehmen ist, desto besser wird es sich auf neue Arbeitsmethoden einstellen. Je mehr Teams hybride Arbeitsmodelle übernehmen, desto schwieriger wird es für Arbeitgeber und direkte Vorgesetzte, das Wohlbefinden effektiv zu messen. Deshalb muss intensiv nach neuen Möglichkeiten für eine solche Einschätzung gesucht werden. So können die Firmen etwa gezielt jene durch hybrides Arbeiten eingesparten Mittel zur Investition in umfangreichere systemische Maßnahmen zugunsten des Angestelltenwohlbefindens lenken. Einbindung ist dabei ein zentraler Punkt.

Sprich es an!

Unternehmensleiter können das Wohlbefinden als Gesprächsthema immer wieder aktiv aufgreifen, um das Bewusstsein über die Auswirkungen von Stress und das Bedürfnis nach einer Perspektive zu stärken. Sie können Schulungen zu emotionaler Intelligenz und Fähigkeiten anbieten, die gesunde Verhaltensmuster, leistungsstarken Support, berufliche Entwicklungschancen und eine florierende Unternehmenskultur fördern.

Emotionale Intelligenz ist für das Verständnis ausschlaggebend, wie unser Gehirn Gefühle verarbeitet und wie sich dies auf die täglichen Entscheidungen im Beruf auswirkt. Zudem hat die effektive Verarbeitung von Emotionen allgemein Einfluss auf unserer Gesundheit, unser Wohlbefinden und unser Resilienzniveau. In Anbetracht dessen bieten Unternehmen wie Apple ihren Angestellten erfolgreich Wellnessprogramme mit Gesundheitserziehung, Fitnesseinrichtungen und präventiven medizinischen Maßnahmen wie Raucherentwöhnungskurse und Ernährungsseminare an.

Hilfe von extern bieten

Unternehmen können zudem Employee Assistance Programs (EAP) einrichten. Hier können die Angestellten im Rahmen offener und vertraulicher Gespräche nach Unterstützung vonseiten ihrer Teamleiter und direkten Vorgesetzten suchen.

Bei Mesa Petroleum hat eine Studie belegt, dass Mitarbeiter, die an dem unternehmensinternen EAP teilgenommen haben, produktiver sind als Mitarbeiter, die nicht daran teilgenommen haben. In kleinerem Umfang können solche Maßnahmen die Einrichtung von Vollzeitstellen für Wohlbefindenbeauftragte und das Bilden neuer, effektiverer Teams umfassen. Sich aktiv mit der Sinnsuche, der Definition des Arbeitssinns zu beschäftigen gehört hier dazu.

Durch sichtbare Arbeit an einer gemeinsamen Kultur, die eine Unterstützung des Wohlbefindens als klares Ziel hat und nachvollziehbar auch tatsächlich Mitteln für diese Zwecke bereitstellt, senden Vorgesetzte ihren Mitarbeitern die klare Botschaft, dass sie wertgeschätzt werden. Eine wirksamere Möglichkeit, für Bindung an und innerhalb der Organisation zu sorgen, gibt es derzeit kaum. (Lisa Bevill, 18.5.2022)