Joe Biden sucht Partner, derzeit erstmals in seiner Amtszeit persönlich in Asien. Die mit fünf Tagen groß angelegte Reise führte den US-Präsidenten zu den demokratischen Verbündeten der USA. Nach drei Tagen in Südkorea steht am Montag Japan am Besuchsprogramm. Am Dienstag will Biden in Tokio im Rahmen eines Gipfeltreffens unter anderem die Regierungschefs von Japan und Indien treffen.

Hätte die Reise vor vier Monaten stattgefunden, wären wohl Nordkoreas Atomprogramm und die bedrohliche chinesische Dominanz in der Region die zentralen Themen gewesen. Nun, wie sollte es anders sein, hat sich die russische Aggression gegen die Ukraine ganz oben auf die Agenda gesetzt. Biden machte in all seinen Wortmeldungen während der vergangenen drei Tage klar, dass er von den asiatischen Demokratien nicht nur einen deutlichen Schulterschluss gegen die in der Region aggressiv auftretende Militärmacht China, sondern auch gegen Russland erwartet. Man stehe schließlich im "Wettbewerb zwischen Demokratien und Autokratien".

Neutrales Indien

Vor allem an Indien ist diese Aufforderung gerichtet. Bisher hält sich die asiatische Atommacht mit Kritik an Russland zurück, verhält sich weitgehend neutral. Das liegt nicht nur an wirtschaftlichen Abhängigkeiten, sondern auch an der Tatsache, dass Indien etwa 60 Prozent seiner Rüstungsimporte aus Russland bezieht. In letzter Zeit nahmen die Spannungen zu den Nachbarn China und Pakistan massiv zu. Eine militärische Schwächung kann sich Indien vor allem jetzt nicht leisten.

Japan und Südkorea hingegen – die beiden Länder hatten ihrerseits zahlreiche Konflikte aufzuarbeiten – ordneten sich von Anfang an in Bidens Allianz ein. Mit dem neuen US-freundlichen südkoreanischen Präsidenten Yoon Suk-yeol, der offenbar derzeit keinerlei Hoffnungen in diplomatische Beziehungen mit Nordkorea hegt, hat Biden viel vor. Beim aktuellen Besuch wurde der Ausbau von Militärübungen und die Wiederbelebung einer gemeinsamen Konsultationsgruppe für Fragen der erweiterten Abschreckung angedacht.

Erster Erfolg

Noch zentraler ist Yoons Bereitschaft, sich an Bidens Wirtschaftsinitiative im Indo-Pazifik (IPEF) zu beteiligen, mit der der US-Präsident Chinas Einfluss in Asien eindämmen will. Diese Provokation Chinas ist für Yoon ein großes Risiko und für Biden schon erster zentraler Erfolg seiner Reise. China schäumt naturgemäß vor Wut, weiß aber auch, dass beispielsweise Japan zwar mitmacht, aber nicht sonderlich begeistert von der neuen Handelsinitiative ist.

Auf der ersten Asienreise Bidens lastet jedenfalls der Albdruck des Ukrainekrieges, der den Demokratien weltweit verstärkt bewusst macht, wie wichtig es ist, wirtschaftlich, militärisch und politisch unabhängiger von Autokratien zu sein. Wenn man dem Ukrainekrieg etwas Positives abringen will, dann das. (Manuela Honsig-Erlenburg, 22.5.2022)