Hat sich Joe Biden wieder einmal verhaspelt? Oder hat er etwas ausgesprochen, was er – bzw. sein Team an Beraterinnen und Beratern – sich vielleicht bloß denkt, aber lieber nicht offen aussprechen sollte? Oder wird er "einfach alt"? Jedenfalls hat der US-Präsident wieder einmal für Verwirrung und Irritation gesorgt, als er jetzt anlässlich seiner Asien-Reise auf Nachfrage feststellte, dass die USA sehr wohl bereit dazu seien, Taiwan gegen den Zugriff Chinas zu verteidigen – nötigenfalls mit militärischer Gewalt.

US-Präsident Joe Biden machte bei seiner Asien-Reise wieder von sich reden.
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Ein Sprecher des Weißen Hauses beeilte sich, dies zu relativieren und zu erklären, dass es keine Abkehr von der bisherigen US-Politik bedeute: "Er (Biden, Anm.) bekräftigte unsere Ein-China-Politik und unser Engagement für Frieden und Stabilität in der Taiwanstraße. Er bekräftigte auch unser Engagement im Rahmen des Taiwan Relations Act, Taiwan mit den militärischen Mitteln zur Selbstverteidigung auszustatten." Also doch "nur" militärische Hilfe im Sinne von Waffen, Logistik, Geheimdienstinformationen – so wie momentan auch in der Ukraine.

Bloß ein Ausrutscher, eine kleine Ungenauigkeit in der erwarteten Antwort mit unerwartetem Inhalt? Es war nicht das erste Mal, dass die Presseabteilung Joe Bidens ausrücken musste, um zu erklären, was der Präsident "eigentlich" meinte. Die Liste der Pannen und Versprecher wird von Woche zu Woche länger, sodass zuletzt immer öfter die Frage zu hören ist, ob Biden senil werde – oder es schon sei.

Das ist aus der Ferne unmöglich seriös zu beurteilen – ebenso wie es problematisch sein kann, den angeblich schlechten Gesundheitszustand des russischen Präsidenten Wladimir Putin oder die Zurechnungsfähigkeit des vormaligen US-Präsidenten Donald Trump zu bewerten. Das obliegt aus guten Gründen nur den jeweils behandelnden Medizinerinnen und Medizinern.

Zur Kenntnis nehmen, sich wundern

Was man schon darf: eigentümliche Vorfälle zur Kenntnis nehmen, sich wundern. Da war etwa Ende März eine Rede zum Ukraine-Krieg, in der Biden mit Blick auf Wladimir Putin deklamierte: "Um Gottes willen, dieser Mann kann nicht Präsident bleiben." Das wurde von manchen als Aufruf zum Regimewechsel in Russland aufgefasst – also nicht als peinlicher Versprecher, sondern als Drohung und Einmischung gegen einen Kriegsaggressor, eine Atommacht.

Daher reichte es auch nicht, Bidens damalige Sprecherin Jen Psaki vor die Kameras zu schicken: Das musste dann schon US-Außenminister Anthony Blinken glattbügeln. Seine Erklärung wirkte damals ebenso hilflos wie unglaubwürdig: "Wie Sie wissen und wie wir vielfach gesagt haben, verfolgen wir nicht die Strategie, einen Regimewechsel in Russland oder, was das angeht, anderswo herbeizuführen (…) Ich denke, der Präsident, das Weiße Haus, hat gestern Abend ganz einfach argumentiert, dass Präsident Putin nicht ermächtigt werden kann, Krieg gegen die Ukraine zu führen."

Und nur Stunden zuvor hatte Biden mehr oder weniger direkt von der möglichen Entsendung von US-Soldaten in die Ukraine gesprochen; wenige Tage zuvor sprach er von den "Herzen und Seelen des iranischen Volkes" – und meinte doch das ukrainische.

Als Senator galt Biden als scharfzüngiger Redner, sehr schlagfertig, sehr eloquent, oft an der Grenze zur Provokation – und manchmal diese überschreitend. Diese Attitüde scheint sich Biden auch als Präsident bewahren zu wollen, doch sein Amt verbietet es ihm. Das will er möglicherweise nicht zur Kenntnis nehmen – dabei sollte gerade er als Experte für US-amerikanische Außenpolitik wissen, wie sensibel die internationale Diplomatie selbst ganz, ganz leise Zwischentöne wahrnimmt und darauf reagiert.

Dass die internationalen Partner, aber auch seine Kontrahenten bisher nicht aufgebrachter auf Bidens "Ausrutscher" reagierten, lässt darauf schließen, dass sie den Mann im Weißen Haus sehr gut kennen und beurteilen können. Und das ist doch einigermaßen beruhigend. Denn letztlich wird Regierungspolitik von einem ganzen Team gemacht. (Gianluca Wallisch, 23.5.2022)