Wer bedeutsamen Bauwerken neues Leben einhauchen will, trägt große Verantwortung. Man stelle sich bloß einmal vor, die Stadt Wien würde sich aus unerfindlichen Gründen für eine Modernisierung des Stephansdoms entscheiden. Die ganze Welt würde den Umbau mit Argusaugen beobachten und jeden Fehltritt in der Planung scharf kritisieren. Eine Herausforderung, vor der kürzlich auch die Entenhausener Stararchitekten Duli, Dalu und Duckelberger standen. Vom Bürgermeister der tierischen Großstadt wurden sie mit dem Umbau des Geldspeichers eines weltberühmten Geizhalses namens Dagobert Duck betraut.

Hübscher, moderner, sicherer und umweltfreundlicher sollte er sein. Kein einfaches Unterfangen, wenn man das historisch schmale Budget des Eigentümers mitbedenkt und dem ikonischen Erscheinungsbild des prominenten Betonbunkers Rechnung tragen möchte. Fast bedrohlich thront dieser auf einem Hügel inmitten der Stadt; die Sicherheit der Goldtaler sieht man ihm bereits aus weiter Ferne an.

Was nach einem Scherz klingen mag, ist ein reales Projekt. Statt zweier Enten und eines Hundes stecken hinter den Bauplänen aber die Wiener Architekturstudenten Julian Fellner, Tim Guckelberger und Philip Kaloumenos. Auftraggeber ist der Egmont-Ehapa-Verlag, der hierzulande für die Lustigen Taschenbücher und Micky-Maus-Hefte verantwortlich ist. Per offizieller Ausschreibung rief dieser Studierende dazu auf, ihre Ideen für die Neugestaltung eines der bekanntesten Gebäude im Disney-Universum einzureichen – ein mit Preisgeld, "Duckifizierung" und Einzug in Entenhausen dotierter Wettbewerb, den die Protagonisten gewinnen sollten.

Die drei Gewinner Tim Guckelberger (links), Julian Fellner und Philip Kaloumenos
Foto: Heribert Corn

Erfolg durch Regelbruch

Mit den Vorschriften nahmen es die drei dabei nicht allzu genau, anfangs sahen sie den Wettbewerb als unterhaltsamen Zeitvertreib. Eigentlich war eine DIN-A4-Seite mit bauphysikalischen Ausführungen, eine weitere zur Beschreibung der darauffolgend angehängten Pläne und Skizzen gefordert. Sonderlich unterhaltsam klang das für sie nicht. Schnell war deshalb klar, dass sie ihre Ideen mithilfe eines Comics vermitteln wollten – passend zum von Enten bewohnten Paralleluniversum.

Im ersten Schritt begannen sie deshalb, die Historie des Geldspeichers zu recherchieren, Charaktere abzuzeichnen und die originalen Illustrationen des berühmten US-Comiczeichners Don Rosa zu studieren. All das, damit der eigene Ansatz möglichst stilgerecht wirkt. In ihrer Geschichte entwirft deshalb der Erfinder Daniel Düsentrieb zum Beispiel Glaspaneele, während für die Sicherheitsprüfung der liebenswert tollpatschige Donald Duck verantwortlich ist. Für den Bau sollen fantasievolle Technologien wie "Hyperisoliergläser" und fleischfressende Pflanzen zur Abwehr der Panzerknacker zum Einsatz kommen.

Je länger sie sich mit der Planung des Gebäudes auseinandersetzten, desto intensiver beschäftigten sie sich auch mit der Materie, nahmen den Entwurf immer ernster. "Auf der einen Seite hatten wir Pläne von bekannten Architekten wie Aldo Rossi, Mies van der Rohe oder Le Corbusier, auf der anderen ein 'Micky Maus'-Heft", erzählt Guckelberger im Gespräch mit dem STANDARD. Obwohl es sich "bloß" um einen Comic handelte, vertieften sie sich in Architekturtheorie und philosophische Schriften und holten sich gleichzeitig Feedback aus dem eigenen Umfeld. Egal ob Schwester, Vater oder Oma: Fast jeder kennt den Geldspeicher aus Kindheitserinnerungen und hat die Geschichten aus Entenhausen selbst gelesen.

Schnell war deshalb klar, dass der Bestand bleiben musste. Statt das Gebäude abzureißen, entschieden sie sich dafür, die berühmte Struktur mit einer thermischen Hülle aus Glas zu ummanteln, deren konkav-konvexe Oberfläche laut Fellner die Sicherheit widerspiegelt. Der neu entstandene Zwischenraum könne sich zudem stark aufheizen, was einerseits für einen Wärmepuffer sorge und es andererseits erlaube, überlebensgroße fleischfressende Pflanzen anzubauen, die jeglichen Eindringling verschlucken.

Auf dem Cover der nächsten Ausgabe des "Micky Maus"-Magazins sind die drei Studenten zu sehen.
Foto: Egmont Ehapa Media GmbH

Es sei befreiend gewesen, sich bei der Planung nicht an jene Normen und Richtlinien halten zu müssen, die sie in der realen Welt in die Schranken weisen, sagt Kaloumenos. Das habe es ermöglicht, die eigenen Ideen viel plakativer darzustellen. "Wir haben versucht einzubringen, was vielleicht noch nicht möglich ist, aber was eine Fassade in Zukunft alles können sollte", erklärt er. Ihr Konzept für den Geldspeicher sei eine Art Utopie, die aufzeige, wohin es gehen könnte.

Es kann nur einen geben

Damit haben sie offensichtlich einen Nerv getroffen. Vor einer Jury aus Mitarbeitenden der "Micky Maus"-Redaktion und zwei Redakteurinnen der Deutschen Bauzeitung konnte sich der Entwurf durchsetzen. Einen vollen Monat dauerte es nach Abgabe, bis die Gewinner von der frohen Kunde erfuhren und ihnen zugleich mitgeteilt wurde, dass sie offiziell in Entenhausen einziehen werden.

Nachdem Disney das Okay geben hatte, mussten die Studenten sowohl Fotos als auch ihre Körpermaße an einen Zeichner schicken, der daraus zwei anthropomorphe Enten und einen Hund zauberte. "Als wir gehört haben, dass uns ein italienischer Zeichner stilgerecht in Entenhausen hineinzeichnet, war das für uns die Kirsche auf der Torte", sagt Kaloumenos. "Wir haben auch gefragt, ob wir eine Einbürgerungsurkunde haben können, aber bisher nichts gekriegt", fügt Fellner hinzu.

Der Einzug neuer Menschen in Entenhausen kommt nicht allzu häufig vor. Zu den Glücklichen zählte bisher etwa die deutsche Hip-Hop-Gruppe Die Fantastischen Vier, lässt Egmont Ehapa wissen. Auch Alexandra Popp, Kapitänin der deutschen Fußballnationalmannschaft, wurde duckifiziert, wie die Verwandlung in eine Ente offiziell bezeichnet wird.

Hier zu sehen ist der Entwurf, mit dem die drei Wiener Studenten den Wettbewerb gewonnen haben.
Foto: Egmont Ehapa Media GmbH

Beflügelte Zukunft

Für die drei ist klar, dass der Geldspeicher ins Portfolio gehört – und im besten Fall für Neugierde und lockere Unterhaltungen während Bewerbungsgesprächen sorgen wird. Immerhin kann sonst fast niemand ein vergleichbares Projekt vorweisen. "Gerade jetzt, wenn man immer günstiger bauen muss, ist es schon ein Aushängeschild, wenn man dies gerade für Dagobert Duck macht", sagt Kaloumenos scherzhaft.

Der Gewinn motiviere sie jedenfalls zur Teilnahme an weiteren Wettbewerben. Alleine die Möglichkeit, an solchen teilzunehmen und sie im besten Fall gar zu gewinnen, sei beflügelnd und stärke das Selbstvertrauen, sagen die Studenten. Es motiviere für weitere Projekte abseits der Universität. Aber nicht nur das, sagt Fellner: "Irgendwann kannst du deinen Kindern erzählen, dass du in Entenhausen wohnst." (Mickey Manakas, 26.5.2022)