Von Brasilien nach Innsbruck war ein weiter Weg. Für Alice do Carmo Precci Lopes (30) lohnte er sich aber. Die Umwelttechnikerin, die ihren Master an der Universidade Federal de Viçosa, einer Stadt 350 Kilometer nördlich von Rio de Janeiro, machte, konnte nicht nur unter "Dissertation" ein Hakerl machen, sondern wurde für ihre Arbeit auch prämiert.

Für die Universität Innsbruck gewann Lopes den Hans-Roth-Umweltpreis mit einer innovativen Forschungsarbeit auf dem Gebiet der Kreislaufwirtschaft. Darin konnte sie zeigen, wie und wie viel Biogas man Siedlungsabfällen entlocken kann. Dabei hat sie ein Problem als Chance entdeckt: Urbaner Restmüll, ihr Untersuchungsgegenstand war jener von Innsbruck und Umgebung, besteht oft zu mehr als einem Drittel aus biogenen Stoffen – von Apfelbutzen und Bananenschalen über Hundstrümmerln und Windeln bis hin zu Küchen- und Gartenabfällen.

Alice do Carmo Precci Lopes konnte zeigen, dass biologische Bestandteile des Restmülls eine Ressource für Biogas sein können.
Foto: Franz Oss

Betreibern von Müllverbrennungsanlagen ist das nassfeuchte und faulige Zeug eher ein Störfaktor, weil es schlecht brennt. Betreiber von Kläranlagen werden aber sogleich hellhörig. Denn sie haben Rückstände aus der Wasserklärung – den Klärschlamm – längst als neue nachhaltige Energiequelle entdeckt.

Beachtliche Ausbeute

Gelingt es nun, den Bioanteil aus urbanem Restmüll effizient auszusortieren, kann er in Faultürmen gemeinsam mit Klärschlamm vor sich hin verwesen und dabei Biomethan freisetzen. "Co-Vergärung nennen das Experten dann", sagt Lopes. Klingt plausibel. Der Teufel steckt aber, wie so oft, im Detail – und in diesem Fall in der Aussortierung. Denn händisch kann Biomüll nicht aus dem Restmüll gefischt werden. Was also tun?

Lopes kam dafür eine Erfindung eines Kollegen zu Hilfe: ein weiterentwickelter "Hydrozyklon". Mit dieser Art "Zentrifuge" kann Biomasse aus Restmüll "rausgeschleudert" werden. Dabei wird Müll zuerst mit Schreddern und Sieben zu einem Granulat von maximal zwölf Millimeter Teilchengröße zerkleinert und mit Wasser verrührt. In der Müllschleuder sondern sich dann Glas, Metalle oder Eierschalen durch ihr unterschiedliches spezifisches Gewicht von der Biomasse ab.

Übrig bleibt ein wässriger Biobrei, der nun gemeinsam mit Klärschlamm vergoren werden kann. Lopes zeigte dabei nicht nur, dass das Verfahren funktioniert, sondern auch, dass die Biogasausbeute beachtlich sein kann. Zwar nicht so groß wie aus reinem Biomüll, sagt Lopes, aber zumindest ein gutes Drittel davon. Mit weiteren Verfahren würde die Biogasausbeute noch steigen.

Dafür sei aber auch weitere Forschung nötig. Für Lopes war das sofort auch Auftrag. Nach Projektabschluss in Innsbruck ist die Umwelttechnikerin – mit Zwischenstopp beim Hans-Roth-Umweltpreis in Wien – bereits an die Technische Universität Darmstadt weitergezogen. Dort arbeitet sie, auch aufbauend auf ihrer prämierten Arbeit in Innsbruck, an ihrer Habilitation. Forschungsfrage: Wie kann die Kreislaufwirtschaft mit Einsatz digitaler Methoden und künstlicher Intelligenz noch effizienter werden? Man darf gespannt sein. (nort, 28.5.2022)