Endlich ist sie da – die erste Sommersaison, die verspricht, so zu werden wie vor der Pandemie. Doch es gibt ein Problem. Es fehlt das Personal. Vor allem in den Hotels, Kneipen und Restaurants wissen viele Unternehmerinnen und Unternehmer nicht, wie sie den Touristenansturm bewältigen sollen.

Insgesamt fehlen im spanischen Hotel- und Gaststättengewerbe rund 90.000 Arbeiter, so die Zahlen der World Travel & Tourism Council (WTTC), ein weltweiter Lobbyverband der Branche. Knapp zehn Prozent der Stellen könnten so diesen Sommer frei bleiben. Besonders betroffen sind die Balearischen Inseln. Mallorca, Menorca, Ibiza sind bei den Touristen beliebt wie eh und je, bei den Arbeitern der Branche nicht. Auf den Inseln stellt das Geschäft mit Strand und Sonne rund 130.000 Arbeitsplätze.

Unattraktive Arbeitszeiten bei kargem Lohn: Wer in Spanien konnte, verließ die Gastronomie nach der Pandemie.
Foto: AFP / Jaime Reina

Der Hotelverband auf Mallorca (FEHM) rechnet mit einer Saison, die besser wird, als die letzte vor der Pandemie, im Jahr 2019. Laut Verbandssprecherin Maria Frontera fänden die meisten Unternehmer Personal, aber "meist neue, unerfahrene Kräfte". Dennoch muss auch sie eingestehen, dass manche Hotels aus Personalnot die Zahl der Kunden und Kundinnen einschränken und Restaurants schließen. Nach dem die Tourismusbranche in Folge der Pandemie völlig zu erliegen kam, führte die Linksregierung ein Kurzarbeitsprogramm für die Branche ein.

Wer konnte, der ging

"Der Aufschwung nach der Pandemie hat dazu geführt, dass sich die Arbeitnehmer umschauen und Jobs aussuchen können", sagt Silvia Montejano, regionale Generalsekretärin des Dienstleistungssektors in der größten spanischen Gewerkschaft CCOO. Wer konnte, ging. Denn in vielen Branchen sind die Arbeitszeiten wesentlich geregelter als im Hotel- und Gaststättengewerbe, die Löhne besser. "Diejenigen Hotels und Gaststätten, die gut bezahlen, freie Tage gewähren, haben wesentlich weniger Personalprobleme", weiß Montejano.

Leider sei es in der Branche üblich, Teilzeitverträge auszustellen und den Rest als Überstunden zu vergelten. Bei Saisonende heißt dies für Arbeiter wesentlich weniger Arbeitslosengeld, als ihnen mit einem Vollzeitvertrag zugestanden hätte.

Wohnungspreise

Die Arbeitslosenquote auf den Inseln liegt bei rund sieben Prozent und ist damit nur halb so hoch wie im restlichen Spanien. Üblicherweise kommen viele Arbeiter in der Hauptsaison vom spanischen Festland und aus dem Ausland. "Jetzt bleiben sie aus", weiß Montejano. "Das liegt nicht zuletzt an den Wohnungspreisen auf den Inseln", ist sie sich sicher. Die meisten Mietwohnungen gehen in den Sommermonaten an Touristen. Wer auf der Insel arbeitet und eine Unterkunft braucht, muss – so die Inselpresse – mit 500 bis 800 Euro für ein Zimmer rechnen. Selbst ein Bett in einem Zimmer mit mehreren Mietern kostet bis zu 300 Euro. Das spanische Fernsehen zeigte Bilder von Arbeitern und Arbeiterinnen, die im Auto übernachten.

Auch in Palma de Mallorca fehlt es an Personal – aber nicht nur dort.
Foto: AFP/Jaime Reina

Die Gewerkschaften auf den Balearen fordern je nach Branche 2,5 bis 3,5 Prozent mehr Lohn. Angesichts der hohen Inflation, unter der Spanien leidet, ist dies eine eher moderate Forderung. Dennoch lehnen die Unternehmerverbände ab. Auch Frontera vom Hotelverband beteuert, dass dies "nicht die Lösung" sei. Denn trotz höherer Löhne würden die "strukturellen Probleme, die verhindern, dass mehr Menschen zum Arbeiten auf die Balearen kommen", bleiben. Sie fordert politische Maßnahmen – ausgehandelt mit allen Akteuren.

Allmählich macht sich Ungeduld breit, und so mancher möchte nicht warten. Vor allem große Hotelketten bieten von sich aus übertarifliche Löhne und sogar Unterkünfte. Andere, wie das Hard Rock Hotel auf Ibiza, versprechen Angestellten eine Prämie, wenn sie einen Freund oder Bekannten davon überzeugen, auch dort zu arbeiten.

Keine Besserung in Sicht

Gewerkschafterin Montejano prophezeit eine Zuspitzung der Lage. "Der Personalmangel betrifft auch andere Branchen wie etwa das Gesundheitssystem oder die Bauwirtschaft", berichtet sie. Selbst die Polizei hat Schwierigkeiten, ihre Reihen zu füllen. Ältere Beamte mit Familie wählen die Inseln nicht für eine Versetzung. Das Innenministerium schickt deshalb frischlizenzierte Akademieabgänger. Diese jungen Beamten können sich nach ihrem ersten Berufsjahr wegversetzen lassen. (Reiner Wandler aus Madrid, 31.5.2022)