Mit dem Jubiläumsprojekt #literaturbewegt gelangt man praktischerweise an Orte der Tiroler Landeshauptstadt, zu denen man sich gar nicht selbst hinbewegen muss – die Macht der Literatur.

Literaturhaus am Inn

Ein Milchautomat im Innsbrucker Stadtteil Allerheiligen war der Inspirationsort für Stefan Abermanns Fabel über das viel gepriesene Immermehr, aus dem plötzlich ein "Wenigergefühl" entsteht. So viel sei dazu verraten: Die Kuh stand auf der Weide, bis das Schwein auf die Idee kam, unter die Immobilienhaie zu gehen.

Über das Jubiläumsprojekt #literaturbewegtgelangt man auch an andere Orte der Stadt, muss sich dafür aber nicht zwingend selbst in Bewegung setzen. Denn das, sagt Anna Rottensteiner, sei ja das Schöne an der Literatur: "Sie ist ortsungebunden, kann die Imagination über jeden Ort von jedem Ort aus aufrufen, abrufen."

Rottensteiner leitet das Literaturhaus am Inn seit 2003, zum 25. Geburtstag der Institution wurden zehn Autorinnen und Autoren eingeladen, sich literarisch mit Innsbrucker Orten auseinanderzusetzen, die für sie eine besondere Bedeutung haben. Die entstandenen Texte – unter anderem von Barbara Hundegger, Christoph W. Bauer, Siljarosa Schletterer, Carolina Schutti oder dem bislang eher als Kabarettist bekannten Markus Koschuh – sind via QR-Codes abrufbar, die man auf Flyern in der ganzen Stadt findet.

Kein Bestsellerprogramm

In den öffentlichen Raum ausgeschwärmt ist das Literaturhaus zeit seines Bestehens immer wieder, in dem Jubiläumsprojekt hat sich auch der pandemiebedingte Trend zum Digitalen niedergeschlagen. Der klassischen Konstellation Tisch, Stuhl, Wasserglas, Autorin, Autor wird freilich auch nicht abgeschworen, der Tiroler Architekt Josef Lackner schuf hierfür 1997 die passenden Räumlichkeiten. Er setzte einem neunstöckigen Hochhaus am Inn einen raffinierten Baukörper auf und nannte ihn Rucksack und Denkerstirn.

Dort eingezogen sind damals das Brenner-Archiv und dessen neu gegründete Zweigstelle, das Literaturhaus am Inn. Die Institution verstand sich von Beginn als Begegnungsort, Informationsstelle und Plattform für die Präsentation und Förderung zeitgenössischer Literatur aus Tirol, aus Österreich, aber auch aus anderen Ländern und Sprachräumen. Rund 650 Literatinnen und Literaten waren im Literaturhaus in den 25 Jahren seines Bestehens zu Gast, darunter viele unbekanntere Stimmen, denn an einem "Bestseller"-Programm war man nie interessiert, so Rottensteiner, die die Förderung und Unterstützung von Autorinnen und Autoren als eine der "wichtigsten Aufgaben" bezeichnet.

Bevor #literaturbewegt am 28. Juni auch im Rahmen einer analogen Lesung im Literaturhaus vorgestellt wird, haben dort auch andere Worte und Orte das Sagen. Heute, Mittwoch, eröffnet das Lyrikfestival W:Orte mit dem italienischen Lyriker Federico Italiano und Raoul Schrott, der Italianos Gedichtband Sieben Arten von Weiß ins Deutsche übersetzt hat. (Ivona Jelcic, 1.6.2022)