Rudolf Anschober (Grüne) war zu Beginn der Corona-Krise omnipräsent. Vor mehr als einem Jahr trat er zurück.

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Es haperte an fast allem. So kann man den aktuellen Bericht des Rechnungshofes (RH) über das erste Pandemiejahr Österreichs sinngemäß zusammenfassen. Da mangelte es in der Abstimmung zwischen Bund und Ländern, zwischen Krisenstäben und De-facto-Krisenstäben, an rechtlichen Rahmenbedingungen sowieso. Und vor allem: Bis heute – über zwei Jahre nach Pandemiebeginn – gebe es diese Probleme weiterhin, so die Einschätzung des Prüforgans.

Kompetenz-Wirrwarr

Heftige Kritik gibt es da etwa am Gesundheitsminister – in dem betrachteten Zeitraum noch Rudolf Anschober von den Grünen. Mittlerweile ist bekanntlich sein Nachnachfolger Johannes Rauch (Grüne) im Amt. Der Gesundheitsminister war und wäre eigentlich für strategische Entscheidungen und das Setzen von Maßnahmen verantwortlich, in der Praxis gelang das aber nicht.

Es sei in der Pandemiebekämpfung, so schreibt der RH, unklar gewesen, wer welche Entscheidungen zu treffen habe, auch zu "Doppelgleisigkeiten" sei es gekommen. Etwa wenn die Länder parallel zum Bund IT-Anwendungen gebaut hätten. Entscheidungen seien durch dieses Kompetenz-Wirrwarr verzögert worden, urteilt der RH, so seien im Endeffekt härtere und längere Maßnahmen notwendig geworden.

Der Gesundheitsminister, so schreibt der RH, habe "seine Rolle aktiv wahrzunehmen und die für das Pandemiemanagement notwendigen Maßnahmen der Gesundheitsbehörden in den Ländern stärker zu leiten, zu steuern und zu koordinieren", er müsse auch eingreifen und entgegensteuern.

Unkoordiniert sei auch das Handeln zwischen den Ressorts des Bundes gewesen. So veröffentlichten das Gesundheitsministerium und der Krisenstab des Innenministeriums – den nennt der RH ein "informelles Koordinationsinstrument ohne Verfahrensregeln" – verschiedene Infektionszahlen. Das tun sie übrigens bis heute. Das habe die Akzeptanz der Maßnahmen und damit die Wirksamkeit des Pandemiemanagements geschwächt.

Gesetze und Aktionspläne veraltet

Als die Pandemie Österreich erreichte, war der nationale Pandemieplan auf dem Stand von 2006. Schon 2019, so hält der RH fest, hätten WHO, Gesundheits- und Verteidigungsministerium festgestellt, dass es Mängel in der Pandemievorsorge gebe und dass damit ein hohes Risiko einhergehe. Geschehen ist allerdings nichts. Der Pandemieplan wurde bis heute nicht aktualisiert. Der RH empfiehlt also, endlich einen neuen Pandemieplan zu entwickeln, damit künftig die Zusammenarbeit der Behörden sichergestellt werden könne.

Noch älter als der Pandemieplan ist das Epidemiegesetz, auf dem zu Beginn alle Corona-Maßnahmen aufbauten und teilweise immer noch aufbauen. Es stammt aus dem Jahr 1913 und war, so schreibt der RH, zu Ausbruch der Pandemie "nicht mehr zeitgemäß". Es wurde zwar mittlerweile mehrmals reformiert, aber dadurch nicht modernisiert – so sieht das zumindest der RH. Das Gesundheitsministerium schrieb in seiner Stellungnahme an das Prüforgan, man sei bei rechtlichen Fragestellungen im Austausch mit dem Verfassungsdienst.

Personalmangel im Ministerium

Als weiteren Problemherd macht der RH die Personalsituation im Gesundheitsministerium aus. Seit 2018 habe es keine Kontinuität in den wesentlichen Schlüsselpositionen der öffentlichen Gesundheit gegeben, heißt es weiter. So sei etwa die seit 2019 vakant gewesene Funktion der Generaldirektion für öffentliche Gesundheit erst Ende 2020 besetzt worden – übrigens mit Katharina Reich, die mittlerweile Vorsitzende mehrerer Corona-Gremien ist. Auch der oberste Sanitätsrat, dessen Funktionsperiode 2019 ausgelaufen sei, sei erst im März 2021 neu bestellt worden.

All das habe gemeinsam mit der schlechten Personalsituation in den Fachabteilungen die Handlungsfähigkeit des Gesundheitsministeriums eingeschränkt, schreibt der RH. Auch wenn der RH im Bericht nur das erste Pandemiejahr untersuchte, fragte er aktuell noch einmal nach, ob sich das mittlerweile verbessert hätte. Die Antwort des Gesundheitsministeriums: Nein, Sonderverträge und Personalleihen seien immer noch unverzichtbar.

Ministerium teils einsichtig

Das Gesundheitsministerium schickte am Freitag, nachdem der Bericht veröffentlicht wurde, eine ausführliche Stellungnahme an den STANDARD: Der RH habe "Schwachstellen" im Krisenmanagement "klar benannt" und sei ein "wertvoller Input". Gleichzeitig betont man, dass man in den vergangenen zwei Jahren "die Strukturen für das Pandemie-Management laufend verbessert" habe, man habe "Prozesse und Strukturen adaptiert", das Epidemiegesetz "kontinuierlich an die aktuellen Erfordernisse angepasst".

Auch Personal habe man aufgestockt. Aber: Das Gesundheitsministerium schreibt weiter, der RH habe aufgezeigt, "dass zwischen 2016 und 2020 im Sozial- und Gesundheitsministerium 265 Stellen eingespart wurden – 17,4 Prozent." Man werde einige Änderungen angehen oder habe die schon auf dem Plan, konkret heißt es: "Eine Straffung der Gremien ist bereits erfolgt, der Varianten-Managementplan wird die Maßnahmen für den Herbst fixieren. Die Bereinigung von Zuständigkeiten im Gesundheitswesen und die weitere Aufstockung des Personalstands stehen auf unserer Agenda."

Auch Kärnten, Niederösterreich und Wien im Fokus

Der RH prüfte auch das Pandemiemanagement der drei Bundesländer Kärnten, Niederösterreich und Wien. In den beiden erstgenannten stammten die Pandemiepläne aus 2006, Wien hatte allerdings im Jänner 2020, kurz vor Pandemiebeginn, seinen Pandemieplan an die WHO-Standards angepasst. Auch in den Ländern sei das Personal knapp gewesen, aber während der Pandemie hätten die immerhin aufgestockt und Epidemieärztinnen und -ärzte eingesetzt, heißt es. (Gabriele Scherndl, 2.6.2022)