Viel besser, man tut sich nichts an und verhält sich wie der Ernst Nevrivy.

Foto: APA / Herbert Pfarrhofer

Der von mir sehr geschätzte und stets lesenswerte Philosoph Robert Pfaller hat ein Buch über die Scham geschrieben und in dem Zusammenhang an eine Geschichte aus dem Jahr 2007 erinnert. Damals geriet Weltbankpräsident Wolfowitz in die Schlagzeilen, weil er sich beim Besuch einer türkischen Moschee der Schuhe entledigen musste und der Welt ein Loch in den Socken präsentierte.

Ein Klassiker, der beweist, dass auch völlig irrelevante Kleinigkeiten schrecklich peinlich sein können, wie Pfaller zu Recht bemerkt. Tatsächlich basiert der Wolfowitz-Fauxpas auf dem Umstand, dass man dem weltabgewandten Teil der Kleidung gelegentlich (oder auch habituell) nicht dieselbe Sorgfalt angedeihen lässt wie jenem, der nach außen hin sichtbar wird.

Der Anzug oder das Kostüm ist tipptopp geschniegelt und gebügelt, aber in den Socken klaffen ordentliche Löcher, oder die Unterhose wird schon länger getragen, als es ziemlich wäre ("Ein Leben lang / die gleiche Unterhose an"; legendärer Mallorca-Mitsing-Hit von Peter Wackel).

Unsaubere Unterwäsche

Dass jemand in seinen Kleidungssitten der Außen-hui-innen-pfui-Philosophie frönt, bleibt meistens unbemerkt, es sei denn, der Jemand wird durch äußere Umstände (Moscheebesuch, Einladung in einen schwedischen Privathaushalt) zur Teilentblößung gezwungen.

Ich weiß von einem Kulturfunktionär, der bei einem Empfang in der japanischen Botschaft in Wien die Schuhe ausziehen musste und mit seinen tagelang getragenen Socken schweren Gorgonzola-Alarm auslöste. Womöglich gab es in der Folge sogar diplomatische Verstimmungen zwischen Wien und Tokio.

Ein weiterer Klassiker sowie ein Gegenstand ständiger kleinbürgerlicher Sorge ist die Gefahr, einen Unfall zu erleiden, zum Besuch einer Ambulanz gezwungen zu sein und bei der Behandlung durch unsaubere Unterwäsche peinlich aufzufallen. Die Sorge ist aber übertrieben, weil die meisten Ärzte schon Schmutzigeres gesehen haben als ein paar Kaffeeflecken auf dem Unterleiberl.

Viel besser, man tut sich nichts an und verhält sich wie der Ernst Nevrivy, der den Kritikern von Stadtstraße und Lobautunnel mit seinem Donaustädter Oasch beherzt ins Gesicht fährt und sie samt und sonders als Heisln traktiert. Nur kaan Genierer, und schon goa ned gegenüber diesen depperten Verkehrsexperten! (Christoph Winder, 6.6.2022)