Die EU leitete ihre Gesetzesinitiative im Jahr 2018 ein, nachdem etwa das Datenleck bei Facebook oder die Informationen aus den Panama Papers bekannt geworden waren – durch Whistleblower.

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Mit knapp sechs Monaten Verspätung und einem Verfahren der EU-Kommission im Nacken hat das Arbeitsministerium am Freitag einen Gesetzesentwurf zum Schutz von Whistleblowerinnen und Whistleblowern in Begutachtung geschickt. Die Koalitionspartner waren sich in entscheidenden Fragen lange nicht einig, jetzt gibt es aber offenbar einen Kompromiss.

ÖVP und Grüne haben sich demnach darauf verständigt, beim Gesetz über die Vorgaben der EU-Richtlinie hinauszugehen. Geschützt sind laut Agnes Sirkka Prammer, Justizsprecherin der Grünen, künftig auch Personen, die Korruption aufdecken. Unternehmen und Behörden müssen zudem anonymen Meldungen nachgehen. Beide Punkte waren bis zuletzt umstritten.

Meldekanäle und Schutz

Das Whistleblower-Gesetz schützt Hinweisgeberinnen und Hinweisgeber, die im öffentlichen Sektor oder im privaten Bereich Missstände oder kriminelle Machenschaften aufdecken. Funktionieren soll das über zwei Schienen: Unternehmen mit mehr als 50 Beschäftigten und Behörden sind künftig dazu verpflichtet, Kanäle einzurichten, über die Whistleblower anonyme Meldungen abgeben können. Neben diesen internen Meldekanälen soll es auch eine externe Meldestelle beim Bundesamt für Korruptionsbekämpfung (BAK) geben.

Whistleblower dürfen laut Gesetz zudem nicht benachteiligt werden und sind umfassend vor arbeitsrechtlichen Konsequenzen wie Kündigung oder Gehaltskürzung geschützt. Wer Hinweisgeber behindert, unter Druck setzt oder ihre Identität aufdeckt, muss mit Verwaltungsstrafen bis zu 20.000 Euro, im Wiederholungsfall bis zu 40.000 Euro rechnen.

Ausdehnung auf nationales Recht

Die Europäische Union hat in der Richtlinie zwar einheitliche Schutzstandards festgesetzt, im Detail blieben den nationalen Gesetzgebern aber Spielräume. Die EU kann aufgrund ihrer Zuständigkeiten nämlich nur Whistleblower schützen, die Verstöße gegen EU-Recht wie Wettbewerbs-, Vergabe- oder Datenschutzrecht aufdecken.

Aus Sicht von Expertinnen und Experten war es daher dringend notwendig, die Vorgaben auch auf nationales Recht auszudehnen, sodass etwa auch das Korruptionsstrafrecht erfasst ist. Auch die EU-Kommission gab eine dahingehende Empfehlung ab. Die Regierung ist dieser Forderung nun offenbar nachkommen.

Anonyme Meldungen

Dasselbe gilt für anonyme Meldungen. Die Identität von Whistleblowern ist zwar geschützt, allerdings können die nationalen Gesetzgeber selbst entscheiden, ob Unternehmen anonymen Meldungen nachgehen müssen. Im österreichischen Entwurf ist das nun so vorgesehen. "Anonyme Meldungen sind nicht nur zulässig, sondern genauso zu behandeln wie Meldungen, bei denen die Identität der Hinweisgeber bekannt ist", sagt Prammer zum STANDARD.

"Die Erweiterung des sachlichen Geltungsbereichs auf nationalgesetzlicher Ebene, insbesondere auf Korruptionsstraftatbestände ist erfreulich", sagt Rechtsanwältin Katharina Kitzberger. Allerdings sei nicht das gesamte Strafrecht umfasst – so wie das etwa der deutsche Gesetzgebungsvorschlag vorsieht. Kritik übt Kitzberger auch daran, dass die Voraussetzungen für Verfahrenshilfe – also die Unterstützung bei Prozesskosten – nicht gelockert wird. Damit bleibt für Hinweisgeberinnen und Hinweisgeber die Gefahr, dass sie einen möglichen Prozess vorfinanzieren müssen.

Verfahren der EU-Kommission

Das Arbeitsministerium habe sich dafür eingesetzt, dass "alle Vorgaben der Europäischen Kommission im Gesetzesentwurf enthalten sind", heißt es in einer Presseaussendung, die die Regierung am Freitag veröffentlicht hat. Dem Entwurf liege aber auch der Anspruch zugrunde, "finanzielle und personelle Mehrbelastungen, die durch die Errichtung von Meldestellen" entstehen, "möglichst gering zu halten".

Österreich hätte die Richtlinie bereits vergangenen Dezember umsetzen müssen. Anfang des Jahres leitete die EU-Kommission dann ein Vertragsverletzungsverfahren ein. Laut Regierung hat sich die Umsetzung der EU-Vorgaben aufgrund intensiver Verhandlungen und der Klärung vereinzelter offener Punkte verzögert. Nur vier EU-Staaten hätten die Richtlinie fristgerecht umgesetzt. (Jakob Pflügl, 4.6.2022)