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Whistleblower sollen mehr Schutz bekommen – die nationalen Regeln fehlen aber immer noch. Im Bild: Facebook- Hinweisgeberin Frances Haugen.

Foto: AP/Mayo

Eigentlich hätte Österreich bis zum 17. Dezember 2021 einen gesetzlichen Rahmen schaffen müssen, um Whistleblower künftig besser vor Nachteilen zu schützen. Diese Frist galt für die nationale Umsetzung der entsprechenden Whistleblower-EU-Richtlinie. Passiert ist das allerdings nicht, nicht einmal ein Gesetzesentwurf ist nach Brüssel gemeldet worden. Nun hat die EU-Kommission gehandelt und ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Österreich eingeleitet. Geschehen ist das am 27. Jänner.

Der Schutz soll Hinweisgebern gelten, die geheime Informationen zur Aufdeckung von Missständen oder kriminellen Machenschaften liefern, in aller Regel geht es dabei um Mitarbeiter von Unternehmen, die Einblick in geheime Unterlagen und Daten haben. Die EU leitete ihre Gesetzesinitiative im Jahr 2018 ein, nachdem etwa das Datenleck bei Facebook oder die Informationen aus den Panama-Papers bekannt geworden waren – durch Whistleblower.

Mehr Spielraum

2019 haben sich die EU-Staaten und das EU-Parlament dann auf die neuen Regeln geeinigt, die etwa auf das Aufdecken von Geldwäsche, Datenschutzverletzungen oder Vergehen bei Unternehmensbesteuerung, aber auch Lebensmittelsicherheit oder Umweltschutz abzielen. Die Mitgliedsstaaten wurden von der EU-Kommission durchaus ermutigt, den Anwendungsbereich der zu schaffenden nationalen Bestimmungen auszuweiten.

Vorgesehen ist in der EU-Richtlinie etwa, dass Whistleblower den Weg, wie sie Verstöße melden, frei wählen können. Unternehmen mit mehr als 250 Mitarbeitern müssen eine eigene Meldestelle für Hinweisgeber einrichten, die Tippgeber können sich aber auch an zuständige Stellen wie die Staatsanwaltschaften wenden. "Whistleblower sind mutige Menschen, die sich trauen, illegale Aktivitäten ans Licht zu bringen", erklärte die zuständige Vizepräsidentin der EU-Kommission, Věra Jourová, im Dezember, als die Umsetzungsfrist für die Umwandlung in nationales Recht abgelaufen war. Das neue Gesetz werde sie dabei schützen.

Koalitionärer Dissens

In Österreich ist von alldem nichts geschehen, das Arbeitsministerium hat noch keinen Entwurf vorgelegt. Einig waren sich die koalitionären Verhandler, dass das Gesetz etwa für Verstöße gegen Vergaberecht, Daten- und Umweltschutz gelten solle. Gespießt hat es sich zuletzt wie berichtet beispielsweise an der Frage, ob die Regelungen auch für das Korruptionsstrafrecht gelten sollen, wobei die EU-Richtlinien das nicht vorsehen. Das fordert etwa der Leiter der AG Whistleblowing bei Transparency International Austria (TIA), Kristof Wabl.

Nicht geeinigt hatte man sich zuletzt auch in der Frage, ob Unternehmen auch anonymen Hinweisen nachgehen müssen – obwohl die Meldestellen die Identität von namentlich bekannten Hinweisgebern geheim zu halten haben. Gemäß österreichischem Verhandlungsstand müssen sich Hinweisgeber grundsätzlich an die Meldestellen wenden, nur in berechtigten Ausnahmefällen sollen auch externe Meldungen zulässig sein. Zu hören ist, dass die türkisen Verhandler auf der Bremse gestanden seien und das Vorhaben so blockiert hätten.

Tirol hat umgesetzt

Abseits der Bundesebene stellt sich die Sache mitunter ganz anders dar. Der Tiroler Landtag hat am Mittwoch für Tirol als erstes österreichisches Bundesland die EU-Richtlinie zum Schutz von Personen in Landesrecht umgesetzt, die Verstöße gegen das Unionsrecht melden. Der Beschluss des Unionsrechtsverstöße-Hinweisgebergesetzes (UVHG-Begleitgesetz) erfolgte einstimmig.

Demnach fungiert die jeweilige Landesvolksanwältin oder der Landesvolksanwalt als externe Meldestelle für Whistleblower und muss dann die entsprechenden Schritte setzen. Die Landesvolksanwältinnen oder -anwälte (gibt es nur in Tirol und Vorarlberg) sind weisungsfrei und werden vom Landtag für sechs Jahre bestellt, sie prüfen auf Basis von Beschwerden die Tätigkeit der jeweiligen Landesverwaltung. In Tirol, wo Maria Luise Berger Landesvolksanwältin ist, gehören da künftig auch Verstöße gegen Unionsrecht dazu. Und: Gemäß Tiroler Gesetzen muss die Landesvolksanwältin auch anonymen Hinweisen nachgehen. Eine Ausnahme davon gibt es nur dann, wenn die Tipps des Whistleblowers offenkundig aus der Luft gegriffen sind.

Städte haben Meldeplattformen

Aktiv geworden ist auch der Österreichische Städtebund, der seinen Mitgliedern, eben den Städten, eine Whistleblower-Plattform zur Verfügung stellt, auf der Hinweise anonym eingemeldet werden und von den Zuständigen bearbeitet werden können. Zudem kann über das Tool mit dem Whistleblower kommuniziert werden. 60 Städte nützen es laut Städtebund bereits, 85 Städte sind von der EU-Richtlinie erfasst.

Wie es auf Bundes- und EU-Ebene nun weitergeht: Österreich hat zwei Monate Zeit, auf das Schreib en aus Brüssel "zufriedenstellend" zu antworten. Tut es das nicht, geht das Vertragsverletzungsverfahren weiter. Letztlich könnte die EU-Kommission den Europäischen Gerichtshof (EuGH) mit der Angelegenheit befassen.

Kritik von Transparency International

Transparency International Austria hatte sich zuletzt immer wieder für eine breite nationale Umsetzung starkgemacht. Dass das "56 Tage nach Ablauf der Frist" noch immer nicht geschehen ist, wird nun heftig kritisiert. Die TIA-Vorstandsvorsitzende Eva Geiblinger nennt das Faktum, dass weder ein Gesetzesentwurf präsentiert noch der Begutachtungsprozess gestartet wurde, in einer Stellungnahme ein "Armutszeugnis und ein Paradebeispiel" dafür, warum Österreich im Korruptionswahrnehmungsindex immer schlechter abschneide.

Allerdings gilt dieses Armutszeugnis auch für weitere 23 (sic) EU-Länder, die die Richtlinien nicht umgesetzt haben und wie Österreich über die Einleitung von Vertragsverletzungsverfahren informiert wurden. (Renate Graber, 10.2.2022)