Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer (re.) sah jetzt die Zeit gekommen, um zu gehen und an Christopher Drexler zu übergeben.

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Was seit Tagen in Graz als Gerücht herumgeisterte, hat Hermann Schützenhöfer am Freitag offiziell gemacht: Der steirische Landeshauptmann übergibt die Partei und den Landeshauptmannsessel an seinen "Kronprinzen" Christopher Drexler.

Da Gerüchte eines Rückzugs alle paar Monate wellenartig aufgetaucht waren, hatte sie keiner wirklich für bare Münze genommen. Aber diesmal meinte es Schützenhöfer tatsächlich ernst: In einer eilig einberufenen Pressekonferenz in der Grazer Burg erklärte der – landläufig "Schützi" gerufene – Landeshauptmann mit stockender Stimme: "Viele wissen es: Ich bin im 71. Lebensjahr, fast 52 Jahre in der Politik tätig und 22 Jahre Mitglied der Landesregierung. Zu oft gab es Rücktritte überfallsartig – nach Wahlniederlagen oder wegen politischen Drucks innerhalb der Partei" – er aber wolle seinen Rückzug nun in geplanten Bahnen organisieren.

Jetzt sei der Zeitpunkt gekommen, er gehe "schweren Herzens". Aber auch wenn er jetzt als Landeshauptmann abtrete: "Die Steiermark bleibt mein Leben." Die Übergabe, die in den ÖVP-Parteigremien einstimmig goutiert wurde, soll Anfang Juli über die Bühne gehen.

Politischer Ziehsohn

Schützenhöfer wusste: Er muss endlich handeln, die Zeit drängte. 2024 wird in der Steiermark gewählt und er muss – was er immer wieder verschoben hat– jetzt entscheiden. Dass er Christopher Drexler, seinen politischen Ziehsohn, zum Nachfolger bestimmen will, war schon lange klar. Schützenhöfer zweifelte aber immer wieder, ob der scharfzüngige, intellektuelle Drexler, der wie er selbst im ÖAAB sozialisiert worden ist, tatsächlich der richtige Nachfolger sei. Drexler ist von völlig anderer Statur, kein Politikertyp für Feuerwehrfeste, er wirkt wenig volksnah, mit seiner Eloquenz oft überheblich.

Schützenhöfer war klar, der Kulturlandesrat Drexler, dessen Bekanntheits- und Beliebtheitswerte noch ziemlich ausbaufähig sind, braucht jedenfalls noch genügend Zeit, damit sich die Steirerinnen und Steirer an ihn "gewöhnen". "Für seine Beliebtheit", sagte Schützenhofer in seiner Abschiedsrede, "müss ma noch was tun."

Schützenhöfer liebäugelte aber auch immer wieder damit, vielleicht doch noch selbst eine Periode anzuhängen. Die Entwicklung der ÖVP im Bund, der Absturz nach Sebastian Kurz, den er in den Anfängen engagiert unterstützt hatte, ließ in ihm aber ganz offensichtlich den Entschluss reifen, doch früher aus eigenen Stücken zu übergeben, um sich nicht der Gefahr auszusetzen, womöglich aus dem Amt gewählt zu werden.

Nun ging er mit Tränen in den Augen, "Politik war mein Beruf", sagte Schützenhöfer zum Abschied aus der Politik, in der er sein ganzes Erwachsenenleben verbracht hatte.

Er stand nie groß im Rampenlicht

Der geborene Niederösterreicher stand anfangs eigentlich nie groß im Rampenlicht. Dort parlierten die politischen Persönlichkeiten wie der Parteidenker Bernd Schilcher, der Querdenker Gerhard Hirschmann oder der umtriebige Wirtschaftspolitiker Herbert Paierl. Aber irgendwann wurde die Glücksfee dann doch auf den recht biederen Schützenhöfer aufmerksam.

Als Landeshauptfrau Waltraud Klasnic in der Folge des "Herberstein-Skandals" krachend abgewählt wurde, fiel Schützenhöfer, sonst war keiner mehr da, die Partei in den Schoß. Er war plötzlich steirischer ÖVP-Landeschef.

Dann dauerte es ein Weilchen bis zu den Wahlen 2015, als ihm wieder das Glück hold war. In der Zeitspanne zuvor hatte es Franz Voves geschafft, Klasnic zu stürzen und erster roter Landeshauptmann in diesem so tiefschwarzen Bundesland zu werden. Voves und Schützenhöfer fanden in den Jahren zu einer "Reformpartnerschaft zusammen". Ihr großer Wurf war die Gemeindefusionsreform.

2015 also, vor den Landtagswahlen, kündigte Voves an, sollte die SPÖ unter 30 Prozent fallen, werde er zurücktreten.

Es wurden 29 und noch ein paar Zehntel, und die SPÖ war ihren Obmann und auch den Landeshauptmannsessel los, denn Voves setzte zum Entsetzen seiner Genossen den ÖVP-Vize als Erbe ein. "Hermann im Glück" kam völlig unverhofft zum höchsten Amt der Steiermark.

Gut, ein wenig hatte er wohl mitgeholfen, das Glück herauszufordern. Schützenhöfer hatte zuvor Voves offenbar erfolgreich mit der Drohkulisse einer von der Bundespartei diktierten schwarz-blauen steirischen Koalition weichgeklopft. Voves meinte, Schützenhöfer garantiere die von beiden getragene "Reformpolitik". Seither hat die ÖVP jedenfalls, wie all die Jahrzehnte zuvor, wieder die Macht im Land.

Schützenhöfers Einstieg als Landeshauptmann war brutal: Nach drei Tagen im Amt kam es in Graz zur folgenschweren Amokfahrt. "Meine erste Amtshandlung als Landeshauptmann war die Einrichtung eines Krisenstabs", erinnerte er sich. Drei Monate später musste er die anrollende Flüchtlingskrise managen. Christopher Drexler gleitet hingegen sanft ins erste Landesamt. "Ich werde mir in den nächsten Wochen viel Zeit für Gespräche geben, ich will zuhören", sagte Drexler bei seiner Präsentation Freitagnachmittag und fügte euphorisiert hinzu: "Mich durchflutet die Freude auf die kommenden Jahre."

Rosen zum Abschied

Gemäß seinem Naturell als Verbinder, als alter Großkoalitionär, der zu allen Parteien gute Kontakte pflegt, wurde Schützenhöfer zum Abschied aus allen politischen Lagern nur Rosen gestreut.

Bundespräsident Alexander Van der Bellen bedankte sich auf Twitter bei Schützenhöfer, dass er "immer das Gemeinsame vor das Trennende" gestellt habe. Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) würdigte den Steirer als "mutigen Reformer" und "richtiger Landesvater". Der Steirer und Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) erinnerte an die "gute Gesprächsbasis" mit Schützenhöfer und dessen SPÖ-Stellvertreter Anton Lang pries "die persönliche Zusammenarbeit, die von Respekt und Wertschätzung geprägt war".

Selbst die KPÖ war voll des Lobes: "Trotz aller politischer Differenzen war Hermann Schützenhöfer ein besonnener Landeshauptmann mit Handschlagqualität", sagte Klubobfrau Claudia Klimt-Weithaler. Freundliche Grußbotschaften verschickten auch der Kärntner SPÖ-Landeshauptmann Peter Kaiser und sein burgenländischer Amtskollege Hans Peter Doskozil.

Und schließlich meldete sich auch noch die Kirche, ein für den Katholiken Schützenhöfer wichtiger Orientierungsort zu Wort. Diözesanbischof Bischof Krautwaschl, mit dem Schützenhöfer viel besprach: "Er wird uns fehlen." (Walter Müller, 3.6.2022)