Steht zu uns "bei Licht und Schatten jeder Zeit": Nationalspieler David Alaba, den Landsleuten ergriffen beim Rainhard-Fendrich-Singen lauschend.

Foto: Andreas Schaad/APA

Besucher des montägigen Länderspiels gegen Dänemark durften ihren Fußballhunger bis tief in die Nacht stillen. Aufgrund eines Stromausfalls hüllte sich das Oval des Ernst-Happel-Stadions in Düsternis. Prompt verzögerte sich der Anpfiff um schlappe eineinhalb Stunden. Um allfälliges "Eis" von der "Seele" seiner Landsleute zu schmelzen, besann sich der Stadionsprecher auf die liebste Ersatz-Bundeshymne aller Österreicherinnen: Rainhard Fendrichs "I am from Austria". Wenigstens das Tonband funktionierte einwandfrei.

Unter zweimaligem Mitsingen winkten die rund 18.000 Versammelten mit den Fähnchen einer Salzburger Brauerei. Der Gerstensaft, im Zwielicht der Dämmerung gezapft, floss in Strömen. Tatsächlich heißt es gegen Ende der dritten Strophe: "So wia dei Wasser talwärts rinnt / Unwiderstehlich und so hell…" – so spur- und grundlos, so unter jedes Tal, verfloss auch der Unmut der auf die Folter Gespannten. Ein Land, das solche patriotischen Gesänge sein Eigen nennt, darf sich getrost als Apfel eines Stammes namens Österreich empfinden.

Großonkels schlimmes Bein

Bereits als Babyboomer löcherte ich meine Eltern mit der Frage, was es mit unserer Deutschsprachigkeit auf sich habe: "Weil wenn wir Österreicher Deutsch sprechen, müssen wir in Wahrheit doch Deutsche sein?" Ich entsinne mich dunkel einer gewissen Verlegenheit auf der Erzeuger Seite. Es blieb einem meiner Großonkel vorbehalten, auf die angeblich untrennbare Zusammengehörigkeit von uns Österreichern mit den Deutschen hinzuweisen.

Besagter Onkel hielt nicht nur Bundeskanzler Bruno Kreisky für einen Sendboten der Hölle. Er litt kriegsbedingt an einem "wehen Bein", das er zu jeder unpassenden Gelegenheit vor uns Kindern zu entblößen pflegte. Um es frei nach Fendrich zu sagen: Wir, die Früchtchen, blickten ein wenig fassungslos auf diesen Stamm.

Die Ära Kreisky war vorüber, als das renovierte Happel-Stadion 1986 mit einem Länderspiel gegen Deutschland wiedereröffnet wurde. Noch gut erinnere ich mich des völkerverbindenden Beitrags des Fanblocks im Gästesektor. Wie auf Kommando hoben nicht wenige Gäste die Hand zum deutschen Gruß. Immerhin das Pfeifkonzert war gellend. (Ronald Pohl, 8.6.2022)