Tommy Shelby ist der Kopf der Bande: Sechs letzte Folgen von "Peaky Blinders – Die Gangs von Birmingham" sind ab Freitag auf Netflix abrufbar.

Foto: Netflix

Neue Zeit: Schießereien sind nicht mehr gefragt. "Sie wirken proletenhaft", sagt der Faschist. Politik läuft inzwischen anders. Aber einer wie Tommy, der kann gar nicht anders, der muss einfach schießen. Probleme, Konflikte haben sie immer so gelöst, die Gangs von Birmingham. Warum soll das jetzt plötzlich nicht mehr gehen?

Weil das Ende einer Ära naht. Das war beim Finale der fünften Staffel der BBC-Netflix-Serie Peaky Blinders – Die Gangs von Birmingham zu erahnen. Ein neues Jahrzehnt beginnt, wir sind in den 1930ern. Eine faschistische Partei strebt an die Macht in Großbritannien. Hassreden gegen Juden, die Instrumentalisierung von Armut, das gibt es auch im Königreich, und ihr Anführer, Oswald Mosley, erhält regen Zulauf. Vom Volk und auch von kriminellen Banden, also von den Peaky Blinders. Deren Boss Tommy Shelby höchstpersönlich sucht mit seiner Gang die Nähe.

Mit einem Cliffhanger, der sich gewaschen hat, endete die fünfte Staffel. Am Freitag geht es in die letzte Runde, und wie fast in jeder Folge bisher stellt sich die Frage: Wie kommen sie da raus?

Die Lage

Am Beginn der sechsten Staffel steht Tommy (Cillian Murphy) mit dem Rücken zur Wand. Ein spielentscheidender Anschlag schlug fehl. Die besten Jahre hat der Gangsterboss mit dem Milchbubigesicht eindeutig hinter sich. Nicht nur die Faschisten machen Druck, der Nachwuchs drängt ebenso gewaltig in die vordere Reihe. Klein Michael (Finn Cole) und Gattin Gina (wieder genial: Anya Taylor-Joy) gehören einer neuen, viel gewiefteren Gaunergeneration an. Der Opiumhandel ist ein florierendes Geschäft. Michael schlägt eine "vollständige Restrukturierung" der Peaky Blinders und eine Expansion nach New York vor und unterbreitet Tommy einen waschechten Businessplan: "Die Amis können nichts anfangen mit einer altmodischen Rasierklingengang." Da spricht der Neoliberalismus aus dem Ganoven. Times are changing.

Der Hintergrund

Eine Bande namens Peaky Blinders gab es, nur weitaus früher. 1890 schmückte sich eine fesch gekleidete Jugendgang mit Ballonmützen mit diesem Namen, die Mitglieder waren jünger als in der Serie und kleinkriminell. Die britische Bandenbildung ist aber legendär, die ersten Gangs gab es bereits 1870. Es ging hauptsächlich gegen Iren, Bandenkriege waren die Folge. Mehr Ähnlichkeit haben die Peaky Blinders mit den Billy Boys, einer Gang, die in den 1920er- und 1930er-Jahren die Unterwelt von Glasgow regierte. Einzelne Figuren sind historisch belegt, so etwa drei der Gegenspieler Thomas Shelbys. Billy Kimber, Alfie Solomon und Darby Sabini existierten ebenso wie Sir Oswald Ernald Mosley. Der war tatsächlich britischer Politiker und Gründer der faschistischen Partei British Union of Fascists (BUF).

Was ist daran so gut?

Peaky Blinders gehört zu den beliebtesten Serien bei Netflix. Der Fortsetzungsmodus der Erzählform lädt zum Bingewatchen ein, die Familiengeschichte strotzt vor Blut, Schweiß und Tränen.

Hochwertig die Ausstattung, eins a der Style, Peaky Blinders ist Mafiadrama und Familiensoap zugleich, erzählt von einer untergehenden Welt, greift aber auch politische Entwicklungen in der Zeit des Wandels auf: Zwischenkriegszeit, Krise, Armut, Klassenkämpfe, Aufstieg der IRA, Gewerkschaftsstreiks, Radikalisierung sind Themen der Zeit, die bis heute beschäftigen. Und legendär: der ultracoole Soundtrack.

Was kommt?

Die bange Frage: Was wird aus den Shelbys, geht Tommy mit Bomben und Granaten unter wie die alte Welt der Banden und Ganoven? Es ist die letzte Staffel. Serienerfinder Steven Knight hat bereits bekanntgegeben, dass es einen finalen Film geben soll. Ohne die schillernde Hauptfigur ist das schwer vorstellbar. Aber wer weiß. (Doris Priesching, 10.6.2022)

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