Am Tatort werden Blumen für die Opfer der Amokfahrt niedergelegt. Besonders betroffen ist eine Schulklasse aus dem nordhessischen Bad Arolsen.

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Berlin – Bei den Ermittlungen zur Amokfahrt vom Mittwoch in Berlin werden Sachverständige sowohl für die psychiatrische Expertise als auch für den Hergang des Geschehens beauftragt und Zeugen vernommen werden. Für die Beamten ist sicher, dass eine psychische Erkrankung des Autofahrers dazu geführt hat, dass der 29-Jährige am Mittwoch über Gehwege des Kurfürstendamms und der Tauentzienstraße in Menschengruppen gerast ist. Der Mann kommt in eine psychiatrische Einrichtung.

Die Staatsanwaltschaft wirft ihm Mord in einem Fall und versuchten Mord in 17 Fällen vor. Besonders getroffen von der Tat wurde eine Schulklasse aus der nordhessischen Kleinstadt Bad Arolsen, deren Fahrt in die Hauptstadt ein jähes Ende fand. Eine Lehrerin der Schule starb bei dem Vorfall, viele Schüler wurden verletzt.

Schweigeminute an deutschen Schulen

Am Mittwochabend legten der hessische Ministerpräsident Boris Rhein (CDU) und Berlins Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) Blumen für die Opfer nieder. "Ich empfinde ganz tiefe Trauer, wenn ich diesen Ort sehe, und mein Herz ist wirklich schwer, seitdem ich die Nachrichten erfahren habe", sagte Rhein. Ein Mensch habe "eine ganze Schule, einen ganzen Ort und vor allem eine ganze Familie" in eine Tragödie gestürzt.

Ermittlungen sollen nun zeigen, ob hinter der Tat möglicherweise mehr steht als die psychische Erkrankung des Fahrers, sagte Giffey. "Für uns war wichtig, dass wir hier gerade an diesem Ort wirklich aus den Lehren der Amoktat und dieses Anschlages aus 2016 gelernt haben." Vieles sei seither anders organisiert worden, der Plan sei am Mittwoch "in vorbildlicher Weise" umgesetzt worden. Der katholische Berliner Erzbischof Heiner Koch rief alle Schulen auf, am Freitag (10.30 Uhr) eine Schweigeminute abzuhalten. "Besonders erschreckt und erschüttert hat mich, dass eine Schulklasse Opfer der Amokfahrt wurde", sagte Koch.

Keine Hinweise auf Terror

Es gebe Anhaltspunkte dafür, dass der festgenommene Mann an einer paranoiden Schizophrenie leide, sagte der Sprecher der Staatsanwaltschaft, Sebastian Büchner, am Donnerstag. Bei der Durchsuchung der Wohnung seien Medikamente gefunden worden. Der Beschuldigte habe seine Ärzte von der Schweigepflicht entbunden. Laut RBB-Informationen soll er nach einem Vorfall im Jahr 2020 schon einmal an eine psychiatrische Klinik überstellt worden sein, wo eine Einweisung geprüft werden sollte.

Für einen terroristischen Hintergrund der Tat gibt es weiterhin keine Hinweise – auch ein Unfall lässt sich laut Staatsanwaltschaft derzeit ausschließen. Von der deutschen Bundes- und der Berliner Landesregierung wurde der Vorfall als Amoktat eingestuft. Staatsanwaltschaft und Polizei nutzten den Begriff "Amoktat" hingegen zunächst bewusst nicht.

In der Nähe des Attentats von 2016

Der Fall weckt Erinnerungen an eine Amokfahrt auf der Berliner Stadtautobahn A100 im August 2020, als ein Autofahrer gezielt drei Motorradfahrer rammte. Er wurde vom Gericht in die Psychiatrie eingewiesen. Polizeilich sei er öfter aufgefallen, es habe Ermittlungen gegeben wegen Körperverletzung, Hausfriedensbruchs und Beleidigung.

Der Tatort befindet sich unweit der Gedächtniskirche am Breitscheidplatz in Berlin-Charlottenburg. Dort war im Dezember 2016 ein islamistischer Attentäter in einen Weihnachtsmarkt gefahren. (APA, 10.6.2022)