Bislang hieß es, die Inflation sei hauptsächlich importiert. Laut aktuellen Daten der OeNB ist aber auch die Kerninflation ordentlich gestiegen.

Foto: REUTERS/Andrew Kelly

Wien – Täglich wird die Liste jener länger, die der Weltwirtschaft düstere Zeiten prognostizieren. Nach Weltbank, OECD, Wifo und EZB zieht nun auch die Oesterreichische Nationalbank (OeNB) nach. Allesamt haben sie ihre angenommenen Wachstumsaussichten zusammengestrichen und die Erwartungen bei der Inflation nach oben geschraubt.

Die Prognose der OeNB steht klarerweise ganz im Zeichen des Ukraine-Kriegs und der horrenden Energiepreise. Konkret erwarten die Notenbanker für heuer eine Inflationsrate von 7,0 Prozent, ein satter Anstieg, denn im April waren es noch 5,6 Prozent. Im Juli soll der Höhepunkt erreicht sein, danach dürfte die Teuerung bis Jahresende langsam nachlassen.

Importierte Inflation

"Vor allem Energie und Lebensmittel treiben die Preise massiv in die Höhe, der Großhandelspreis für Gas stieg in den vergangenen zwölf Monaten um 383 Prozent, jener für Weizen um 81 Prozent", sagte die Direktorin der Hauptabteilung Volkswirtschaft der OeNB, Birgit Niessner, am Freitag bei einer Pressekonferenz. Das sei zwar hauptsächlich importierte Inflation. Aber auch die heimische Kerninflation – ohne Energie und Lebensmittel – dürfte heuer 4,1 Prozent betragen, kommendes Jahr sogar weiter ansteigen und der entscheidende Preistreiber sein.

Schrumpfendes Wachstum

Nach einer zu Jahresbeginn noch kräftigen Erholung in Österreich bremsten die Folgen des Ukraine-Kriegs die Konjunktur abrupt. Für 2022 geht die Notenbank dennoch von einem Wachstum von 3,8 Prozent aus – vorausgesetzt, es kommt zu keinem weiteren Lockdown im Tourismus und Gastgewerbe. "Covid wird noch als Risiko angesehen, aber nicht mehr als reale Bedrohung", sagt OeNB-Gouverneur Robert Holzmann.

In den beiden folgenden Jahren soll das Plus mit 1,9 Prozent nur noch halb so hoch ausfallen. "Diese Zahlen basieren auf der Annahme, dass es bis zum Jahresende eine Lösung im Ukraine-Krieg gibt und die Sanktionen gegenüber Russland noch bis mindestens 2024 aufrecht bleiben", sagt Holzmann.

Corona gilt als überwunden, die Umstände bleiben schwierig. Nichtsdestotrotz geht die OeNB davon aus, dass das starke Beschäftigungswachstum vom ersten Quartal anhalten wird. Kommendes Jahr dürfte es aber, gemeinsam mit dem Konjunkturabschwung, auch damit nach unten gehen.

Stagflation und Preis-Lohn-Spirale

"Das Risiko einer Stagflation ist beträchtlich", sagte Weltbank-Präsident David Malpass jüngst. "Für viele Länder wird es schwierig sein, eine Rezession zu vermeiden." Zum letzten Mal kam es in den 1970er-Jahren zu Stagflation, Parallelen zu damals gibt es allerdings auch heute. Dazu gehören Störungen auf der Angebotsseite, die Aussichten auf eine Abschwächung des Wachstums und die Anfälligkeit der Schwellenländer im Hinblick auf die geldpolitische Straffung, die zur Eindämmung der Inflation erforderlich sein wird.

Malpass zielt dabei allerdings eher auf Entwicklungsländer ab. In Österreich geht die OeNB momentan nicht davon aus, dass dieses Phänomen wirklich eintritt. Die Inflation wird laut Holzmann aber die Haushalte hart treffen. Denn die Reallöhne, also das um die Inflation bereinigte Arbeitseinkommen, dürften heuer um 2,5 Prozent und damit "historisch stark" zurückgehen.

Schrumpfendes Wachstum und steigende Preise, so sieht an sich die Ausgangslage für eine Preis-Lohn-Spirale aus. Wie realistisch diese ist, kann bzw. will man bei der Nationalbank nicht einschätzen. Es wird auf die Lohnrunden im Herbst verwiesen.

EZB-Entscheidung

Als "lange Reise" sieht Gouverneur Holzmann die Anhebung von Zinsen: Bekanntlich hat die EZB am Donnerstag angekündigt, die milliardenschweren Netto-Anleihenkäufe mit Anfang Juli auslaufen zu lassen und danach die Leitzinsen um 0,25 Prozentpunkte anzuheben. Als "notwendiges Signal und richtige Entscheidung" bezeichnet er den Schritt, zugleich machte er deutlich, dass er jetzt schon für einen stärkeren Schritt – eine Erhöhung um 0,5 Prozentpunkte – gewesen wäre.

Auch im September wäre er für ein kräftiges Zinserhöhungszeichen von mindestens 0,5 Prozentpunkten, wenn sich die Inflation bis dahin nicht deutlich reduziert hat. "Unterm Strich baut die Entwicklung auf vielen aufeinanderfolgenden Zinsschritten auf", sagt Holzmann. "Direkt auf das notwendige Niveau zu springen würde den Kapitalmarkt verwerfen."

Wichtig sei aber, dass die Erhöhung der Zinsen nur eine von drei Maßnahmenbündeln sei, die die EZB nutzen könne. Viel wichtiger seien in den letzten Jahren die Anleihenkaufprogramme gewesen, die nun endgültig auslaufen. (Andreas Danzer, APA, 10.6.2022)