Um kurz nach 18 Uhr meldete sich am Samstag Bundespräsident Alexander Van der Bellen am überfüllten Rathausplatz per Videobotschaft zu Wort. "Sie alle setzen ein starkes Zeichen", sagte der Präsident. Die Wiener Ringstraße sei an diesem Tag nicht nur Schauplatz einer Demonstration gewesen, "sondern auch ein Ort, an dem alle so sein können, wie sie sind". Ein Ort, an dem "Hass und Kriminalisierung keinen Platz haben".

Van der Bellen erklärte zudem in dem Video, das er in der Hofburg vor einer Regenbogenfahne aufgenommen hatte, dass man nicht nur mitten im Pride-Monat sei, sondern auch mitten im Kampf für die Rechte der LGBTQI-Community. Und das sei ein Kampf, "bei dem niemand alleine gelassen wird".

Die Ringstraße war am Samstag voll mit Demonstrantinnen und Demonstranten.
Foto: Christian Fischer

Ab 13 Uhr zog zuvor zum 26. Mal die Wiener Regenbogenparade gegen die Fahrtrichtung über die Wiener Ringstraße, um für die Rechte der LGBTQI-Community zu demonstrieren. Nach einem Jahr der Corona-bedingten Pause und der abgespeckten Version ohne Fahrzeuge im vergangenen Jahr gingen hunderttausende Personen auf die Straße. Die Veranstalter sprachen von über 250.000 Teilnehmern. Das Publikum der Pride war bunt gemischt: von Personen mit schrillen Kostümen, bis hin zu leger gekleideten Demonstranten. Die Route passierte das Parlament, die Staatsoper, den Schwedenplatz und die Universität Wien, bis die Demonstration ab 17 Uhr wieder auf dem Rathausplatz eintraf.

Schrille Kostüme gehören zur Pride.
Foto: Christian Fischer

Die Regenbogenparade ist der Höhepunkt der Vienna Pride mit dutzenden Veranstaltungen im Rahmenprogramm. Doch einige Events der Vienna Pride blieben auch 2022 virtuell. Das nächste Pride Village am Rathausplatz etwa soll es erst 2023 geben.

Feiernde bei der Regenbogenparade am Samstag in Wien.
Foto: REUTERS/Lisa Leutner

Neben der Videobotschaft von Van der Bellen sprachen vor dem Rathaus unter anderem Wiens Vizebürgermeister und Stadtrat für Diversität, Christoph Wiederkehr (Neos) oder die Nationalratsabgeordneten Ewa Ernst-Dziedzic (Grüne) und Mario Lindner (SPÖ). "So viele Menschen, die hier gemeinsam einstehen für Toleranz, Vielfalt und Liebe – genau das ist Wien", erklärte Vizebürgermeister Wiederkehr. "Wien ist eine weltoffene Stadt."

Auch ein Wolf war am Ring.
Foto: Christian Fischer

Ernst-Dziedzic erklärte vorab per Aussendung: "Überall in Europa hat die Gewalt gegen Mitglieder und Einrichtungen der LGBTIQ-Community zugenommen. Diese Entwicklung macht auch vor Österreich nicht halt", heißt es darin. Und weiter: "Wir können uns nur gemeinsam gegen den Backlash wehren und nur gemeinsam offene Lücken beim Schutz vor Diskriminierung schließen."

"Happy Pride", wünschte auch Bundespräsident Alexander Van der Bellen per Videobotschaft.
Foto: Christian Fischer

Wiens Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) meldete sich per Twitter zu Wort. "Nach wie vor sind queere Menschen von Gewalt und Diskriminierung betroffen – weltweit, aber auch in Österreich. In Wien setzen wir jährliche klare Zeichen für Solidarität, Akzeptanz und Sichtbarkeit", schrieb Ludwig. Und: In Wien gebe es keinen "keinen Platz für Hass und Ausgrenzung".

Auch die SPÖ vereinigte sich am heutigen Tag für die Pride mit der grünen Regierungsspitze.
Foto: APA/HANS PUNZ

Bei der größten LGBTQI-Veranstaltung Österreichs unter dem Motto "Pride against hate – make love not war!" möchten die Veranstalterinnen ein Zeichen setzen, erklärte Pride-Organisatorin Katharina Kacerovsky-Strobl. "Die letzten beiden Jahre waren schwer." Man könne bereits Rückschritte bezüglich Übergriffen und Hass im Netz beobachten.

Auch gegen den Krieg in der Ukraine wurde mobil gemacht.
Foto: Christian Fischer

Im Mittelpunkt der Vienna Pride steht heuer der russische Angriffskrieg bzw. Solidarität mit der Ukraine. Ann-Sophie Otte, Obfrau der Hosi (Homosexuelle Initiative) Wien, verwies diesbezüglich vor kurzem auf Vertriebene aus der Community, die in Polen gelandet sind – "dem für LGBTQI-Menschen vielleicht unsichersten EU-Land".

Sabine Schuster (ORF) berichtet über die Forderungen der Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Regenbogenparade an die Politik und an die Gesellschaft.
ORF

Demo gegen Gegendemo

Auch innerhalb des Rings wurde am Samstag demonstriert. Ab 14 Uhr trafen sich Abtreibungsgegner, Fundamental-Christen und Rechte zum "Marsch für die Familie" am Wiener Stephansplatz. Mit Österreich-Fahnen, Blaskapelle und Schildern mit der Aufschrift "Familie = Mutter, Vater, Kind" oder "Abtreibung ist Mord" versammelten sich ein paar dutzend Personen vor dem Stephansdom. Abgeschirmt wurde die Veranstaltung von Polizeiwägen, Sperrgittern und einer Schar an Polizistinnen und Polizisten.

"Der Marsch für die Familie" am Wiener Stephansplatz.
Foto: STANDARD/Kroisleitner

Die Ansprachen gingen allerdings in den Sprechchören der Gegendemonstrantinnen und Polizeidurchsagen unter. Schon um 13 Uhr riefen Gegnerinnen des Marsches zur feministischen Kundgebung auf der Kärntner Straße auf. Kurz nach 14 Uhr erreichten sie mit Trommeln den Stephansplatz und störten die Veranstaltung mit "Alerta, Alerta, Queerfeminista"-Rufen und Pfeifkonzerten und Trommelei.

Die "Tatsache, dass es da draußen so laut ist, dass da jede Menge Ungusteln sind, die sich nicht an die demokratischen Spielregeln halten", zeige, dass es den Marsch für die Familie brauche, hieß es durch die Lautsprecherboxen. Kritik gab es auch an den Einsatzkräften: Bestimmt 50, wenn nicht sogar 100, Personen würden nicht zum Marsch kommen, weil die Gegendemo den Zugang blockiere. Die Polizei solle ihnen den Weg freimachen, hieß es. Die Polizei erklärte via Twitter, dass sei nicht der Fall.

Zwischenzeitlich mischte sich eine Handvoll der feministischen Gegendemonstrantinnen unter die Teilnehmenden des Marsches und zerrissen Flyer vor der Bühne und störten die Reden.

Nachdem die Polizei die Gegendemonstrantinnen und Gegendemonstranten des Marsches mehrfach aufgerufen hatte, einen 50-Meter-Abstand zu halten und diese dem Verlangen nicht nachgekommen waren, kam die nächste Durchsage: Man müsse nun solange an diesem Ort bleiben, solange der Marsch andauere.

Laut APA kam es am Stephansplatz auch zu einem Vorfall zwischen Polizei und den Gegendemonstrantinnen: Die Polizei setzte Pfefferspray gegen die Protestierenden ein. Eine Polizistin sei durch eine über die Menge geschleuderte Flasche am Kopf getroffen worden. Sie trug eine Platzwunde davon. Bei der eigentlichen Parade kam es vorerst zu keinen Zwischenfällen.

Staus in der Innenstadt

Die Autofahrerclubs ÖAMTC und ARBÖ erwarteten aufgrund der Regenbogenparade und der damit einhergehenden stundenlangen Ringsperre entsprechende Verzögerungen. Die erste Ringsperre wird gegen 8.30 Uhr zwischen Operngasse und Schottengasse beginnen.

Vergangenes Jahr durften an der Wiener Regenbogenparade keine Fahrzeuge teilnehmen. Heuer ist das wieder möglich.
Foto: APA/EXPA/FLORIAN SCHROETTER

Im Zuge der Parade wird sowohl die Ringstraße als auch der Franz-Josefs-Kai bis etwa 19.30 Uhr komplett gesperrt sein, wie der ARBÖ ankündigte. "Am Samstag gilt der Tipp an die Autofahrer, den Ring und Franz-Josefs-Kai ebenso wie die Zweierlinie möglichst zu meiden und großräumig zu umfahren", heißt es in einer Aussendung. Staus auf den Ausweichstrecken würden "erfahrungsgemäß vor allem am Nachmittag nicht ausbleiben".

Staus und Umleitungen wird es zeitweise auch auf Roßauer Lände, Praterstraße, Unterer und Oberer Donaustraße, Rennweg, Prinz-Eugen-Straße, Wiedner Hauptstraße, Rechter Wienzeile und Burggasse geben, informiert auch der ÖAMTC. Und erinnert auch daran, dass die Zufahrt zum Flughafen über den Franz-Josefs-Kai während der Sperre nicht möglich sein wird.

Geschmust und getanzt wird am Samstag freilich viel.
Foto: LISA LEUTNER

Auch Öffis betroffen

Während der Parade werden auch die Straßenbahnlinien 1, 2, 31, 71 und D sowie die innerstädtischen Buslinien kurz geführt oder umgeleitet. Wer in die Innenstadt will, sollte möglichst auf die U-Bahnen umsteigen. Am besten, man weicht auf die Linien U1, U2, U3 oder U4 aus. (ook, 11.6.2022)