Das Linksbündnis rund um den Trotzkisten Jean-Luc Mélenchon wird Emmanuel Macron Kopfzerbrechen bereiten.

Foto: APA/AFP/POOL/LUDOVIC MARIN

Die französische Linke ist zurück: Mit diesem Fazit endete die erste Runde der Parlamentswahl. Jean-Luc Mélenchon, der trotzkistische Tribun, hat am Sonntag mit seiner linken "Volksunion" (Nupes) rund 25 Prozent der Stimmen erzielt, etwa gleich viel wie das Mittebündnis von Präsident Emmanuel Macron.

Der Staatschef hat zwar laut den Pariser Politauguren gute Chancen, im zweiten Wahlgang in einer Woche eine relative oder gar absolute Mehrheit in der 577-köpfigen Nationalversammlung zu erringen; ihm werden 280 bis 300 Sitze prophezeit. Das ist aber in erster Linie eine Folge des Mehrheitswahlrechts, laut dem die Sitzverteilung nicht proportional berechnet wird, sondern aufgrund des Resultats in jedem einzelnen Wahlkreis.

Frust und Hass auf Macron

Sollte sich Macron in einer Woche doch noch gegen die linke "Volksunion" durchsetzen – ihr werden bis zu 200 Sitze in Aussicht gestellt –, bliebe ihm die Schmach erspart, Mélenchon zu seinem Premierminister ernennen zu müssen. Das ist aber auch schon alles. Macron hat gegenüber der Parlamentswahl von 2017 fast acht Prozent der Stimmen eingebüßt. Dies und die rekordhohe Stimmenthaltung zeugen vom Frust, bisweilen Hass auf Macron. Für ihn rächt sich, dass er die gemäßigten Sozialdemokraten und Konservativen in den letzten Jahren systematisch zerlegt hat; damit begünstigte er letztlich nur die Extremisten zur Rechten und Linken.

Ihr Erfolg fällt nun wie ein Bumerang auf den Polittaktierer im Elysée zurück. Sozialisten, Grüne, Kommunisten und Mélenchons "Unbeugsame" werden ihm das Leben nun schwer machen, sehr schwer. Mit den Rechtspopulisten von Marine Le Pen – die in der neuen Nationalversammlung nur etwa zwanzig oder dreißig Abgeordnete haben werden – werden sie Macron in die Zange nehmen. Der Elysée-Herrscher, der nicht vom hohen Ross steigen wollte, muss aufpassen, dass er nicht bald gestoßen wird. (Stefan Brändle, 12.6.2022)