Es ist kein starker Abgang. Nach 14 Jahren als Tiroler Landeshauptmann hinterlässt Günther Platter seinem Nachfolger Anton Mattle ein undankbares Erbe. Das beginnt bei der eigenen Partei: Von Machtkämpfen gebeutelt, ist die regierende ÖVP in Umfragen abgestürzt. Es scheint, als macht sich da einer noch rechtzeitig vor einer unausweichlichen Niederlage bei der nahenden Landtagswahl davon.

Der trübe Ausklang der Ära ist nicht allein mit dem Strudel der ÖVP-Affären zu erklären, der die Landesparteien mit nach unten zieht. Gut zwei Jahre Pandemie samt aller Anfeindungen haben den nunmehr 68-Jährigen zermürbt, aber das eigene Denkmal auch aus Eigenverschulden bröckeln lassen. Denn das Bild, das Platter und andere Landeshäuptlinge beim Corona-Management abgaben, hatte mit jenem des souveränen Landesvaters allzu oft wenig gemein.

Günther Platter hinterlässt seinem Nachfolger ein undankbares Erbe.
Foto: APA/EXPA/JOHANN GRODER

Natürlich darf nicht verallgemeinert werden. Das rot regierte Wien etwa hat nach einem ersten, von Unentschlossenheit geprägten Jahr zu einer stringenten Linie gefunden, und auch Bundespolitiker haben viel verbockt. Gerade das Chaos rund um den pandemischen Urknall in Tirol geht zum Gutteil auf die Kappe des damaligen Kanzlers Sebastian Kurz, der die Quarantäne über Ischgl im März 2020 voreilig herausposaunt hat.

Doch dem steht ein wiederkehrendes Verhaltensmuster gegenüber, das sich vornehmlich in ÖVP-regierten Ländern zeigte. Regelmäßig wehrten sich regionale Wortführer gegen von "oben" verhängte Corona-Regeln – Stimmungsmache gegen "volksferne" Politiker in Wien inklusive. Ein Teil der Landeshauptleute ließ sich von der Stimmung treiben, wenn sie diese nicht sogar selbst anfachten. Erst wenn überfüllte Spitäler und horrende Infektionszahlen keine Realitätsverweigerung mehr erlaubten, wurde nach zähen Verhandlungen nachgegeben – zu spät für eine effektive Bekämpfung des Virus.

Populistisches Abputzen

Es ist die heimische Spielart des Föderalismus, die zum populistischen Abputzen erzieht. Die Kompetenzen sind in einer Form zersplittert, dass die Länder zwar meistens mitmischen, aber leicht die Verantwortung von sich weisen können. Landeshauptleute dürfen ja auch Geld ausgeben, das bequemerweise der Bund via Steuern einhebt.

Stark ist die zentrale Regierung in Wien maximal auf dem Papier. Das Gesundheitsministerium kann die theoretisch weitreichenden Befugnisse in der Pandemie nur bedingt nutzen, wenn für die Umsetzung Gesundheitsbehörden unter Länderaufsicht zuständig sind. Und dann bleibt noch der informelle Einfluss, den die Länder in den Parteien – allen voran in der ÖVP – ausüben.

Was schon bisher vieles verschleppt hat, nahm in der Pandemie beängstigende Formen an: Das Gezerre zwischen Bund und Ländern und die neunfache Eigenbrötelei blockieren entschlossenes Handeln. Logische Konsequenz wäre, zumindest im Gesundheitswesen, die Entmachtung der Länder.

Leider ist das angesichts der politischen Verhältnisse unrealistisch. Aber eines sollte sich die nächste Generation der Landeshauptleute, die dem Tiroler Platter, dem Steirer Hermann Schützenhöfer und auf mittlere Sicht auch dem Salzburger Wilfried Haslauer folgt, doch zumuten: eine Reflexion der bisherigen Pandemiezeit. Vielleicht wächst aus einer schonungslosen Bilanz ein neues Selbstverständnis, das der Republik ein Stück Schwerfälligkeit nimmt. (Gerald John, 13.6.2022)