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Die Regierungsvertreter haben am Dienstag bei der Präsentation des Entlastungspakets gar nicht genug Superlative gefunden, um zu beschreiben, was sie da tun. Es sei ein "riesiges Paket", sagte Vizekanzler Werner Kogler, Sozialminister Johannes Rauch sprach von einem "nationalen Kraftakt" gegen Armut, bei der ÖVP dominierte das Attribut "Megaentlastung".

Und die Maßnahmen können sich sehen lassen. Nach Rechnung der Regierung sollen Bürgerinnen und Bürger bis 2026 um 26 Milliarden Euro entlastet werden. Auch wenn solche Zahlen mit Unsicherheiten behaftet sind, weil viele Annahmen über die weitere Wirtschaftsentwicklung drinstecken: Das Paket ist groß. Ihm ist anzusehen, dass ÖVP und Grüne, angetrieben von stetig höheren Inflationswerten und schlechteren Umfrageergebnissen, dafür sorgen wollten, dass es nicht wieder heißt: Die Koalition tut zu wenig.

Politisch ist das alles in Ordnung. Die Abschaffung der kalten Progression versprechen ja alle Parteien seit längerem, so auch Grüne und ÖVP. Und dass eine umfangreiche Entlastung kommen soll, war die Forderung nahezu aller Interessenvertreter und aller politischen Gruppen. Die Regierung konnte sich dem also kaum entziehen.

Dass es politisch keinen Einwand gibt, heißt aber noch nicht, dass die Maßnahmen wirtschaftspolitisch und sozial Sinn ergeben. Und hier stellen sich Fragen und ergeben sich Zweifel. Richtig ist, dass tatsächlich beinahe alle vom Geldregen profitieren sollen. Aber nicht gleich stark. Größter Gewinner ist die (obere) Mittelschicht, die für die kalte Progression nun zeitnah abgegolten wird. Das wollte die ÖVP.

Grünen bemühen sich ...

Demgegenüber haben sich die Grünen bemüht, auch einen sozialen Ausgleich zu schaffen. Das ist aber nur teilweise gelungen: Ein Erfolg ist, dass bestimmte Sozialleistungen wie Familienbeihilfe und bestimmte Absetzbeträge, etwa für Alleinverdienerinnen, künftig mit der Inflation auch automatisch angepasst werden und steigen.

Für Arbeitslose, Notstandshilfebezieher und Studierende gibt es darüber hinaus Extra-Einmalzahlungen von 300 Euro. Aber diese Maßnahmen wirken eben nur einmalig, während die Abschaffung der kalten Progression, die auch Spitzenverdienern hilft, einen dauerhaften Effekt hat und mit bis zu 17 Milliarden Euro auch deutlich stärker bei den Kosten ins Gewicht fallen wird. Auch der höhere Klimabonus wird an alle ausgeschüttet, hilft also sozial Schwächeren, aber auch Millionären. Das kommt Helikoptergeld schon nahe.

Und das geschieht, obwohl die Inflation gerade nicht alle gleich stark trifft, sondern bei Ärmeren stärker zu spüren ist. Wer mietet, zahlt eher drauf durch die Valorisierung bei den Mietverträgen als Eigenheimbesitzer. Geringverdiener spüren die höheren Kosten für Lebensmittel und Energie, weil sie viel mehr von ihrem Einkommen dafür aufwenden müssen als Wohlhabende. Dass im unteren Drittel der Einkommensbezieher eine Entlastung notwendig ist, daran hat niemand Zweifel. Aber entlastet wird auch in der Mitte und oben, und zwar kräftig.

... aber soziale Schieflage bleibt

Das führt zu einer sozialen Schieflage im Paket, schafft aber weitere Probleme. Für die Zukunft zeichnen sich zwei Szenarien ab. Im Idealfall wirkt sich der Geldregen des Staates massiv ab Anfang des kommenden Jahres aus, wenn als Folge des Ukraine-Kriegs und der hohen Inflation die Konjunktur endgültig einzubrechen beginnt. Dann wird auch die Inflation gedämpfter sein, und das Geld vom Staat kommt genau zur rechten Zeit, um die Konjunktur zu beleben.

Im schlechtesten Fall aber wird der Geldregen die Inflation weiter anfachen. Ja, die Teuerung ist aktuell größtenteils auf die Kostensteigerungen bei Energie zurückzuführen. Aber die Inflation erreicht immer mehr Lebensbereiche, was daran liegt, dass letztlich die Nachfrage das am Markt vorhandene Angebot übersteigt – ob nun bei Autos, Laptops oder Handwerkern. Wenn nun nochmals Geld ausgeschüttet wird, könnte das die Nachfrage weiter anfachen.

Dazu kommt, dass parallel schon ein Entlastungspaket umgesetzt wird, die Einkommenssteuer sinkt heuer und im kommenden Jahr, die Gewinnsteuern ab 2023. Das wurde bereits im vergangenen Jahr fixiert. Im Worst Case also facht die Regierung die Inflation an, die Ärmere dann stärker spüren – aber es wird dem Staat dann Geld fehlen, um nochmals zu entlasten, weil die kalte Progression abgeschafft wurde und damit nicht mehr laufend mehr Geld in die Staatskasse gespült wird.

Auch das müsste noch kein Drama sein, Steuern lassen sich erhöhen im Bedarfsfall. Aber genau das ist zumindest bei der ÖVP ein ideologisches Tabu. Das Entlastungspaket ist so gesehen eine riskante Wette auf die Zukunft. (András Szigetvari, 14.6.2022)