Das Energiesystem in Texas – hier Infrastruktur in Houston – litt unter Wintersturm Uri.

Foto: Reuters / Go Nakamura

Texas erlebte 2021 eine besondere Kälteperiode. Über fünf Tage hinweg sorgte Wintersturm Uri für Temperaturen bis zu minus 15 Grad Celsius. Im südlich gelegenen US-Bundesstaat ist das ein seltenes Ereignis, das durchschnittlich nur alle paar Jahrzehnte vorkommt. Diesmal hatte die Kältewelle schwerwiegende Folgen für den Energiesektor.

Denn auch der Strombedarf war – nicht zuletzt aufgrund vieler strombetriebener Heizungen – in dieser Zeit außergewöhnlich hoch. Maßgebliche Teile der Infrastruktur fielen, über alle Energieträger hinweg, durch die Kälte aus. Der Strombedarf konnte nicht mehr gedeckt werden, Angebot und Nachfrage klafften weit auseinander.

Katharina Gruber vom Institut für Nachhaltige Wirtschaftsentwicklung der Universität für Bodenkultur (Boku) war mit der Modellierung von klimaabhängigen Energiesystemen beschäftigt, als sie auf das Ereignis in Texas aufmerksam wurde. Hätte eine geeignete Prävention die Probleme verhindern können? Wären am liberalen US-amerikanischen Strommarkt diese Vorbeugungsmaßnahmen überhaupt wirtschaftlich?

Gemeinsam mit Boku-Professor Johannes Schmidt und weiteren Kollegen suchte sie nach Antworten auf Fragen wie diese. Immerhin werden auch im Klimawandel Extremereignisse häufiger, und die Energieversorger sind angehalten, sich darauf vorzubereiten. Die Ergebnisse der Studie wurden schließlich im Journal "Nature Energy" publiziert.

Schäden in Milliardenhöhe

Die Ausfälle in Texas hatten enorme Konsequenzen. Die Energieversorger waren gezwungen, im Zuge sogenannter Rolling Blackouts große Verbrauchergruppen kontrolliert befristet vom Netz zu nehmen. Millionen Menschen waren davon betroffen. Die Schäden beliefen sich auf bis zu 200 Milliarden Dollar.

"Der größte Stromanteil kommt in Texas aus Gaskraftwerken, gefolgt von der Windkraft, deren Anteil gerade stark ausgebaut wird", erklärt Gruber. Viele der Gaskraftwerke verfügen angesichts der meist warmen Temperaturen über keine Gebäudehülle. "Oft reicht es, dass eine einzelne Pumpe kältebedingt ausfällt, um eine ganze Anlage lahmzulegen."

Um eine Kälteperiode wie jene 2021 durchhalten zu können, müssten aber nicht nur isolierende Bauten entstehen. Es braucht technische Nachrüstungen, aufwendige Testroutinen und ausreichende Gasreserven vor Ort, auf die man zurückgreifen kann. Windkraftanlagen müssten etwa beheizt sein, um Ausfälle zu vermeiden. Hohe Investitionen wären nötig, um das Energiesystem aufzurüsten und das Blackoutrisiko zu vermindern.

Dennoch wären diese Maßnahmen, zumindest im Durchschnitt aller durchgerechneten Szenarien, durchaus profitabel, ergaben die Simulationen der Forschenden. Allerdings: "In mindestens 16 Prozent der simulierten Fälle konnten die Ausgaben nicht vollständig gedeckt werden", erklärt Gruber. "Das Risiko eines Verlustes ist also ebenfalls nicht sehr gering."

Kosten für die Gesellschaft

Die letzte vergleichbare Kältephase in Texas war 1989. Das seltene Auftreten der Ereignisse, gepaart mit dem kurzfristigen Planungshorizont der Versorger, verhindert, dass über Verbesserungen von Anlagen nachgedacht wird. "Die Energieunternehmen haben bei einem Ausfall dieser Art lediglich Umsatzausfälle zu verbuchen. Die Kosten für die Gesellschaft sind aber um ein Vielfaches höher", betont Schmidt. Die Versorger müssen auch keine Strafzahlungen leisten, wenn vorhergesagte Kapazitäten nicht erfüllt werden können. "Gesetzliche Anreize, die Investitionen in die Versorgungssicherheit begünstigen, wären wichtig", ergänzt Gruber.

Gleichzeitig müsste für Schmidt auch abseits der technischen Maßnahmen gegen Kälteausfälle in Entwicklungen investiert werden, die das Stromnetz resilienter machten. Die Elektrizitätsversorgung sollte stärker mit den Nachbarbundesstaaten vernetzt werden – in Texas hat man sich gegen diesen Weg entschieden, weil man Angst vor Abhängigkeiten hatte. Zudem sollte die Nachfrageseite flexibilisiert werden. "Dazu gehören Maßnahmenpläne, die vorsehen, dass nichtkritische Industriebereiche schneller vom Netz gehen als die Haushalte", gibt Schmidt ein Beispiel.

Die Energieversorgung in Texas ist stark marktgetrieben. In Österreich herrscht dagegen ein hybrides System, in dem einerseits Strommärkte die Preise bestimmen, der Sektor aber andererseits auch massiv gefördert wird, um Versorgungssicherheit herzustellen. Doch gerade die aktuelle Energiepreiskrise, ausgelöst durch den Krieg in der Ukraine, zeige, dass auch dieses hybride System im Sinne der Konsumentinnen und Konsumenten noch verbessert werden könnte.

"Der Strompreis ist stark angestiegen, obwohl ein Teil der Anbieter – etwa von Wasser- oder Windkraft – Strom weiterhin sehr günstig produzieren kann", gibt Schmidt zu bedenken. "Aus Marktperspektive ergibt das Sinn. Die hohen Profite wirken sich jedoch nicht mindernd auf künftige Förderungen aus."

Staatliche Kompetenzen

Ein Alternative wäre es, die staatlichen Kompetenzen deshalb noch ein Stück weiter auszudehnen, so Schmidt. Vorbild könnte dabei das Energiesystem Brasiliens sein. Dort entscheide der Staat, wie viele neue Kraftwerke in Betrieb gehen. Entsprechende Zehnjahrespläne werden jährlich aktualisiert. Die Kapazitäten werden an den Bestbietenden vergeben. "Die Betreiber bekommen in der Folge lediglich die tatsächlichen variablen Kosten der Stromproduktion ersetzt, keinen Marktpreis", sagt Schmidt.

Dieser von einer zentralen Verteilung geprägte Ansatz könnte Schmidt zufolge auch besser durch die Unwägbarkeiten von klimabasierten Stromsystemen führen: In Brasilien hänge das Elektrizitätssystem bereits jetzt stark vom Klima ab. Trockenperioden beeinträchtigen die Verfügbarkeit von Strom aus Wasserkraft manchmal jahrelang. "Dort hat man gelernt, nicht mit steigenden Marktpreisen, sondern mit zentraler Steuerung und einer Flexibilisierung der Nachfrageseite auf das Problem zu reagieren." (Alois Pumhösel, 17.6.2022)