Weil alles spürbar teurer wird, setzt die türkis-grüne Regierung Maßnahmen. Aber bringen sie auch was?

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Eines muss man der türkis-grünen Regierung lassen: Sie hat erkannt, dass das Problem der Inflation ernst ist. Nach zwei Entlastungspaketen folgte Dienstagfrüh ein drittes, das es in sich hat. Laut Regierung werden fünf Milliarden Euro unmittelbar bewegt, 28 Milliarden bis zum Jahr 2026. Kernbestandteile: die Indexierung von Sozialleistungen, Verschiebung des CO₂-Preises, die Abschaffung der kalten Progression. Aber wer profitiert wovon?

Beispiel 1: Ein Paar mit Durchschnittslöhnen und zwei Kindern

Ein Ehepaar mit zwei Kindern, wohnhaft in Graz, durchschnittliche bis unterdurchschnittliche Monatsgehälter von 1.500 bis 2.500 Euro monatlich: Wie viel profitiert diese Familie im heurigen Jahr und den darauffolgenden? Anhand von Unterlagen aus dem Finanzministerium und Gesprächen mit Ökonomen und Steuerexpertinnen versucht sich DER STANDARD an einer Beispielrechnung.

Die höchsten Summen winken dieses Jahr. Denn die Regierung schüttet heuer durchaus großzügige Einmalzahlungen aus. Vorteil: Zumindest kurzfristig bringen sie deutliche Entlastungen. Nachteil: Dabei bleibt es dann auch weitgehend; denn in den kommenden Jahren werden die Zahlungen deutlich geringer.

In Summe ergibt sich für die Familie eine Entlastung von rund 2.600 Euro für das Jahr 2022. Das Gros davon resultiert aus einer Steuerentlastung von rund tausend Euro, die sich aus erhöhtem Familienbonus und Absetzbetrag ergibt. Dazu kommt der sogenannten Geld-zurück-Bonus, eine Einmalzahlung von 250 Euro pro Erwachsenen. Dazu gibt's den erhöhten Klimabonus, der (im Fall Graz) statt 133 Euro nunmehr 250 Euro beträgt. Für die beiden Kinder winken ebenfalls der Klimabonus und der Geld-zurück-Bonus, wenn auch nur in halber Höhe. Zuletzt gibt es eine einmalige Zusatzzahlung zur Familienbeihilfe, für beide Kinder nochmals 260 Euro.

All diese Zahlungen erfolgen allerdings zu unterschiedlichen Zeitpunkten: Etwa werden Klima- und Geld-zurück-Bonus im Herbst überwiesen, während die Steuererleichterungen erst Anfang des nächsten Jahres schlagend werden.

In den kommenden Jahren kann die Familie mit weiteren Entlastungen rechnen – aber geringen. Sie betragen circa 1.300 Euro pro Jahr. Dies ergibt sich aus dem Ausgleich der kalten Progression und der Inflationsanpassung der Familienbeihilfe. Letztere bringt ungefähr 20 Euro pro Monat zusätzlich.

Beispiel 2: Ein Pensionistenpaar in Villach mit Durchschnittspension

Wie schon bei der Familie aus Graz zeigt sich auch bei den Pensionisten in Villach: Die größten Zahlungen gibt es eindeutig dieses Jahr. Danach geht es deutlich hinunter mit den Entlastungen.

Bundeskanzler Karl Nehammer (rechts) und Vize Werner Kogler präsentierten am Dienstag das bisher größte Entlastungspaket gegen die Teuerung.
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Konkret: Bei Monatspensionen von 1.100 bis 1.300 Euro brutto – das entspricht ungefähr dem Durchschnitt in Österreich – lukriert das Paar im heurigen Jahr circa 1.500 Euro zusätzlich.

Woraus ergibt sich diese Summe? Der Großteil kommt aus dem Absetzbetrag bei der Steuer (rund 730 Euro für Mann und Frau gemeinsam). Der Rest ergibt sich aus den Boni: Der sogenannte Geld-zurück-Bonus, der nichts anderes ist als eine Einmalzahlung für jeden Erwachsenen im Land, beträgt pro Person 250 Euro. Der Klimabonus beträgt darüber hinaus statt 166 Euro nunmehr 250 Euro ab Oktober.

Die Entlastung 2022 ist also signifikant – wie aber sieht es längerfristig aus? Hier profitiert das Pensionistenpaar einzig von der Abschaffung der kalten Progression: also des (bisherigen) Umstands, dass man inflationsbedingt mehr Lohnsteuer zahlte, obwohl man hinsichtlich der Kaufkraft gar nicht mehr verdiente als zuvor. Da Pensionszahlungen ebenfalls lohnsteuerpflichtig sind, schlägt diese kalte Progression auch bei den Pensionisten zu.

Grob gerechnet spart das Paar aufgrund von deren Abschaffung ab dem kommenden Jahr ungefähr 300 Euro pro Jahr und Person. Weitere Entlastungen gibt es für die Pensionisten aber nicht. Denn die Senkung der Lohnnebenkosten wirkt sich nur für Beschäftigte aus; und von der Indexierung von Sozialleistungen à la Familienbeihilfe und Kinderbetreuungsgeld profitieren vor allem Familien.

Einzig die Inflationsanpassung des Kranken- und Reha-Geldes könnte eventuell auch den Pensionisten zugutekommen – falls es zu einem Krankheitsfall kommt.

Beispiel 3: Eine alleinerziehende Teilzeitangestellte mit Kleinkind

Inwiefern profitieren nun wahrhaft Geringverdienende vom Entlastungspaket der türkis-grünen Regierung? Zum Beispiel: eine alleinerziehende Mutter mit Kleinkind in Wien, die in Teilzeit 800 Euro brutto pro Monat verdient – eine Summe, die vom Arbeitsmarktservice (AMS) bis zur Mindestsicherungsgrenze aufgestockt wird.

Wenn der Einkaufswagen richtig voll werden soll, wird es derzeit teuer.
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Sie bekommt heuer eine Entlastung von knapp 1.600 Euro. Diese Summe ergibt sich zu wesentlichen Teilen aus einer Steuererleichterung in Form eines Absatzbetrags (250 Euro für das heurige Jahr), der Aufstockung des Kindermehrbetrages (200 Euro) und einer Einmalzahlung für alle Bedürftige (300 Euro). Dazu kommen die bereits erwähnten Boni: Klimabonus jeweils für Mutter und Tochter, Geld-zurück-Bonus (siehe auch Spalten links) ebenso wie die einmalige Zusatzzahlung zur Familienbeihilfe in Höhe von 180 Euro.

Längerfristig betrachtet, über mehrere Jahre, profitiert die Alleinerziehende in den nächsten Jahren mit ungefähr 300 Euro pro Jahr vom Entlastungspaket. Diese Summe resultiert zum Gutteil aus der Anpassung der Familienbeihilfe an die Inflation ab kommendem Jahr. Dieser Schritt erhöht die Beihilfe um ungefähr 20 Euro monatlich; im ganzen Jahr beträgt das Plus daher rund 240 Euro.

Darüber hinaus winken ihr grob 120 Euro jährlich aus der Abschaffung der kalten Progression. Hier allerdings tritt ein Problem des aktuellen Entlastungspakets deutlich zutage: Geringverdienerinnen, die keine Lohnsteuer entrichten, fielen bisher auch nicht der kalten Progression zum Opfer – denn sie resultiert ja daher, dass man inflationsbedingt mehr an Lohnsteuer bezahlte, als man aufgrund seines Einkommens entrichten sollte. Dementsprechend wird bei den Geringverdienern die kalte Progression auch nur im geringen Maße abgegolten. Wie sich auch an diesem Beispiel zeigt, profitieren sie kaum. (Joseph Gepp, 14.6.2022)