Fed-Chef Jerome Powell hat die Zinsen weiter angehoben. Mit einem massiven Schritt wollen die Währungshüter die steigende Inflation in den Griff bekommen. Höhere Zinsen verteuern aber die Finanzierungskosten. Das könnte die Konsumlust der Amerikaner trüben, was negative Folgen für das Wirtschaftswachstum hätte. Die Gefahr einer Rezession steht im Raum.

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Im Kampf gegen die hohe Inflation haben die Experten der US-Notenbank Fed den Leitzins so kräftig angehoben wie seit 1994 nicht mehr. Am Mittwoch wurde eine Erhöhung um 0,75 Punkte auf die neue Spanne von 1,50 bis 1,75 Prozent fixiert. An den Finanzmärkten war angesichts der jüngst überraschend auf 8,6 Prozent gestiegenen Teuerungsrate ein Schritt in dieser ungewöhnlichen Größe bereits erwartet worden. Die Inflation ist in den USA so hoch wie seit 40 Jahren nicht mehr.

Die Währungshüter signalisierten zugleich, dass sie dieses Jahr noch mehrfach nachlegen werden, um die Inflation in Schach zu halten. Sie peilen für das Jahresende im Schnitt ein Zinsniveau von 3,4 Prozent an. Im März hatten sie noch einen Wert von 1,9 Prozent ins Auge gefasst. Auf längere Sicht wird ein Zinsniveau von 2,5 Prozent anvisiert. Im März hatten die Währungshüter 2,4 Prozent angepeilt.

An den Finanzmärkten hatte sich zuletzt die Furcht breitgemacht, dass die Notenbank im Kampf gegen die Inflation die Zügel so stark anziehen könnte, dass die Wirtschaft in eine Rezession abzurutschen droht. Auch eine Gewinn-Rezession wird erwartet. Das würde bedeuten, dass die Gewinne der Unternehmen nicht mehr so stark steigen wie zuletzt.

Inflationsbekämpfung braucht Zeit

Doch auch die größte Zinserhöhung seit einem Vierteljahrhundert wird nicht zu einer sofortigen Linderung der Inflation führen. Es wird einige Zeit dauern, bis höhere Kreditkosten den Preisdruck verringern. Das könnte die Amerikaner erst mal mehr kosten – sie müssen aber für Benzin, Lebensmittel und so ziemlich alles andere ohnehin schon tiefer in ihre Brieftasche greifen. "Es wird eine unangenehme Zeit, in der die Inflation hoch ist und die Kreditkosten ebenfalls steigen werden", sagt Kathy Bostjancic von Oxford Economics.

Effekte für den Immobilien-Sektor

Einer der Sektoren, die die Fed genau beobachtet, ist der zinssensitive Immobilienmarkt, wo die Preise seit Beginn der Pandemie um 38 Prozent gestiegen sind. Der Anstieg wurde durch niedrige Kreditkosten angetrieben, die von der Fed eingeführt wurden, um die Wirtschaft gegen die Covid-19-Pandemie abzufedern, um einer steigenden Nachfrage und einem Mangel an zum Verkauf stehenden Immobilien gerecht zu werden.

Die Hypothekenzinsen sind bereits stark gestiegen, seit die Fed Ende vergangenen Jahres zu signalisieren begann, dass sie wahrscheinlich ihre Geldpolitik straffen würde, wobei der durchschnittliche Vertragszins für eine 30-jährige festverzinsliche Hypothek vergangene Woche 5,65 Prozent erreichte – das ist laut dem Verband der Hypothekenbanken der höchste Stand seit Ende 2008. "Die Hypothekenzinsen werden in den nächsten Wochen definitiv steigen", sagte Matthew Pointon, leitender Immobilienökonom bei Capital Economics. Die täglichen Hypothekendaten zeigen, dass der durchschnittliche 30-jährige Festzins jetzt bei etwa 6,28 Prozent liegt und möglicherweise in den nächsten Wochen die Marke von 6,5 Prozent überschreiten wird. Es wird noch schlimmer kommen, sagt Pointon, da die Hypothekenzinsen wahrscheinlich erst Mitte nächsten Jahres ihren Höhepunkt erreichen werden.

Kredite werden teurer

Wer einen ausstehenden Kredit ohne feste Zinssätze hat, wird nun eine Verteuerung bei den Kreditkosten spüren. Obwohl die Fed nicht kontrolliert, was Banken oder Autohändler für ihre Kredite verlangen, steigen die Kreditkartenzinsen und Autokredite normalerweise, wenn der Leitzins der Fed dies tut. Die Verschuldung der privaten US-Haushalte ist zuletzt rapide gestiegen, wobei die Verbraucherkredite im ersten Quartal um mehr als acht Prozent auf 1,5 Billionen US-Dollar gestiegen sind, wie eine aktuelle Fed-Umfrage ergab. Das könnte in Summe die Kauflaune der Amerikaner trüben, was sich auf das Wirtschaftswachstum durchschlagen kann.

Umgesetzt werden Zinserhöhungen schnell: Die US-Bank JPMorgan Chase & Co hatte unmittelbar nach der Verkündung der Fed-Zinserhöhung bekannt gegeben, ihre Kreditzinsen um 75 Basispunkte auf 4,75 Prozent anzupassen.

Noch keine Entspannung in Sicht

Die US-Notenbank rechnet im laufenden Jahr mit einer höheren Inflationsrate als noch vor drei Monaten angenommen. Die Teuerungsrate soll trotz der geplanten Erhöhungen des Leitzinses heuer durchschnittlich bei 5,2 Prozent liegen, eine Steigerung von 0,9 Prozentpunkten gegenüber der vorigen Prognose vom März, wie Daten der Zentralbank am Mittwoch zeigten.

Das Kerninflation, also ohne Berücksichtigung von Lebensmittel- und Energiepreisen, soll dieses Jahr demnach bei 4,3 Prozent liegen. Die Fed musste ihre Prognosen zur Inflationsentwicklung seit Beginn der Corona-Pandemie bereits mehrfach nach oben korrigieren. Die Fed ist den Zielen der Preisstabilität und Vollbeschäftigung verpflichtet.

"Ganz großer Schritt"

"Die Fed geht den ganz großen Schritt", sagt Thomas Altmann von QC Partners. Die Bekämpfung der Inflation habe im Moment ganz klar Vorrang vor der Stimulierung der Wirtschaft und der Unterstützung der Märkte. "Die Fed nimmt ganz bewusst in Kauf, dass die Landung der US-Wirtschaft möglicherweise weniger sanft ausfällt. Das ist der Preis für die aggressive Bekämpfung der Inflation", sagt der Markt-Experte.

Etwas weniger dramatisch beurteilt Alexander Krüger von der Hauck Aufhäuser Lampe Privatbank die Lage: "Die Fed lässt es beim Leitzins weiter krachen. Im Juli dürfte der nächste große Zinsschritt folgen", so der Experte. Aber: "Abkühlungszeichen am Immobilienmarkt werden die Fed danach aber weniger forsch zu Werke gehen lassen." Da auch die Bilanzschrumpfung das monetäre Umfeld straffe, steige bei ungehemmten Zinserhöhungen die Rezessionsgefahr. "Die Inflationsbekämpfung dürfte der Fed eine Rezession kaum wert sein. Letztlich wird der Leitzins weniger kräftig steigen, als es an den Finanzmärkten derzeit erwartet wird", sagt Krüger.

Wie geht es am Aktienmarkt weiter?

Die US-Börsen haben in den Tagen vor der Zinserhöhung ordentlich Terrain verloren. Es waren vor allem die Ängste vor einer Rezession, die hier Anleger aus dem Markt getrieben haben. "Die Fed ist entschlossen, alles zu tun, um die Inflation herunterzubringen. Diese Geldpolitik ist ein harter Test für den US-Aktienmarkt, der unter enormem Verkaufsdruck steht", sagt Naeem Aslam von Avatrade. Unglücklicherweise zeigen die Konjunkturdaten, dass sich die Lage noch weiter verschlechtern wird. Die Kursreaktionen waren laut Aslam bisher aber nicht so heftig, wie manche Anleger erwartet hatten. "In anderen Worten: Die Zinserhöhung um 75 Basispunkte war weitgehend eingepreist", sagt der Trading-Experte.

Dollar holt auf – Anleihen schwächeln

Die massive Zinserhöhung der Fed gab der Weltleitwährung neuen Auftrieb. Der Dollar-Index, der den Kurs zu wichtigen Währungen widerspiegelt, stieg um 0,5 Prozent auf ein 19,5-Jahres-Hoch von 105,79 Punkten. Staatsanleihen hingegen mussten Federn lassen, wodurch die Rendite der zehnjährigen T-Bonds auf 3,437 Prozent stieg.

Ob und wie gut sich der Aktienmarkt in den kommenden Wochen und Monaten erholen wird, wird stark davon abhängen, ob die Anleger glauben, dass es der Fed gelingen wird, die Inflation einzudämmen, ohne das Wachstum zu vernichten.

Am Mittwoch haben die US-Börsen jedenfalls fester geschlossen. Der Dow Jones beendete den Handelstag mit einem Plus von 1,00 Prozent bei 30.668,53 Punkten. Der S&P-500 gewann 1,46 Prozent auf 3.789,99 Zähler. Noch deutlicher nach oben ging es an der Nasdaq. Der Nasdaq Composite stieg um 2,50 Prozent auf 11.099,15 Zähler.

Beruhigend auf die Märkte könnten die begleitenden Kommentare des Fed-Chefs Jerome Powell gewirkt haben. "Erwarten Sie nicht, dass 75-Basispunkt-Anhebungen üblich werden", sagte Powell nach der Zinssitzung der Fed. (Reuters, Bettina Pfluger, 15.6.2022)