Die brasilianische Singer-Songwriterin und Perkussionistin Jabu Morales präsentiert in Krems mit der Band Forro Mior ihr gemeinsames Projekt "Ayom". Musikalisch reicht es von Südamerika bis Afrika.

Gianni Ugolini

Wir haben es schon fast geschafft. Bald ist es so weit, und der Sommer ist da: die meteorologische Komfortzone, die Wohlfühl- und Loslasszeit des Jahres. Einmal Dolce Vita, per favore, mit einer Extraportion Dolcefarniente!

Doch was tun mit den paar freien Tagen? Will man sich wirklich in Flugzeugsitze quetschen, eng wie ein Sarg (bestenfalls) oder ein Formel-1-Cockpit (Worst-Case-Szenario), um dann am überlaufenen Hotspot seiner Wahl ein paar instagramtaugliche Digitalbilder zu schießen? Will man nicht. Der vernunftbegabte Mensch erspart sich Ferien-Fron der pauschalen Art, weil er weiß, an welchen Orten der näheren Umgebung im Sommer die halbe Welt zu Gast ist: in Krems, zum Beispiel. Bei Glatt & Verkehrt.

Motto: "Neue Welt"

Im Innenhof der Winzer Krems, in der berühmten Sandgrube 13, werden bald wieder (ungefähr 800) Sessel aufgestellt, ein luftiges Dach wird aufgebaut, und natürlich auch eine Bühne. Und auf der gastiert dann an fünf hoffentlich lauschigen Abenden Ende Juli die "Neue Welt" – so lautet das diessommerliche Festivalmotto.

Aus Peru reist zum Beispiel Susana Baca an, gleich für einen Monat. Mit ihren 77 Jahren schon fast im Status einer lebenden Legende, setzt sich Baca in ihrem Programm Palabras Urgentes ("Dringende Worte") mit der reichen wie auch schmerzreichen Geschichte ihres Landes auseinander, in der sich wie in ihrer Musik afrikanische, indigene und europäische Einflüsse verbinden. (31. 7.)

Von Coltrane abwärts

Fast noch ein Eckerl legendärer als Baca ist Archie Shepp. Der US-amerikanische Saxofonist hat im Lauf seines 85-jährigen Lebens mit vielen Jazzheiligen von John Coltrane abwärts musiziert. Black Arts Movement forever! (28. 7.)

Neben viel Lebenserfahrung vertraut Festival-Mitgründer Albert Hosp aber auch auf jüngere Kräfte aus aller Welt – und auf den Zauber der Familienbande. Die Haas-Schwestern Brittany und Natalie musizieren am Eröffnungsabend auf seine Anregung hin mit den Mac-Gloinn-Brüdern Brian und Diarmuid von Ye Vagabonds: eine spannende musikalische Verschmelzung der USA mit Irland, von Neuer und Alter Welt. Der Weltreisende Christoph Ransmayr liest dazu drei Geschichten aus seinem Atlas eines ängstlichen Mannes. (27. 7.)

Relativ jung sind auch noch die drei Jazzfreunde von Interzone. Hosp hat Mario Rom, Lukas Kranzelbinder und Herbert Pirker für ein Konzertprojekt mit dem Perkussionisten Danyèl Waro verbandelt: La Réunion meets Tu felix Austria. (29. 7.)

Dark Side of the Moon

Ebenfalls von Festival-Mastermind Hosp wurde das Zusammenwirken von Michael Ruzitschka, Bernhard Schimmelsberger und Vincent Ségal initiiert, die im Projekt Novo Mondo musikalische Erfahrungen aus ihren Wahlheimaten Indien und Brasilien einfließen lassen. (31. 7.)

Und auch dafür, dass der Wachauer Otto Lechner Pink Floyds Album The Dark Side of the Moon erstmals komplett auf dem Akkordeon performen wird, ist Hosp hauptverantwortlich. Eine verwegene, eine tolle Idee. (30. 7.)

Debüts gibt es bei Glatt & Verkehrt natürlich auch wieder reichlich: zum Beispiel das des Trios Àššu mit der Sängerin Ulla Pirttijärvi, die eine Brücke von Skandinavien nach Westafrika bauen. (28. 7.)

Die drei Frauen von Las Lloronas lassen es eher ruhig angehen und entführen mit Klarinette, Ukulele und Akkordeon ans Mittelmeer und noch weiter weg. (29. 7.)

Pause mit Getränk

Und mit dem Sixpack von Ayom reist es sich auf unterhaltsame Weise transatlantisch von Südamerika einmal nach Afrika und wieder zurück. (30.7.)

Diesen Sommer wird es an den fünf Abenden bei Winzer Krems wieder jeweils zwei Konzerte geben; beide Sets dauern 80 Minuten, dazwischen gibt es eine Stunde Pause. Bei Winzern gibt es schließlich auch Wein. Das große Getriebe der Welt, es soll dann bitte schön auch einmal ein paar Tage Pause machen, Ende Juli, in den lauschigen Weingärten von Krems. (Stefan Ender, 18.6.2022)