Tom Hanks mag mit 65 Jahren rein äußerlich dem Klischee des alten, weißen Mannes entsprechen. Mit seinen jüngsten Äußerungen beweist der US-Star jedoch, dass er diesem Bild keineswegs entsprechen will. Denn in einem aktuellen Interview im New York Times Magazine vertrat Hanks die progressive Position, dass weder er noch ein anderer heterosexueller Schauspieler heute seinen Part in Jonathan Demmes Philadelphia (1993) spielen könnte – "und das zu Recht". Fehlende Authentizität würde mittlerweile nicht mehr akzeptiert werden, so Hanks. Und: Er habe mit diesem Mentalitätswandel in Hollywood kein Problem.

Tom Hanks will dem Klischee des alten, weißen Mannes nicht entsprechen.
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Zur Auffrischung: Hanks verkörperte in dem Filmdrama einen schwulen Mann, der aufgrund seiner HIV-Infektion am Arbeitsplatz diskriminiert wird. Die Rolle brachte ihm seinen ersten Oscar ein. Mit seiner aktuellen Auffassung bewegt sich Hanks im Konsens all jener, die für mehr Diversität im Filmgeschäft, mithin für die Inklusion marginalisierter Bevölkerungsgruppen eintreten. Die Debatte polarisiert: Befürworter solcher Gleichstellungsstrategien, heißt es, würden an der falschen Schraube drehen. Kurz vor Hanks plädierte eine New-York- Times-Kolumnistin dafür, Schauspieler einfach ihren Job machen zu lassen. "Gute Schauspieler sind in der Lage, einen Weg zu finden, Menschen zu porträtieren, die nicht so sind wie sie selbst", schrieb Pamela Paul.

Produzieren falscher Bilder

Das Argument erscheint auf den ersten Blick triftig, Schauspiel ist die älteste Kunst der Anverwandlung, es geht im Kern um das Als-ob. Dem steht jedoch eine lange Geschichte von stereotypisierenden Rollen entgegen, mit denen weiße Darstellerinnen und Darsteller Minderheiten ins Essenzielle verkürzt und damit falsche Bilder reproduziert haben – man muss dafür nicht einmal so weit zurück wie bis zur Praxis des Blackfacing oder antisemitischer Darstellungen gehen.

Abgesehen davon geht es um die Frage des Zugangs, der Öffnung von Produktionsstrukturen in der Film- und Theaterwelt, in der sich die Privilegien der Mehrheitsgesellschaft abbilden. Indem man Rollen von Minderheiten an ebensolche vergibt, fächert man nun das Feld der Möglichkeiten neu auf. Die Gefahr, dass dabei andere Ungleichheiten entstehen, also etwa eine marginalisierte Gruppe mehr Chancen erhält, ist angesichts der Machtverteilung vernachlässigbar.

Das Dilemma, dass Schauspiel gar nicht so viel mit der Authentizität der Darstellenden zu tun hat, wird man damit allerdings nicht auflösen können. Letztlich ist es eine politische und keine künstlerische Entscheidung, für ein Figurenrepertoire mit Vielfalt zu sorgen. Die Utopie liegt jenseits identitätspolitischer Casting-Entscheidungen, nämlich in einem nichttraditionellen Casting, das weder ethnische Zugehörigkeit noch Hautfarbe oder das Geschlecht berücksichtigt. Dafür müssen erst die Voraussetzungen geschaffen werden. Dass es funktioniert, haben Serien wie Bridgerton und Filme wie David Copperfield von Armando Iannucci oder die Schnitzler-Bearbeitung Die Ärztin am Wiener Burgtheater bewiesen. (Dominik Kamalzadeh, 17.6.2022)