Billie Joe Armstrong von Green Day schwitzte sich am Sonntag mit seinem Publikum durch einen frenetisch empfangenen Gig im Wiener Ernst-Happel-Stadion.

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Der große Bruder des Duracell-Hasen war auch da. Der heißt Drunk Bunny, besoffener Hase. Was sich anhört wie ein Rezept für Hoppel in Alkohol, war ein Animateur, der das Publikum des Ernst-Happel-Stadions am Sonntag auf das einstimmte, was gleich folgen sollte: Party, kontrollierter Kontrollverlust, rücksichtsvolles Auszucken. Man kennt derlei Figuren. Arme Schlucker in Mc-Jobs in würdelosen Outfits, die Kundschaft keilen. Oft halten sie ein Schild in der Hand, und ein guter Tag ist einer, an dem niemand vorbeikommt, der einen erkennt.

Bei der US-Band Green Day steckt im Hasenkostüm wahrscheinlich ein Roadie. Der Drunk Bunny betrat zu Blitzkrieg Bop von den Ramones mit Bierflasche die Bühne und tänzelte zu herum. Lustig.

"Let's go crazy!"

Dann traten US-Amerikaner die Tür mit American Idiot ein. Punkrock auf stadiontauglich. Dafür sind Green Day bekannt, berühmt gar, beliebt. Schließlich machten sie kurz nach der Grunge-Explosion Punkrock auch noch Mainstream-tauglich. Ein Umstand, mit dem sie als Punk-Band bis heute irgendwie hadern, weil, das ist die alte Leier, wie kann man Punk sein, aber im Geldspeicher wohnen? Irgendwer findet sich für diese Diskussion immer – so sinnlos sie auch ist.

Billie Joe Armstrong, auch schon 50 Jahre unter uns, der kleine Anführer dieses großen Trios (live zu viert) machte ziemlich Druck, animierte mit "Hello Vienna, Austria! Let's go crazy!" und ähnlichen Kampfrufen das Publikum. Das ergab sich bereitwillig, waren es 30.000 oder 40.000? Das Oval wies ein paar ordentliche Lücken oben auf den Rängen auf, der Stimmung war das nicht abträglich.

Kajal und Tinte

Für Know Your Enemy wurde eine Dame aus dem Publikum als zweite Stimme engagiert, die hatte sichtlich Vergnügen an diesem unerwarteten Gig, Armstrong streckte sich für ein Bussi rüber, "Danke, Schatzi". Ekstase im Publikum, der Billie ist ein Bursch.

Armstrong lief, schwitzte, solierte im Nacken (ur-unpunkig) und brüllte sich durch Songs, die sich millionenfach verkauft haben, seit die Band mit dem Album Dookie 1994 von den linken Bay-Area-Punks in besetzten Häusern zu Penthouse-Bewohnern mutierten.

Angetan in schwarzes Tuch, Kajal und Tinte, hielt er die Stimmung. Abwechslung bescherte Drummer Tré Cool, dessen Spiel immer wieder beim Rockabilly Anleihen nahm. Armstrong, mit der Energie mehrerer Batteriehasen, motivierte das Stadion zu einem Lichtermeer – zehntausende Smartphones im Taschenlampenmodus – , dazwischen böllerte es von der Bühne, die Freuden der Pyrotechnik. Super. Gekreisch.

Einfach und eingängig

Boulevard Of Broken Dreams nahm die Geschwindigkeit raus, später wurde noch einmal jemand aus dem Publikum gefischt, der Gitarre spielen durfte. Szenenapplaus. Good Riddance (Time Of Your Life) ging akustisch runter, und mittendrinnen wurden Kiss gecovert: Rock and Roll All Nite. Das fügte sich ins Programm wie eine Eigenkomposition, einfach und eingängig.

Das können Green Day, das haben sie gezeigt, das man gewusst, das wurde bestätigt, das Publikum war hin und weg – was will man an ein einem warmen Sommerabend mehr? Karl Fluch, 20.6.2022)