Sie ist das wohl beliebteste Naherholungsgebiet der Wienerinnen und Wiener im Sommer – und sie liegt mitten in der Stadt: die Donauinsel. Dann, wenn die Temperaturen am Thermometer immer weiter nach oben klettern und an den 30 Grad kratzen oder diese Marke sogar übersteigen, wird die eigentlich unbewohnte Insel von Sonnenanbeterinnen, Sportelnden und Badefreudigen bevölkert.

Baden gehen die Wienerinnen und Wiener im Sommer an der Donau.
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Dass es heute keine dauerhaften Inselbewohnerinnen gibt, ist allerdings gar nicht so selbstverständlich. Urbanes Wohnen am Wasser boomt, wie zahlreiche Immobilienprojekte zeigen – sei es der "Marina Tower" am Handelskai mit direktem Zugang zum rechten Donauufer, die Nobelsiedlung "The Shore" samt Privatstrand an der Kuchelauer Hafenstraße oder die Luxusanwesen "Wohnen mit Boot" in der Argonautenstraße an der Alten Donau. Mit der Seestadt Aspern ist sogar der soziale Wohnbau auf den Trend aufgesprungen. Die Donauinsel jedoch behauptet sich erfolgreich gegen Begehrlichkeiten aus der Immobilienbranche. Doch wie ist das eigentlich möglich? Und wird das dauerhaft so bleiben?

Pläne für einen Bahnhof

Ausschlaggebend für die Sonderstellung der Donauinsel sei ihre rechtliche Basis, sagt Andreas Hofer vom Institut für Städtebau der Technischen Universität Wien im Gespräch mit dem STANDARD. Die gesamte Fläche ist als Schutz- und Erholungsgebiet gewidmet. Theoretisch könnte das zwar per Gemeinderatsbeschluss geändert werden, Hofer hält das aber für unrealistisch: "Aus aktueller Sicht ist ausgeschlossen, dass das passiert." Das liege daran, dass die Donauinsel einen unschätzbaren Wert als Naherholungsgebiet habe, das noch dazu ohne Auto erreichbar sei. "So sparen wir uns Tonnen an CO2. Sehenden Auges wird man das nicht aufgeben, das ist gut überlegt."

Die "Alte Donau" ist Erholungsgebiet der Wienerinnen und Wiener.
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Bis sich dieser Konsens durchsetzte, war es allerdings ein weiter, holpriger Weg. Das liegt daran, dass die Insel nicht um ihretwillen gebaut wurde, sondern eigentlich nur ein Nebenprodukt der Donauregulierungen ist. Diese wurden notwendig, da es zwischen Nußdorf und Albern aufgrund der Aufsplitterung in zahlreiche Donauarme immer wieder zu Überschwemmungen in den nahe gelegenen Siedlungsgebieten kam. Im 19. Jahrhundert entschied man sich daher, ein neues Donaubett zu gestalten. Das rund 285 Meter breite Strombett erhielt damals am linken Ufer ein 475 Meter breites Überschwemmungsgebiet. Mit der Donauregulierung entstand auch die "Alte Donau", das nun vom Hauptstrom abgetrennte ehemalige Hauptbett des Flusses, das als Erholungsgebiet gestaltet wurde – wenige Jahre danach wurde das Gänsehäufel gebaut.

Die 21 Kilometer lange Donauinsel trennt den Hauptstrom von der sogenannten "Neuen Donau" (im Bild rechts).
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Nach Hochwassern und Überschwemmungen wurde im Jahr 1972 – also vor genau 50 Jahren – der Prozess zur zweiten Donauregulierung gestartet. Im ehemaligen Überschwemmungsgebiet entstand bis 1987 im Zuge des Baus eines Entlastungsgerinnes – heute bekannt als "Neue Donau" – die mehr als 20 Kilometer lange und bis zu 300 Meter breite Donauinsel. Wie diese riesige Fläche genutzt und in die Stadt integriert werden sollte, war zu Beginn der Bauarbeiten völlig unklar – was auch zu heftigen politischen Kontroversen führte. Eilig schrieb die Stadt daher einen Ideenwettbewerb aus. Erste Resultate, die 1974 vorlagen, bilden eine Brücke zur Gegenwart: Die Idee vom Wohnen am Wasser faszinierte Planer nämlich schon damals. Mehrere Beiträge regten an, die Insel mit Wohnhäusern und Gewerbebetrieben zu bebauen. Sogar den Vorschlag, die Insel mit einem Zentralbahnhof zu bebauen, gab es.

Bereits in dieser frühen Phase wurden aber auch Einwände gegen derartige Nutzungen laut: "Ein Baulandbedarf, der eine Bebauung im Projektgebiet erzwingen würde, besteht nicht", lautete eine Schlussfolgerung aus dem Wettbewerb. Und: "Eine Wohnbebauung auf der Donauinsel ist zurückhaltend zu beurteilen, weil die mikroklimatischen Bedingungen nicht optimal sind."

Insel muss Insel bleiben

Städtebauexperte Hofer ist überzeugt, dass Wohnbau auf der Donauinsel auch heute noch seine Anhänger finden würde. "Wenn man Immobilienentwickler auf die Insel loslassen würde, würde es sicher sofort Konzepte und Pläne geben." Der Blick auf Grün und Blau sei eben ein attraktives Verkaufsmerkmal. Wohnen mit Erholung zu verbinden sei grundsätzlich auch ein sinnvolles Ziel, sagt Hofer. Aber: "Aus stadtplanerischer Sicht und im Sinne des Allgemeinwohls darf man das nicht überall erlauben."

Genau diese Sichtweise setzte sich im Rahmen des Wettbewerbs schließlich auch für die Donauinsel durch: Die Wettbewerbsjury gab die Empfehlung ab, die Charakteristika der Stromlandschaft zu erhalten und die Insel in überwiegendem Maße für Erholungszwecke zu nutzen. Zwei Katalysatoren trugen maßgeblich zu dieser Haltung bei. Erstens: der erstarkende Natur- und Umweltschutzgedanke. Zweitens: geänderte Arbeitszeitregelungen, die der Bevölkerung mehr Freizeit einräumten und die Nachfrage nach Erholungsarealen steigen ließen.

1977 wurde diese Vision konkretisiert. Landschaftsplaner gliederten die Insel in drei Zonen: naturnah gestaltete wilde Bereiche im Norden und Süden und einen parkähnlichen Bereich im Zentrum. Die wilden Randzonen seien ein "ganz wichtiges Asset" der Donauinsel, sagt Hofer. Dennoch wäre es aus seiner Sicht überlegenswert, die vielen Freizeitangebote in der Mitte zu dezentralisieren. "Man könnte etwa darüber nachdenken, sich für das südliche und nördliche Drittel Nutzungen für die weniger attraktiven Jahreszeiten zu überlegen", regt er an. "Aber ja nicht Platz für Wohnen machen, ja nicht verbauen." (Stefanie Rachbauer, Oona Kroisleitner, 23.6.2022)