Gerhard Jelinek übernimmt am 1. Juli von Sigrid Pilz die Leitung der Wiener Pflege-, Patientinnen- und Patientenanwaltschaft.

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Jetzt ist es amtlich: Bevor man im rot-pink regierten Rathaus eine grüne Patientenanwältin weiterwerken lässt, holt man lieber einen Richter aus dem Ruhestand zurück. Am 1. Juli übernimmt, wie am Dienstag offiziell verkündet wurde, der 65-jährige pensionierte Gerichtspräsident Gerhard Jelinek die Leitung der Wiener Pflege-, Patientinnen- und Patientenanwaltschaft. Seine Vorgängerin, die grüne Ex-Gemeinderätin Sigrid Pilz, hatte den Posten zehn Jahre inne.

Die Neubesetzung ist aus zwei Gründen ein fragwürdiges Signal. Erstens, weil die Bestellung jeglichen Anspruch auf frischen Wind, Erneuerung und Aufbruch missen lässt. Zwar gibt es mit Jelinek nun ein neues Gesicht für Patientinnen- und Patientenrechte. Aber wieder einmal ging ein gutdotierter Posten an einen Mann.

Das ist nicht die Schuld Jelineks. Er hat sich im Rahmen einer öffentlichen Ausschreibung gegen 23 andere Bewerbungen – auch jene von Pilz – durchgesetzt. Die Stadt Wien muss sich allerdings dringend fragen, wie sie viel mehr ebenso gut qualifizierte Jüngere oder Frauen für derartige Posten interessieren und zu einer Bewerbung ermutigen kann.

Ein möglicher Ansatzpunkt wäre ein transparenterer Umgang mit derartigen Besetzungen. Den lassen die Regierungsparteien SPÖ und Neos nämlich missen. Anstatt die Bestellung Jelineks in einer Sitzung mit Vertretern allen Parteien rechtzeitig zu diskutieren, wurde wenige Tage vor dem Wechsel lediglich ein Beschlusspapier zur Unterschrift durchs Rathaus gereicht. Eine derartige Vorgehensweise ist besonders bei politisch heiklen Rochaden wie dieser unklug. Sie befördert – und das ist der zweite fragwürdige Aspekt an der Umbesetzung – den Eindruck, dass sich die SPÖ ohne viel Aufsehen einer Erinnerung an die Zeit der rot-grünen Koalitionen entledigen wollte.

Beruhigend ist vor diesem Hintergrund, dass der neue Patientenanwalt Gerhard Jelinek in der Vergangenheit Mut zu deutlichen Worten gegenüber Regierenden bewiesen hat. Vor einigen Jahren etwa nahm er angesichts des Spardrucks in der Justiz den damaligen türkisen Bundeskanzler Sebastian Kurz in die Pflicht. Gemeinsam mit anderen Kollegen aus der Justiz kreidete er die "unverantwortlichen Sparpolitik" der Regierung an. Bleibt zu hoffen, dass er diesen Mut auch gegenüber der Wiener Landesregierung zeigt. (Stefanie Rachbauer, 21.6.2022)