In einem handelsüblichen Beutel Kräutertee fand sich sequenzierbares genetisches Material von erstaunlich vielen Tierarten.

Klaus Taschwer

Vor fünf Jahren bestätigte eine Studie, was die Älteren von uns aus eigener Anschauung kennen: Waren in den 1970ern und 1980ern die Windschutzscheiben von Autos nach langen Fahrten noch übersät mit Insektenleichen, so ist das heute längst nicht mehr der Fall. Einem Forscherteam gelang 2017 eine Quantifizierung des Insektensterbens in unseren Breiten: Zwischen 1989 und 2016 sank die Zahl der Fluginsekten in Regionen in und um Nordrhein-Westfalen um mehr als 75 Prozent.

Solche Vergleichsstudien sind nicht nur extrem aufwendig. Sie tragen selbst auch ein wenig zum Insektensterben bei, da die Tiere in Fallen gefangen werden müssen. Mittlerweile gibt es aber andere und raffinierte Methoden, der Biodiversität in der Natur auf die Spur zu kommen: durch sogenannte Umwelt-DNA (environmental DNA, eDNA). Organismen hinterlassen in der Umwelt, in der sie leben, durch Körperausscheidungen oder abgestoßene (Haut-)Zellen Erbgutschnipsel, die sich sequenzieren lassen.

Diese neue Möglichkeit, quasi überall in der Umwelt – im Wasser, im Boden oder auf Pflanzen – eDNA sammeln zu können, hat dem Biomonitoring – also der Beobachtung und Überwachung von Tieren und Pflanzen – in den letzten Jahren enorme Fortschritte verschafft. Die Vorteile liegen auf der Hand: Es braucht keine tödlichen Fallen mehr, und alle etwa mit Pflanzen in Kontakt kommenden Gliederfüßer (Insekten, aber auch Spinnen und andere Krabbeltiere) werden entdeckt, wenn man eDNA auf Pflanzen analysiert.

Verbesserte Analysen

Bei Pflanzen haben Forschende Umwelt-DNA bisher vor allem von der Oberfläche entnommen. Das Problem dabei: Die genetischen Spuren werden durch UV-Licht abgebaut oder von Regen weggespült. Eine weitere Einschränkung besteht darin, dass auf diese Weise vor allem Insekten auf der Oberfläche der Pflanze berücksichtigt werden, und weniger die, die in der Pflanze leben.

Ein Team um Henrik Krehenwinkel (Uni Trier) hat diese Methode deshalb weiterentwickelt: Es hat Umwelt-DNA in zerkleinertem, getrocknetem Pflanzenmaterial gesucht – und gefunden. Wie gut das funktioniert, haben die Forschenden anhand von gewöhnlichen Kräuterteebeuteln (Kamille und Löwenzahl) demonstriert. In einem einzigen kleinen Teebeutel fanden die Forschenden DNA-Spuren von nicht weniger als 400 verschiedenen Insektenarten, wie sie im Fachblatt "Biology Letters" berichten.

Vorteile der neuen Methode

Diese neue Analysemethode verschafft aber auch neue Einblicke in die Interaktionen zwischen Pflanzen und Insekten: So können Forscherinnen und Forscher nach den Ursachen fahnden, warum mit bestimmten Pflanzenarten auch die mit ihnen verbundenen Insektenarten verschwinden – und umgekehrt. Auch die Landwirtschaft könnte im Hinblick auf die Erforschung von Pflanzenschädlingen profitieren, da die Verbreitung von Schadinsekten mittels Einlagerungen in Pflanzen erfolgen kann.

Der innovative Ansatz lässt auch auf neue Blicke in die Vergangenheit hoffen: Da die in getrockneten Pflanzen enthaltene eDNA überraschend stabil ist, will Krehenwinkel anhand von Pflanzensammlungen in Museen prüfen, ob sich mittels eDNA ein Biomonitoring über einen langen Zeitraum hinweg zurückverfolgen lässt.

Schließlich könnte das neue Werkzeug auch für die Kriminalistik spannend werden, denn mittels eDNA lassen sich zuverlässige Aussagen über die tatsächliche geografische Herkunft von Pflanzen treffen – also etwa, ob eingeführte Teesorten tatsächlich aus den angegebenen Ländern stammen. Und was bei Tee möglich ist, gilt auch für Drogen auf pflanzlicher Basis. (tasch, 21.6.2021)