Zinslose Kredite sollten Verbraucherinnen und Verbraucher unterstützen, die wegen der Pandemie ihren Job verloren oder in Kurzarbeit mussten.

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Wien – In einem bemerkenswerten Schulterschluss haben sich 403 österreichische Kreditinstitute mit einem gemeinsamen Antrag an den Verfassungsgerichtshof (VfGH) gewandt. Sie bekämpfen die zinsenlosen Kreditstundungen, die die türkis-grüne Regierung für bestimmte Kredite von 1. April 2020 bis 31. Jänner 2021 gesetzlich verordnet hat.

Die Maßnahmen sollte Verbraucherinnen und Verbraucher unterstützen, die wegen der Pandemie ihren Job verloren oder in Kurzarbeit mussten. Die Laufzeit der Kredite verlängerte sich dadurch um zehn Monate. Im Gesetz war allerdings nicht klar geregelt, ob die Zinsen während der Stundung normal weiterlaufen. Die Banken vertraten den Standpunkt, dass zwar Zinsen wegen verspäteter Ratenzahlungen wegfallen, nicht aber die normalen Vertragszinsen.

VKI gewann gegen Bawag

Der Verein für Konsumenteninformation (VKI) führte deshalb ein Musterverfahren gegen die Bawag. Während die ersten beiden Instanzen die Zinsen als zulässig erachteten, gab der Oberste Gerichtshof (OGH) dem VKI im Dezember 2021 in letzter Instanz recht (OGH 22. 12. 2021, 3 Ob 189/21x). Die Stundungen dürfen demnach nicht dazu führen, dass sich der Gesamtbetrag des Kredits erhöht. Laut dem Höchstgericht müssen die Banken ihren Kunden die zu viel verrechneten Zinsen daher zurückzahlen.

Die Banken wollen das aber offenbar nicht akzeptieren: 403 von insgesamt 441 heimischen Instituten wenden sich nun mit einem Antrag an den Verfassungsgerichtshof. Mit dabei sind alle relevanten Banken, außer einige wenige wie die Bawag, die bereits in zivilrechtliche Verfahren verwickelt waren, sagt Rechtsanwalt Alexander Grau, der die Institute vor dem Höchstgericht vertritt, zum STANDARD.

Umstrittenes OGH-Urteil

Im juristischen Sinne argumentieren die Banken, dass die Bestimmung gleichheitswidrig sei. Während Vermieter ihre gestundeten Mieten inklusive Zinsen zurückbekommen hätten, müssten Banken laut der OGH-Entscheidung darauf verzichten. "Die Banken fallen damit für zehn Monate um ihr Entgelt um", sagt Grau.

Das Urteil des Höchstgerichts wurde in Fachkreisen mitunter stark kritisiert. Es bringe keine Rechtssicherheit, befand etwa Martin Spitzer, Professor für Zivilrecht an der WU Wien in der Fachzeitschrift "Zivilrecht aktuell". Dass der VfGH das Gesetz aufhebt, sei zwar "nicht zu erwarten", er könne aber klarstellen, wie eine "verfassungskonforme Auslegung" auszusehen hätte. Daran wäre der OGH in künftigen Verfahren zwar nicht gebunden, er würde sich aber wohl daran orientieren. Eine Entscheidung ergeht frühestens im Herbst. (Jakob Pflügl, 23.6.2022)