(Straßenbefragung. Ein Passant, ca. 70. Eine Interviewerin, ca. 30.)

INTERVIEWERIN: Es gibt Bestrebungen, die Krankheit Affenpocken umzubenennen. Darf ich fragen, wie Sie dazu stehen?

PASSANT: Unbedingt positiv. Die Affen sind völlig schuldlos, die sind ja nur Zwischenwirte. Aber beim Benennen sollte man immer zum Schmied gehen, nicht zum Schmiedl.

INTERVIEWERIN: Sie meinen, zum eigentlichen Verursacher, also diesen Nagetierpopulationen in Asien, wo –

PASSANT: Wieso Asien? Wieso Nagetiere? Zur Ente muss man gehen! Entenblattern muss diese Krankheit heißen!

INTERVIEWERIN: Aber es ist doch erwiesen, dass es Nagetiere waren, von denen dieses Virus auf die Affen übergegangen ist.

PASSANT: Das kann schon sein, aber wenn Sie genauer nachforschen, werden Sie herausfinden, dass alle diese Nagetiere vorher mit Enten in Kontakt waren.

INTERVIEWERIN: Mir scheint, Sie haben etwas gegen Enten.

PASSANT: Ich habe überhaupt nichts gegen Enten, im Gegenteil. Ich bin auf einer Geflügelfarm aufgewachsen, da habe ich immer gern den Enten zugeschaut, wie sie so lustig herumwatscheln. Auch gegessen habe ich sie gern. Nur einmal habe ich den Fehler gemacht, eine von ihnen zu streicheln, und patsch, war ich angesteckt. Entengrippe.

INTERVIEWERIN: Wie äußerst sich diese Krankheit?

PASSANT: Hohes Fieber, Husten, Schnupfen, Bindehautentzündung, Ausschlag am ganzen Körper.

INTERVIEWERIN: Das klingt nach Masern.

PASSANT (lacht): Sie reden wie meine Mutter damals. Nein, nein, das war die Entengrippe, Anatinfluenza, das dürfen Sie mir schon glauben. Ich habe mich in den Jahren nach meiner Pensionierung eingehend mit diesem Thema beschäftigt, und ich kann Ihnen versichern, dass fast neunzig Prozent aller Viruserkrankungen auf die Ente zurückgehen.

INTERVIEWERIN (wendet sich kopfschüttelnd ab): Also, bei so viel Blödsinn, da kriegt man ja direkt Kopfweh. (Geht ab.)

PASSANT (ihr nachrufend): Vorsicht! Plötzlicher Kopfschmerz, das kann Vertigo anatis sein, der Entenschwindel! Sehr unangenehm!

(Vorhang)
(Antonio Fian, 24.6.2022)