Rahel leidet unter allerschönster Angst.

Foto: Gwendolin Meta

Wer so leichtfüßig wie Rahel um die Ecke biegt, kann schon mal stolpern. "Denn ich tapp, tapp, tapp in dieselben Fallen / Nochmal, nochmal, weil sie mir so gefallen", singt sie auf dem beschwingten Opener ihrer EP Die Allerschönste Angst. Wie schon der Titel verrät, geht es um Gefühlswirrwarr, die Gleichzeitigkeit von Empfindungen, die eigentlich nicht zusammenpassen sollten: Angst, die wohlig kribbelt, und Fallen, in die man nur zu gern tapp, tapp, tappt.

Radio International

Aus wirbelnden Synths, einem Kleckser Chanson und viel Elegie baut Rahel ihren Dreampop – oder ist das eher Indie-Schlager? Die Wahlwienerin eroberte mit ihrem Sound die FM4-Charts, und auch in Deutschland hat man schon ein Auge und Ohr auf sie geworfen. Vermutlich weil sie mit dieser Art von Musik gerade nicht allein ist.

Auch ihre Kollegin Resi Reiner hat soeben mit echsestieren eine EP vorgelegt, die in eine ähnliche Richtung geht. Wie Rahel singt auch Reiner auf Deutsch, beide sind der Melancholie verpflichtet und beide EPs haben eine sommerliche Schlagseite. Ich will nach Italien oder Richtig Sommer heißen zwei Nummern bei Reiner, Hochsommer eine bei Rahel.

Resi Reiner

Resi Reiner startete ihre Karriere schon als Kind, allerdings als Schauspielerin. Ihrer Stimme hört man das auch an. Der süßliche Überdruss, mit dem sie ihre Texte präsentiert, klingt etwas gekünstelt. Trotzdem trifft sie mit ihren Songs sicherlich bei vielen, die sich auf adoleszenter Sinnsuche befinden, einen Nerv: "Mein Laster ist schon lange Zeit / die Orientierungslosigkeit", heißt es da zum Beispiel auf Naja, geht so.

Exotische Ösis

Texte mit Wiedererkennungswert, die aber nicht banal sind, sondern fast einen Hauch von Poesie besitzen, können beide Newcomerinnen schreiben. Vermutlich mag man Musikerinnen wie Rahel und Resi Reiner in Deutschland auch so gern, weil dort die Wiener Betrübtheit einen gewissen Exotik-Faktor besitzt. Wenn in Deutschland über den Sommer geschrieben wird, ist das tendenziell was Feines, in Wien geht uns die gelbe Sau halt vor allem auf die Nerven.

Und so dichtet Resi Reiner Rudi Carrell um. Er: "Wann wird’s mal wieder richtig Sommer / Ein Sommer, wie er früher einmal war? / Ja, mit Sonnenschein von Juni bis September / Und nicht so nass und so sibirisch, wie im letzten Jahr." Sie: "Wird es auch mal wieder richtig Sommer / Ich mein, ein Sommer, wie er früher einmal war / Wo es zwischendurch auch ein paar kühle Tage gibt / Wo’s nicht so subsaharisch heiß ist."

Resi Reiner braucht Italien-Urlaub.
Foto: Marco Sensche

Das wird man auch als Wink mit dem Klimazaunpfahl interpretieren, aber eben auch als Verortung in einer sehr wienerischen Tradition. Schon Falco war mit der heißen Gesamtsituation auf Zuviel Hitze unzufrieden, auch wenn der seine Wallungen nicht nur durch Sonneneinwirkung bekam. Rahel wiederum, die dabei klingt, als wäre sie Teil der Band Air, haucht im Text zu Hochsommer: "Haben sie dir nicht erzählt, Hochsommer kommt vor dem Fall?"

Gefährlich, so eine Jahreszeit. (Amira Ben Saoud, 29.6.2022)