2012 wurde das Werkzeug CRISPR entwickelt, das die gezielte Veränderung des Erbguts ermöglicht. Die Erfinderinnen Jennifer Doudna und Emmanuelle Charpentier erhielten 2020 den Chemie-Nobelpreis.

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Die Gen-Schere CRISPR/Cas9 sorgt nun seit den ersten Publikationen vor zehn Jahren für Furore. Schließlich lässt sich damit die Erbsubstanz DNA an einer gewählten Stelle verändern, und zwar wesentlich einfacher und schneller, als es zuvor möglich war. Anwendbar ist die Technik in pflanzlichen, tierischen und menschlichen Zellen.

Bei Nutzpflanzen sind die Möglichkeiten, mit der Gen-Schere positive Effekte zu bewirken, besonders vielversprechend. Man könnte wünschenswerte Mutationen erreichen, zum Beispiel Nutzpflanzen, die resistent gegenüber bestimmten Schädlingen sind.

Die Anwendung wurde nur nach teuren Genehmigungsverfahren nach der Gentechnikverordnung bewilligt, womit kleine Unternehmen gegenüber Großkonzernen chancenlos sind. Nun wird eine Lockerung diskutiert, was aufgrund technologischer Fortschritte bei CRISPR nachvollziehbar ist, Boulevardmedien aber erbost und zu Schlagzeilen führt wie "Kampf gegen perfide Gen-Manipulation".

Ein Überblick über die wichtigsten Fakten in einer aufgeheizten Debatte, basierend auf einem Gespräch mit der Pflanzengenetikerin Ortrun Mittelsten Scheid vom Gregor-Mendel-Institut der Akademie der Wissenschaften.

Frage: 2018 wurde beschlossen, CRISPR unter eine zwei Jahrzehnte alte, strenge Gentechnikverordnung zu stellen. Was hat diese Verordnung besagt?

Antwort: Die alte Gentechnikverordnung stellt transgene Pflanzen, in deren Genom Gene anderer Organismen eingebaut wurden, unter strenge Zulassungsregeln, die zu einem Verbot von deren Anbau und Anwendung in Europa geführt haben. Mit dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) 2018 wurden auch Pflanzen, die keine zusätzlichen Gene enthalten, deren eigenes Erbgut aber durch künstlich erzeugte Mutationen verändert wurde, den gleichen strengen Regeln unterworfen. Das gilt sogar für Pflanzen aus Züchtungen, deren genetische Vielfalt ursprünglich durch Bestrahlung oder DNA-schädigende Chemikalien erzielt wurde. Da aber viele dieser Pflanzen schon jahrelang im Handel und auch als Bio-Produkte akzeptiert sind, hat man diese aufgrund ihrer erwiesenen Unschädlichkeit, also ihrer "guten Führung wegen", von der Regelung ausgenommen.

Frage: Warum war die Wissenschaft gegen die Verordnung?

Antwort: Die Entscheidung des EuGH entbehrt einer wissenschaftlichen Grundlage, weil die Art der genetischen Veränderungen durch die modernen Präzisionsverfahren molekularbiologisch nicht von traditionellen Züchtungen zu unterscheiden ist. Die veränderten Eigenschaften beruhen nämlich nicht auf eingebauten Fremdgenen, sondern auf Mutationen, die auch spontan auftreten könnten, nur seltener und zufallsmäßiger, deswegen viel mühsamer zu finden sind.

Frage: Warum will die EU den Umgang mit neuen Züchtungstechniken gerade jetzt zur Diskussion stellen?

Antwort: Seit dem Urteil hat die Entwicklung der Präzisionszüchtung mithilfe der CRISPR-Technologie enorme Fortschritte gemacht und viele überzeugende Beispiele geliefert, dass Eigenschaften von Kulturpflanzen in kurzer Zeit entscheidend verbessert werden konnten. Es wächst die Einsicht, dass das Potenzial der neuen Verfahren die von der EU angestrebte "Farm to Fork"-Politik in großem Maße unterstützen könnte. Außerhalb von Europa ist dieses Potenzial viel deutlicher sichtbar und in Anwendung. Falls der Anschluss in Forschung und Anwendung an die Entwicklung verloren geht, könnte das für Europa erhebliche Nachteile haben.

Frage: CRISPR soll Pflanzen resistent gegen Schädlinge machen. Stimmt das?

Antwort: Das stimmt für einzelne Pflanzen und einzelne Schädlinge, ist aber nur eines von vielen anderen Beispielen von Eigenschaften, die durch CRISPR verbessert werden konnten. CRISPR funktioniert bisher am besten, wenn die Eigenschaft durch ein einzelnes Gen bedingt ist und durch Ausschalten dieses Gens positiv verändert wird. Das gilt zum Beispiel für die Mehltauresistenz beim Weizen. Aber das Spektrum reicht viel weiter: Ertragssteigerung durch weniger Ernteverluste, wenn die Rapsschoten nicht vorzeitig aufspringen, verminderter Gehalt an giftigem Acrylamid im Toastbrot oder verminderte Unverträglichkeiten bei Weizen, und eine Turbo-Evolution von Wildpflanzen in ertragsreiche Kulturformen in wenigen Generationen.

Frage: Ist CRISPR nicht als traditionelle Gentechnik zu bezeichnen und daher problematisch?

Antwort: Pflanzenzüchtung ist seit dem Sesshaftwerden der Menschen Gentechnik – nämlich ein Verfahren, um natürliche Prozesse zum eigenen Nutzen anzuwenden. Die Anwendung des CRISPR-Prinzips steht in dieser Tradition. Es stimmt, dass das CRISPR-Enzym vorübergehend in die Pflanzenzelle gebracht werden muss, aber wieder entfernt werden kann, ohne eine andere Spur als die gewünschten Veränderungen zu hinterlassen. Deswegen kann man auch spontan entstandene nicht von CRISPR-erzeugten Mutation molekularbiologisch unterscheiden, was im Übrigen die Überwachung des EuGH-Urteils in letzter Konsequenz nicht durchsetzbar machen würde.

Frage: Sind der Wissenschaft und Industrie Grenzen gesetzt bei der Nutzung von CRISPR bei Nutzpflanzen?

Antwort: Die Grenzen für die Industrie sind ökonomisch bedingt: Langwierige und teure Zulassungsverfahren und Anbauverbote in wichtigen Märkten sind offensichtliche Grenzen. Der Wissenschaft sind natürliche Grenzen gesetzt. Für viele Eigenschaften sind die zuständigen Gene noch nicht bekannt. Viele Eigenschaften sind durch viele Gene gleichzeitig bedingt, von einigen Pflanzen kennt man das Genom noch nicht ausreichend, und nicht alle Pflanzen sind gleich gut zugänglich für das CRISPR-Verfahren. (Peter Illetschko, 4.7.2022)