In diesem Gebäude findet unter anderem die Fertigung der Leica-Kameras statt.

Foto: STANDARD / Mickey Manakas

Steine so weit das Auge reicht.

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Seltene Sondermodelle werden in Vitrinen ausgestellt.

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Die letzten Minuten vor Beginn des Events wirken fast rituell. Langsam, aber sicher füllt sich der Vorplatz des Leitz-Parks mit Besuchern. Vor Aufregung sichtlich angespannt richten sie sich den Hemdkragen – bevor sich einer nach dem anderen eine hochpreisige Leica M um die Schulter schwingt und gen Eingang marschiert. Vermutlich in der Hoffnung, schon aus der Ferne als Leitzianer erkannt zu werden. Ein Motiv, das dieser Tage öfters mit anzusehen war.

Die Rede ist von der Leitz Photographica Auction, die am 11. Juni schon zum 40. Mal stattfand. Ein Jubiläum, für dessen Erfolg die Veranstalter an diesem sonnigen Tag Mitte Juni keine Kosten sparten. Immerhin sollte mit der Versteigerung von Oskar Barnacks Leica 0-Serie Geschichte geschrieben werden. Den Zuschlag erhielt ein anonymer Bieter, der telefonisch stolze 14,4 Millionen Euro auf den Tisch legte – und damit einen neuen Weltrekord aufstellte. Den Menschen im Auktionssaal konnte man das Staunen beinahe vom Gesicht ablesen, als der Preis Million um Million in die Höhe schoss. Im Vorfeld hörte man noch skeptisches Raunen, ob überhaupt der Schätzpreis von zwei bis drei Millionen erreicht werden könne.

Aquaman in Mittelhessen

Angesichts dieses Spektakels ist es eigentlich schade, dass es nicht allzu viele Fotografie-Enthusiasten in den Heimat- und Geburtsort der Leica und Kleinbildkamera verschlagen wird. Erstens deshalb, weil sich dieser eine gute Autostunde von Frankfurt (Main) entfernt im mittelhessischen Wetzlar befindet. Zweitens, weil sich die Luxusgeräte nur die wenigsten leisten können. Wer eine Leica M sein Eigen nennen will, muss teils bereit sein, hohe vierstellige Beträge auf den Tisch zu legen. Egal, ob diese modern und digital sein soll oder in den 50er-Jahren gefertigt wurde.

Im Leitz-Café gibt es unter anderem eine Leica-Torte.
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Auf der anderen Seite zeigt gerade diese Tatsache, dass die Marke Leica Sammlerinnen, Sammler und Enthusiasten anzieht wie eine magische Fliegenfalle. Sogar Aquaman verfiel der Begeisterung – wenn auch nur in Form des Hollywood-Schauspielers Jason Momoa. Der hawaiianische Leica-Enthusiast reiste samt Entourage aus Los Angeles an, um die Photographica Auction hautnah mitzuerleben und ein, zwei Schmuckstücke mit nach Hause zu nehmen.

Aus Publicity-Sicht hätte es für den mittelhessischen Traditionsbetrieb also kaum besser laufen können. Nach einer zweijährigen Corona-Pause lud das Unternehmen für die Versteigerungen sowohl internationale Gäste als auch Pressevertreterinnen und Pressevertreter erstmals wieder nach Wetzlar – und auf das weitläufige Firmengelände des Unternehmens – ein. Der Saal war voll, als Auktionator Wolfgang Pauritsch die Versteigerung am Vormittag eröffnete, um die kommenden Stunden damit zu verbringen, eine Rarität nach der anderen an den Höchstbietenden zu verkaufen.

Darunter fanden sich alle erdenklichen Schätze für Fans der Fotografie. Kameras aus deutscher, japanischer oder russischer Herstellung, Fotodrucke, Bücher und sogar Werbematerial aus dem vergangenen Jahrhundert. Bei interessanten Exponaten schossen auch vor Ort immer wieder die Auktionskarten in die Höhe und trieben den Preis in dieselbe Richtung. Diese Interaktion zwischen Auktionator und Bietern ist selbst für Außenstehende, die sich nicht mit dem Marktwert einzelner Sammlerstücke auskennen, spannend.

Erlebnispark für Leica-Fans

Ins Staunen kommt man allerdings schon früher. Bereits nach Ankunft kann man die aufwendige Selbstinszenierung des Unternehmens bewundern. Auf insgesamt 36.000 Quadratmetern hat Leica nicht nur die Produktionsstätte untergebracht, sondern zwei Museen, Kamerageschäfte und eine Uhrenmanufaktur. Sogar ein Hotel – wohlgemerkt Teil der Kette Vienna House – findet man auf dem grau gepflasterten Grundstück.

Wichtige Kameras aus der Vergangenheit Leicas werden in schwarzen Monolithen präsentiert.
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Mit nur einer 360-Grad-Umdrehung sieht man also auf einen Blick, wie vielfältig das Produktportfolio ist. Vermutlich wissen nicht viele, dass "Leitz Cine"-Objektive für Hollywood-Blockbuster wie "The Revenant" aus Wetzlar als Leihgabe in die ganze Welt verschickt werden; gleich ums Eck vom Leica-Store, in dem Besucherinnen eine Leica M als Souvenir erwerben können.

Wände voller Kameras

Dass sich hier alles um die Fotografie mit Leica-Kameras dreht, ist jedoch nicht nur deshalb omnipräsent. Angefangen bei der Architektur bis hin zum Toilettenschild folgt das Design ganz klar der Corporate Identity des Unternehmens. Sogar die Wände des Hotelzimmers sind mit dem Schnittplan einer historischen Leica tapeziert. Und es geht weiter: Denn das Produktionsgebäude, das auch ein Museum beherbergt, erinnert bei Draufsicht an ein Objektiv. Eine Tatsache, die einem in Wirklichkeit erst dann auffällt, wenn man während der Führung darauf hingewiesen wird.

Apropos: Eines der Museen beherbergt neben eindrucksvollen Kunstwerken verschiedener Fotografinnen und Fotografen einzelne besonders wichtige Leicas aus unterschiedlichen Phasen der Unternehmensgeschichte. Präsentiert werden sie in einem weißen, lichtdurchfluteten Saal in Vitrinen, die in schwarze Monolithen eingelassen wurden.

Die Hotelzimmer sind (zumindest teilweise) mit Leicas tapeziert.
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Der Apple-Effekt

Wer nach diesem Anblick noch immer nicht genug von Leica bekommen kann und seinen favorisierten Kamerahersteller am liebsten verspeisen würde, dem sei ein Gang ins Café Leitz empfohlen. Neben Kaffee und allerlei verschiedenen Kuchen gibt es hier eine Leica-Torte, an deren mit Schokolade überzogenen Spitze das Unternehmenslogo thront. Ein runder Abschluss für einen Besuch, will man der eigenen Geldbörse den Abstecher in den Vintage-Store lieber ersparen.

Für Fans der kompakten Messsucherkameras lohnt sich ein Besuch auf jeden Fall. Beinahe kriegt man bei Besichtigung des riesigen Areals das Gefühl, Leica sei bei der Planung internationalen Tech-Konzernen wie Apple nachgeeifert. Kaum ein anderes Unternehmen macht heutzutage sich eine vergleichbare Mühe, um Kunden von der Exklusivität und Hochwertigkeit der eigenen Produkte zu überzeugen. Sieht man sich die diesjährige Leitz Auction – und das Rekordgebot von 14,4 Millionen Euro – an, scheint auch Leica mit dieser Taktik Erfolg zu haben. (Mickey Manakas, 3.7.2022)